Chronologie
Dezember 2018
EZLN lädt Ende Dezember zu Netzwerktreffen nach Mexiko ein
Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee EZLN aus dem südmexikanischen Chiapas hat solidarische Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen zu einem Netzwerktreffen und zu einer Feier eingeladen, bei der dem 25. Jubiläum des zapatistischen Aufstands, „des Beginns des Krieges gegen das Vergessen“ gedacht werden soll. Auf dem mehrtägigen Treffen sollen die Ergebnisse einer internen Umfrage vom August 2018 vorgestellt werden. Ausgewertet und analysiert wird zudem die Situation der indigenen Völker und Gemeinden. Schliesslich sollen neue Schritte im Kampf gegen Gewalt, Diskriminierung und Landraub diskutiert werden.
Ausserordentliche Wahlen des Dorfes San Dionisio Del Mar im Isthmus von Oaxaca abgebrochen.
Grosse gewaltsame Spannungen sind auf die Präsenz einer bewaffneten Gruppe im Zuge der ausserordentlichen Wahlen am 09.12.18, zurückzuführen (Die Wahl wurde im Juli aufgrund der schwierigen Situation verschoben).
Die jüngsten Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind Strassenblockaden durch die erwähnte bewaffnete Gruppe, die den einzigen Zugang zum Dorf versperren. Die bewaffnete Gruppe ist der Partei PRI und deren Kandidatin für den Gemeindevorsitz, Theresita Luis zuzurechnen.
Die Gemeinde San Dionisio del Mar hat eine lange Geschichte des Widerstandes und ist ein Stein im Schuh der Windkraft-Megaprojekte im Isthmus von Oaxaca. Im Zuge des Widerstandes und der damit einhergehenden Korruption und Gewalt besetzte die Asamblea Popular (Gemeindeversammlung) vor sieben Jahren Einrichtungen der Gemeinde, welche seither öffentlich genutzt werden.
UNO begrüsst Entscheidung gegen Gesetz „zur Inneren Sicherheit“ in Mexiko
Eine zehnköpfige Expertengruppe der Vereinten Nationen hat die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Mexiko begrüsst, das umstrittene Gesetz zur Inneren Sicherheit für verfassungswidrig zu erklären. „Die zunehmenden Aufgaben der Militärs gegen die organisierte Kriminalität und der Mangel an Kontrollmechanismen sowie Rechenschaftspflicht haben zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zur Folge gehabt“, schreibt die UN-Gruppe.
„Let’s migrate the system“: In Mexiko wird (wieder) über globale Solidarität gesprochen
Mehr als 1.600 TeilnehmerInnen aus über 60 verschiedenen Ländern der Welt fanden sich anfangs Dezember unter dem Motto „Let‘s migrate the system“ in Mexikos Hauptstadt zusammen, um sich auszutauschen, Vorschläge zusammenzubringen und Horizonte zu erweitern.
Indigene und Umweltschützer gegen Zugprojekt „Tren Maya“
Der mexikanische Präsident Obrador hat den Baubeginn des „Tren Maya“ (Maya-Zug) bekanntgegeben. Er hatte schon während seines Wahlkampfes den Bau einer neuen Zugstrecke im Südosten des Landes verkündet. Von der Verbindung des im Bundesstaat Chiapas gelegenen Palenque mit Cancún, dem Hauptort der „Riviera Maya“ genannten Touristenregion an der mexikanischen Karibikküste, verspricht sich Amlo einen wirtschaftlichen Aufschwung der Region. Gegner des Projektes kritisieren es als neokoloniales Entwicklungsprojekt, das schwerwiegende ökologische Schäden verursachen wird.
Karawane in Mexiko: 3000 Geflüchtete haben aufgegeben
Nach etwa zwei Monaten seit Beginn des Exodus aus Honduras über Guatemala und Mexiko in Richtung USA ist die Karawane der mittelamerikanischen Migranten zersplittert. Von den ursprünglich etwa 8.000 Personen sind nach Angaben des Leiters der zuständigen Migrationsbehörde (Dirección de Atención al Migrante), Gustavo Magallanes Cortés, mittlerweile 3.000 wieder in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt oder haben sich in verschiedenen mexikanischen Städten niedergelassen. Schätzungsweise 5.000 befinden sich an der Grenze zu den USA in Tijuana im Bundesstaat Baja California.
November 2018
Erneut ist die Bevölkerung einer indigenen Gemeinde im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas gewaltsam vertrieben worden.
Nach mehreren Gewalttaten in Chavajebal, Bezirk El Bosque, sind alle 1.764 Bewohner, darunter auch Mitglieder der zapatistischen Unterstützungsbasis, in die Wälder und in umliegende Dörfer geflohen. Der Exodus begann am 7. November, nachdem während einer Gemeindeversammlung Schüsse aus automatischen Waffen auf die Dorfbewohner abgegeben wurden. Dabei wurde ein Mann getötet, wie das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas mit Sitz in der Stadt San Cristóbal berichtet.
Karawane der MigrantInnen: Massenfestnahmen und ein tödlicher Unfall in Chiapas
Am 21. November wurden im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas 500 TeilnehmerInnen der sechsten Karawane der MigrantInnen von 200 Bundespolizisten und BeamtInnen der Nationalen Einwanderungsbehörde Mexikos INM (Instituto Nacional de Migración) festgenommen. Die grösstenteils aus El Salvador stammende Gruppe, der auch acht Minderjährige und einige Frauen angehörten, wurde von den Behörden in der chiapanekischen Gemeinde Metapa de Domínguez beim Versuch festgesetzt, den Grenzfluss Río Suchitate von Guatemala nach Mexiko zu überqueren. Zwar versuchten einige, ihrer Verhaftung zu entkommen, letztlich mussten aber alle in die bereit stehenden Busse steigen, die sie zur Haftzentrum für MigrantInnen Siglo XXI nach Tapachula brachten. Von dort werden sie vermutlich wieder abgeschoben.
Oktober 2018
50 JAHRE DES MASSAKERS VON TLATELOLCO 1968
Zwar gilt das Massaker vom 2. Oktober 1968 in Mexiko mittlerweile offiziell als staatliches Verbrechen, vollständig aufgeklärt ist es aber nicht – die Täter blieben ungestraft.
September 2018
Ex-Gouverneur von Veracruz in Mexiko verurteilt
Der frühere mexikanische Gouverneur Javier Duarte wurde wegen Geldwäscherei und Verbindungen zum organisierten Verbrechen, zu neun Jahren Haft verurteilt. Die milde Strafe sorgt für Empörung. Duarte war im Vorfeld vorgeworfen worden, umgerechnet gut 3,8 Milliarden Franken aus der Staatskasse hinterzogen zu haben. Das Gericht vermochte aber nur die Unterschlagung von 33 Millionen Franken zu beweisen.
Jesús Javier Ramos Arreola, Gegner des neuen Flughafens ermordet
Erneut Journalist in Mexiko erschossen
Mario Gómez sei beim Verlassen seines Hauses im Süden des Bundesstaats Chiapas erschossen worden, teilte die Zeitung El Heraldo de Chiapas am Freitag (Ortszeit) mit. Er ist der elfte Medienschaffende, der dieses Jahr in Mexiko getötet wurde, im gesamten vergangenen Jahr starben 13 Journalisten, und insgesamt wurden mehr als 29.000 Menschen umgebracht.
August 2018
Indigener Menschenrechtsverteidiger gewaltsam verschwunden
Der Menschenrechtler Sergio Rivera Hernández ist im Bundesstaat Puebla seit dem 23. August verschwunden. Er ist Teil des Widerstandes gegen ein Staudammprojekt, das ohne Befragung der betroffenen Bevölkerung erbaut werden soll. Um den Widerstand zu brechen, werden durch die Firma des Staudammprojektes und lokale Gemeindepräsidenten gewaltsame Methoden angewendet – das Verschwindenlassen von Rivera Hernández ist das neuste Beispiel dafür.
Juli 2018
1. Juli
Erstmals seit 1940 wurde in Mexiko ein linker Präsident gewählt: Andrés Manuel Lopez Obrador gewinnt die Wahlen. Claudia Sheinbaum von MORENA wird die erste Präsidentin von Mexiko Stadt.
Die Zapatistas sagen: Sie können den Vorarbeiter wechseln, der Grossgrundbesitzer bleibt der gleiche.
6. Juli
Konzessionen für bisher geschützte Gewässer in Mexiko
Der scheidende Präsident von Mexiko, Enrique Peña Nieto, hat kurz vor der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag zehn Dekrete zur Freigabe von 300 bisher geschützten Wassereinzugsgebieten unterzeichnet. Experten befürchten Einschränkungen des Rechts auf Wasser und die Ausbeutung des Rohstoffs durch die Privatwirtschaft mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Die neu auszustellenden Konzessionen betreffen 55 Prozent der mexikanischen Flüsse und Seen und sollen bis zu 50 Jahre gelten.
Juni 2018
Juni
Im Juni hat erstmals auch ein mexikanisches Bundesgericht die damals unter dem Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam begonnenen, unseriös geführten, Untersuchungen „zerpflückt“ und eine Wahrheitskommission vorgeschlagen. Dasselbe schlug letztes Jahr eine unabhängige Interamerikanische Untersuchungskommission vor, welche von Mexiko zurückgewiesen wurde.
Nun hat ein Bundesrichter von Tamaulipas die Gründung einer neuen Wahrheitskommission auf unbestimmte Zeit suspendiert. Die Eltern der verschwundenen Studenten kündigen an, weiter nach ihren Söhnen zu suchen.
2. Juni
UNO fordert Mexiko zu Maßnahmen gegen Verschwindenlassen in Nuevo Laredo auf.
18. Juni
2 Jahre nachdem 8 Personen in Nochixtlán umgebracht wurden, fordert die UNO die Wahrheit und Gerechtigkeit für die Opfer.
Das Büro des Hohen Kommissariats für Menschenrechte der UNO in Mexiko beurteilt es als äusserst beunruhigend, dass „der mexikanische Staat in verschiedenen Erklärungen die Bevölkerung und Demonstrierenden beschuldigte, und sich bislang weigerte, die Verantwortung der Behörden für die schmerzhaften Ereignissen zu übernehmen“, bei denen 8 Personen in einer Polizeiaktion ums Leben kamen, als eine Strassensperre aufgelöst werden sollte. Die Forderung nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung sei immer noch hängig.
Mai 2018
Mai
Wenige Wochen vor den Wahlen erhöht sich die Gewalt im Land und könnte 2017, als das tödlichste Jahr der letzten zwei Jahrzehnten übertreffen. Bis April stieg die Mordrate mit 10’395 Fällen sogar noch um 21 Prozent gegenüber 2017. Eine gleiche dramatische Entwicklung verzeichnen die Feminizide: Mit 269 Morden liegt die sexuelle Gewalt mit Todesfolge gegen Frauen und Mädchen genau ein Fünftel höher als im Jahr davor.
15.Mai
Im Bundesstaat Tabasco wurde der Journalist und Radiomoderator Juan Carlos Huerta Martínez erschossen, als er mit seinem Auto von zu Hause weg fuhr. Huerta war Moderator einer Nachrichtenradiosendung 620AM Rückhaltlos (620AM sin reservas), die er vor drei Monaten ins Leben gerufen hatte. Der Journalist moderierte auch die Fernsehnachrichten Notinueve und unterrichtete an der Autonomen Universität von Villahermosa.
15. Mai
Strafprozess gegen Heckler und Koch startet
Vor Gericht mussten sich eine Vertriebsmitarbeiterin, zwei ehemalige Vertriebsleiter, zwei Ex-Geschäftsführer verantworten. Auch ein früherer Mexiko-Repräsentant der Firma muss vor Gericht. Es geht um Verstösse gegen das Kriegswaffenkontroll- und Aussenwirtschaftsgesetz durch Lieferungen von G36-Sturmgewehren und Zubehörteilen nach Mexiko im Zeitraum 2006 bis 2009. Die Waffen wurden in Unruhe-Provinzen eingesetzt, wo sie laut Ausfuhrgenehmigung gar nicht hätten sein dürfen – laut Anklage war den Beschuldigten das bewusst.
24. Mai
Die Journalistin Alicia Díaz González ist am 24. Mai tot in ihrer Wohnung im nordmexikanischen Monterrey aufgefunden worden. Seit 2000 wurden in dem Land mehr als 80 Journalisten ermordet, viele von ihnen berichteten über „Drogenhandel, Korruption und die Verquickung von Politik und organisiertem Verbrechen“.
April 2018
April
Karawane von 1’000 Menschen tritt für Rechte von Migranten ein.
Die Karawane zog in der Osterwoche unter dem Titel „Kreuzweg der Migranten“ auf verschiedenen Routen durch Mexiko, um auf die prekäre Situation von Migranten aufmerksam zu machen und für ihre Rechte zu demonstrieren. Dazu organisierten sie mit Unterstützung lokaler Nichtregierungsorganisationen (NGO) Veranstaltungen und Kundgebungen.
Mexiko und Europäische Union schließen Freihandelsabkommen ab.
Die Europäische Union und Mexiko haben die im Mai 2016 aufgenommenen Verhandlungen über eine Neuauflage eines gemeinsamen Handelsabkommens abgeschlossen und die Unterzeichnung nach der Klärung letzter technischer Details angekündigt. Damit können praktisch alle Waren zollfrei zwischen Mexiko und der EU gehandelt werden. Kritik wurde bereits unter anderem hinsichtlich der handelspolitischen Ausrichtung des Abkommens und des Verzichts auf die Stärkung der Menschenrechte laut.
15. – 25. April
Die EZLN hat Intellektuelle, Künstler, Journalisten und Aktivisten nach San Cristóbal de las Casas eingeladen, um – auch mit Blick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen – das gemeinsame weitere Vorgehen zu besprechen. Zugleich wurde Bilanz der Kampagne des Indigenen Regierungsrates (Consejo Indígena de Gobierno, CIG) gezogen.
26. April
Proteste: 43 Studenten seit 43 Monaten verschwunden
Auch 43 Monate nach dem Verschwinden von 43 Lehramtsstudenten der linken Hochschule Escuela Normal Rural de Ayotzinapa gehen die Suche ihrer Angehörigen und die Proteste weiter. Unter dem Motto «43 x 43» fanden in der letzten Aprilwoche in ganz Mexiko und weltweit Demonstrationen und Kundgebungen statt, die sich gegen die „historische Wahrheit“ der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto richten.
März 2018
8. März
„Gib nicht auf!“: Zapatistinnen beenden erstes internationales Frauentreffen
Sport, Kultur und Debatten standen im Mittelpunkt des dreitägigen Treffens, zu dem die Zapatistinnen vom 8. bis 10. März 2018 Besucherinnen aus aller Welt eingeladen hatten. Der Erfolg war überwältigend: es kamen rund 5000 Frauen, die das Treffen zusammen mit 2000 Zapatistinnen begingen. Insgesamt gab es rund 180 Workshops, Debatten, Konzerte und Theaterstücke sowie Turniere in verschiedenen Sportarten. Das Treffen stand im Zeichen der Erinnerung an die Gewalt gegen Frauen. Es wurden weitere Treffen dieser Art für die Zukunft angekündigt.
Mitte März
Mitglieder von mehr als 20 indigenen Völkern, Vertreter*innen kleinbäuerlicher Gemeinden, Organisationen und Kollektive aus 23 mexikanischen Bundesstaaten in Mexiko-Stadt trafen sich. Mit ihren eigenen Erfahrungsberichten als Grundlage setzten sie eine Landkarte der Bedrohungen zusammen, denen ihre Territorien ausgesetzt sind. Für die indigene Bevölkerung haben die Ländereien eine besondere Bedeutungen, die sie zum Teil eines größeren Ganzen machen, dem Territorium. Dieses ist ein physischer, vieles umfassender Raum, der gemeinsam und in einer Wechselbeziehung mit der Natur entsteht. Das Territorium umfasst die produktiven Funktionen der Böden, aber auch das Konzept der Heimat, Kultur, Religion, geheiligter Stätten und der Vorfahren, die natürliche Umgebung mit Wasser, Wald und Mineralstoffen.
20. März
In den Landkreisen Aldama und Chenalhó, in der Nähe vom Caracol Oventic, wurden 6 Dörfer mit hochkalibrigen Schusswaffen angegriffen. Am 20. März wurden 145 Familien vertrieben, am 24. März weitere 90 und am 26. März wurde der Gemeindehauptsitz Aldama angegriffen. Das Gemeindehaus, die Kirche und der Markt wurden beschossen. Die vertriebenen Familien sind in den Bergen verstreut, ohne Zugang zu Gesundheitsversorgung oder sonstiger Unterstützung. In Aldama schwelt der Landkonflikt schon seit Jahren, im Mai 2016 wurden dort 7 Familien vertrieben.
Der Aggressor ist eine Paramilitärische Gruppe aus Manuel Urtilla, Chenalhó. Es existieren Zeugenaussagen, dass diese Gruppe weiterhin Mitglieder rekrutiert und dass sie Verbindungen haben zu den Paramilitärs, die von Chenalhós Gemeindepräsidentin Rosa Perez Perez kontrolliert werden, welche für die Vertreibungen von mehr als 5000 Personen in Chalchihuitán vom 24./25. Nov. 2017 verantwortlich sind.
Zapatistische Unterstützungsbasen in diesen Ortschaften von Aldama und Manuel Urtilla laufen in Gefahr, auch vertrieben zu werden.
24. März
Der Nationale Indigene Kongress (CNI), der Indigene Regierungsrat (CIG) und die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) haben sich in einer gemeinsamen Erklärung zum Scheitern ihrer Initiative für eine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen im Juli geäußert. Alle beteiligten und interessierten Personen und Gruppen werden aufgerufen, sich an einem „kollektiven, partizipativen, integrativen, ehrlichen und aufrichtigen“ Auswertungsprozess der Initative zu beteiligen. Dafür wurde auch eine Mailadresse eingerichtet, an die Überlegungen und Analysen geschickt werden können. Am Ende der Mitteilung bekräftigen die Organisationen ihrer Widerstand und ihre Rebellion sowie den internationalen Charakter des Kampfes um eine „Welt, in die viele Welten passen“ und kündigten weitere öffentliche Veranstaltungen im Lauf des Jahres an.
29. März
Am Donnerstag, 29. März, während eines Umzugs im Dorf San Dionisio del Mar, wurden Aktivisten der Vollversammlung des Dorfes von Bewaffneten angegriffen. Die Schüsse wurden aus dem Haus der Lokalen PRI-Präsidentin abgegeben. Fünf Jugendliche wurden verletzt, davon einer schwer. Die Vollversammlung von San Dionisio del Mar kämpft seit 6 Jahren gegen ein Windkraftmegaprojekt und hält das Gemeindehaus besetzt.
30. März
Bevor der Wahlkampf in Mexiko offiziell begonnen hat, wurden zahlreiche Lokalpolitiker durch das organisierte Verbrechen bedroht. Über 80 Tote innerhalb der letzten sieben Monate sind im Zusammenhang mit den Wahlen zu beklagen.
Februar 2018
12. Februar
Attentat auf die indigene Organisation Codedi fordert 3 Tote
Am Abend des 12. Februar haben Bewaffnete im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca das Feuer auf ein Auto des Komitees für die Verteidigung der Indigenen Rechte (Codedi) eröffnet. Drei Mitglieder der Organisation wurden dabei getötet, deren Gründer Abraham Ramírez Vásquez überlebte das Attentat verletzt. Die Codedi-Vertreter unterbreiteten Stunden vor dem Angriff hohen Funktionären der lokalen Regierung in Oaxaca Stadt ihre sozialen Forderungen und befanden sich auf dem Rückweg in die Region Sierra Sur, als die Attentäter im Bezirk Miahuatlán zuschlugen.
19. Februar
In Mexiko wird es für die im Juli anstehenden Präsidentschaftswahlen keine parteiunabhängige Präsidentschaftskandidatin der linken und indigenen Bewegung geben. María de Jesús Patricio, »Marichuy« genannt, erreichte mit 267.115 Unterschriften lediglich 30,8 Prozent der für eine Zulassung notwendigen 866.593 Unterstützungserklärungen aus mindestens 17 der 32 Bundesstaaten. Nur wenn die vorgegebene Zahl bis zum 19. Februar erreicht worden wäre, hätte die Kandidatin des linken Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) – die ideell auch von der EZLN unterstützt wurde – antreten können.
20. Februar
Die indigene Gemeinde Magdalena Teitipac (Valles Centrales) in Oaxaca feiert den 5-jährigen Widerstand gegen die Gold- und Silberminen auf ihrem Land, die eine Tochtergesellschaft der Sunshine Silver Company (USA) ohne vorherige Konsultation errichten wollte. Von 2009 bis 2012 bohrte diese 17 tiefe Löcher, wobei auch das Grundwasser verschmutzt wurde. So formierte sich die Gemeinde 2013, um die Gesellschaft Minera Plata Real zu vertreiben. Seither arbeiten sie daran, weitere Strategien des Widerstandes zu entwickeln und sich mit anderen betroffenen Gemeinden zu vernetzen.
Januar 2018
1. Januar
Zum Jahreswechsel hat die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) ihren 24. Jahrestag begangen. Dies nahm sie zum Anlass, um zur Unterstützung für die indigene Präsidentschaftskandidatin María de Jesús Patricio Martínez, die meist nur Marichuy genannt wird, aufzurufen.
21. Januar
Die Karawane von Marichuy im Bundesstaat Michoacán wurde angegriffen. Bei dem Angriff wurde das letzte Fahrzeug der Karawane gestoppt. In dem Auto saßen Journalisten, die die Kampagne begleiteten. Sie wurden bedroht und gezwungen, ihre Kameras und Handys abzugeben.
24. Januar
Im Hochland von Chiapas, in Oxchuc nahe San Cristóbal, wurden Oppositionelle von bewaffneten Gruppierungen getötet, 11 weitere wurden verletzt.
Ende Januar
Der Konflikt zwischen Chalchihuitán und Chenalhó bleibt ungelöst: Viele Vertriebene sind unter Druck der Regierung zurückgekehrt. Die Lokalregierung kündigt Hilfe sowie zusätzliche Militär- und Polizeiposten an. Aktivisten kritisieren die Militarisierung und fordern die Lösung des Landkonfliktes. Menschenrechtsorganisationen und Mitglieder der Überwachungskommission der Region Altos in Chiapas haben indes in einer öffentlichen Mitteilung mehrere Forderungen erhoben. Ende Januar berichteten lokale Quellen über neue Schüsse in der Region.
Dezember 2017
In Chiapas fand Ende Dezember in Gedenken an den Aufstand von 1994 ein Wissenschaftskongress (ConSciencias por la Humanidad) statt.
November 2017
24. und 25. November:
Es kam zu massiven gewaltsamen Vertreibungen in mehreren Gemeinden des Landkreises von Chalchihuitán (Chiapas) (Berichten zufolge mindestens 5000 Personen, vorwiegend Frauen und Kinder) und etwa 300 Personen aus dem Landkreis Chenalhó. Dahinter steht ein alter Landkonflikt, der von der Regierung nie gelöst wurde und nun wieder ausgebrochen ist. Die Bevölkerung, von bewaffneten Banden aus Chenalhó vertrieben, floh in die Berge und hat keinen Zugang zu Essen und medizinischer Versorgung, und die winterlichen Bedingungen verschärfen die humanitäre Krise.
September 2017
26. September:
Deklaration des Nationalen Indigenen Kongresses und des Indigenen Regierungsrates anläßlich des 3. Jahrestages des Verschwindens der 43 Studenten der Norm Rural Isidro Burgos in Ayotzinapa:
Wir rufen alle auf, die wir das Volk von Mexiko sind, aus den Dörfern, Stadtvierteln, die Nationen und Tribus, die nicht-indigenen Menschen, sowohl vom Land als auch aus der Stadt, den Kampf um ihre Rückkehr nicht aufzugeben und die Bestrafung der Schuldigen einzufordern.
Wir rufen alle Frauen und Männer auf, an den Manifestationen und Mobilisationen, zu denen die Mütter und Väter der 43 Verschwundenen der Normal Rural Isidro Burgos aus Ayotzinapa, Guerrero drei Jahre nach diesem Verbrechen aufrufen, teilzunehmen.
Mai 2017
28. Mai:
María de Jesús Patricio Martínez wird vom CNI als Kandidatin für die kommenden Präsidentschaftswahlen im Juni 2018 bestimmt. In ihren ersten Interviews kritisiert die Sprecherin des Indigenen Regierungsrates die Politik der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto erwartungsgemäß scharf kritisiert und auf deren katastrophale Folgen hingewiesen. Die 53-jährige Nahua-Indigene, die auch Marichuy genannt wird, ist eine traditionelle Medizinerin aus Tuxpán im Süden des Bundesstaates von Jalisco.
April 2017
12. – 15. April:
Die EZLN lädt zum Kongress „Die Mauern des Kapitals, die Risse der Linken“ ins CIDECI ein. Gleichzeitig werden mehrere Tonnen Kaffee für geflüchtete Menschen zur Verfügung gestellt, um deren Organisierung und Widerstand zu unterstützen.
Januar 2017
Januar:
Die Erhöhung der Benzinpreise führt zu Massenprotesten in ganz Mexiko. Amtsgebäude und Supermärkte werden gestürmt, Autobahnen und Regierungsgebäude besetzt.
Dezember 2016
20. – 26. Dezember:
Die“Karawane für das Andenken und die Hoffnung“ mit den Eltern der entführten Studenten aus Ayotzinapa erreicht Mexiko-Stadt, um ernsthafte Ermittlungen durch Staat und Justiz zu fordern. Im September 2014 hatten Bundespolizisten die Studenten angegriffen: 6 Personen wurden ermordet, 200 verletzt, 42 sind bis heute verschwunden. Nach Erkenntnissen investigativer Journalisten und Berichten der Expertenkommission der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (GIEI) soll das 27. Militärbataillon zumindest indirekt an dem Massaker und der Entführung beteiligt gewesen sein.
25. Dezember 2016 – 4. Januar 2017:
Der Jahreswechsel wird mit dem Zusammentreffen »Die Zapatistas und die ConCiencias für die Menschheit« gefeiert.
29. Dezember 2016 – 1. Januar 2017:
Nach wochenlangen Diskussionen in den Dörfern geben EZLN und CNI bekannt, dass der Vorschlag, eine indigene Kandidatin für die Präsidentschaft aufzustellen, angenommen wurde. EZLN-Sprecher Subcomandante Moisés unterstreicht in seiner abschließenden Rede, die auf tosenden Beifall stößt: „Der Kapitalismus plündert, zerstört und unterdrückt auf der ganzen Welt Mensch und Natur. Der CNI hat entschieden, auf zivile und friedliche Weise zu kämpfen. Seine Ziele sind gerecht und nicht zu leugnen. Wir als Zapatistas werden den CNI unterstützen“.
November 2016
14. – 25. November:
Die Bewegung zur Verteidigung der Mutter Erde und eines würdevollen Lebens (MODEVITE) organisiert einen Mega-Pilgermarsch gegen die Megaprojekte in Chiapas, an dem vor allem viele indigene Frauen teilnahmen.
Oktober 2016
9. – 14. Oktober:
Der CNI feiert den V. Kongress und sein 20jähriges Besetehen. Die EZLN bringt den Vorschlag ein, eine indigene Frau aus den Reihen des CNI als Präsidentschaftskandidatin bei den Wahlen 2018 aufzustellen. Die Kandidatin wird explizit keiner politischen Partei angehören, sondern soll als Sprecherin und ausführende Kraft eines ebenfalls parteiunabhängigen Indigenen Regierungsrates fungieren, in dem Vertreterinnen und Vertreter aller 62 indigenen Bevölkerungsgruppen Mexikos vertreten sein sollen. Dieser soll Ende Mai konstituiert werden und versteht sich keineswegs nur als Vertretung der indigenen, sondern aller marginalisierten Bevölkerungssektoren und hat eine klare linkspolitische und antikapitalistische Ausrichtung.
Juli 2016
17. – 30. Juli:
Die EZLN lädt zum Festival „CompArte für die Menschlichkeit“.
Frühling / Sommer 2016
Frühling / Sommer:
Seit Mitte Mai eskaliert der Konflikt zwischen der mexikanischen Regierung und der Lehrer*innengewerkschaft CNTE, die vor allem in den Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca, Guerrero, Michoacan, Colima und Tabasco mittels Platzbesetzungen und Straßensperren gegen die Bildungsreform und die Verhaftungen von Gewerkschaftern protestieren. Die Proteste werden von maskierten Ziviist*innen, Polizei und Militär mit Schusswaffen und Tränengas angegriffen. Mehrere Menschen werden ermordet.
April 2016
April:
EZLN: Perspektiven aus dem Dschungel
In den vergangenen zwei Monaten haben die Zapatistas mehrere Communiqués veröffentlicht. Darin weisen sie auf die wachsenden sozialen und politischen Spannungen in Chiapas hin. Indigene Landtitel würden illegal erworben und für touristische, landwirtschaftliche Nutzung sowie für Megaprojekte verkauft. Statt dass die Regierung versuche Probleme zu lösen, werden diese vergrössert und in andere Gegenden verfrachtet, konstatieren die Zapatistas kritisch.
März 2016
März:
Verschwundene Studenten: Regierung stoppt die Ermittlungen der Expertengruppe
Der mexikanische Innenminister liess verlauten, dass das Mandat der unabhängigen Expertenkommission (GIEI) zur Aufklärung der gewaltsam verschwundenen Studenten von Ayotzinapa nicht verlängert werde. Die Angehörigen und Eltern sind empört, denn die Regierung unterzeichnete letzten November ein Abkommen, welches die Verlängerung des Mandats der Expertengruppe solange vorsah, bis das Verbrechen geklärt sei.
19. März:
Kommandantin der Gemeindepolizei, Nestora Salgado, ist frei!
Nach fast drei Jahren Haft, davon 20 Monate in Isolationshaft im Hochsicherheitsgefängnis, ist Nestora Salgado entlassen worden. Ihre Verteidigung konnte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, darunter Entführung in 50 Fällen, widerlegen. Das Gericht anerkannte, dass Nestora als Autoritätsperson einer indigenen Behörde in legitimer Weise gehandelt habe. Gemäss einer UN-Arbeitsgruppe geschah ihre Verhaftung durch Armeeangehörige widerrechtlich.
Januar 2016
1. Januar:
Botschaft zum 22. Jahrestag des zapatistischen Aufstandes:
Die Subcomandantes Galeano und Moises erinnern mit ihren Worten zum „Beginn des Krieges gegen das Vergessen“ an den Ursprung des zapatistischen Aufstandes, ihre verstorbenen Mitkämpferinnen und Mitkämpfer. Sie fordern insbesondere die neue Generation dazu auf, weiterzukämpfen für ihre wichtigste Errungenschaft: die eigene Freiheit!
November 2015
25. November:
Nationales Treffen des Netzwerkes „Alle Rechte für alle / Red TDT“ in Oaxaca
In Oaxaca fand am 25. November das Treffen des nationalen Netzes von Menschenrechtsorganisationen „Alle Rechte für alle“ (Red TDT) statt. Es wurde festgehalten, dass die Ursprünge der aktuellen Menschenrechtskrise das Landes in der Kriminalisierung des sozialen Protestes, insbesondere in den Vorfällen vor neun Jahren in Oaxaca Stadt und in Atenco lägen. Im Ansteigen der Mordrate, des erzwungenen Verschwindenlassens und der Frauenmorde zeigten sich das erhöhte Klima der Gewalt und der Unsicherheit. Die Krise habe den sozialen Zusammenhalt geschwächt, was wiederum Privatisierungsreformen möglich gemacht habe. Die Gesellschaft werde ihrer Rechte beraubt. Gegenüber den gewerkschaftlich organisierten Lehrern wurde Solidarität bekundet. Sie seien eine der wichtigsten aktiven Gruppe des Landes. Wie schon im 2006 seien sie das Rückgrat der sozialen Bewegungen, deswegen würden sie so stark kriminalisiert.
Oktober 2015
Oktober:
Die CNTE, die oppositionelle Strömung der mexikanischen LehrerInnengewerkschaft SNTE, weist zahlreiche interne Widersprüche auf. Dennoch ist sie die gesellschaftliche Speerspitze gegen neoliberale Reformen und Verteidigerin der Rechte der armen Bevölkerung, allen voran die Sektion 22 im Bundesstaat Oaxaca. Seit der Verabschiedung der Bildungsreform steht sie besonders unter Druck. In den letzten Wochen kam es zu Verhaftungen und Angriffen auf die oppositionellen GewerkschafterInnen. Allein am vergangenen Wochenende wurden in Veracruz 50 LehrerInnen verletzt, die gegen eine Evaluation protestierten, welche ohne ihre Zustimmung stattfinden soll.
August 2015
August:
Der 31-jährige mexikanische Pressefotograf Rubén Espinosa war wegen Morddrohungen nach Mexiko-Stadt gezogen. Nun wurde er dort anfangs August erschossen aufgefunden – zusammen mit vier Frauen.
Juli 2015
Juli:
Zweite Stufe der zapatistischen Schule
Die Zapatistas laden die mexikanische und die internationale Sexta zur zweiten Stufe der kleinen zapatistischen Schule ein, doch dieses Mal laden sie nicht nach Chiapas ein. Denn nicht alle, vermuten sie, wären finanziell in der Lage, noch einmal zu kommen, und zudem gestaltet sich die politische Situation in verschiedenen Bundesstaaten Mexikos als sehr angespannt. Die Teilnahme erfolgt über ein Video, und die Teilnehmenden sind aufgefordert, 6 Fragen dazu zu stellen.
Kommission für Menschenrechte in Mexiko legt Bericht zum Fall „Iguala“ vor
Das Dokument über die Ermittlungen von Ende Juli offenbart gravierende Defizite der Generalstaatsanwaltschaft bei der Suche nach den 43 verschwundenen Studenten. Den zuständigen Behörden geben sie 32 Empfehlungen ab, um das Recht der Angehörigen und der Opfer in Bezug auf Gerechtigkeit zu konkretisieren.
Regierung in Mexiko versucht Familien der Verschwundenen zu bestechen
Die mexikanische Regierung soll den Eltern der verschwundenen Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa insgesamt rund 62.000 US-Dollar geboten haben, damit sie die Suche nach ihren Söhnen einstellen und den öffentlichen Kampf um die Aufklärung der Ereignisse vom 26. September 2014 beenden.
Juni 2015
Juni:
Einsatz von bewaffneten Pilatus-Flugzeugen bei Demo in Oaxaca
Bei einer Kundgebung der Lehrergewerkschaft Anfang Juni 2015 überflogen Schweizer Pilatus-Flugzeuge des Typs PC-7 die Demonstrierenden. Vermutlich waren die Flugzeuge, welche das Schweizer Rüstungsunternehmen für militärische Trainingszwecke verkauft, mit Gun- und/oder Raketenpods ausgerüstet, wie dies ein Experte anhand von Fotoaufnahmen identifizierte. Anders als 1994 in mexikanischen Chiapas, 2008 im Tschad oder weiteren Staaten, wo Zivilpersonen getötet wurden, kamen diese jedoch in Oaxaca nicht zum Einsatz. Verschiedene Typen von Pilatus-Flugzeugen können leicht mit Waffen umgerüstet und somit für nicht-zivile Zwecke eingesetzt werden. Trotzdem unterliegt der Export dieser Flugzeugtypen bisher nicht dem Kriegsmaterial-Export wie es die GSoA fordert.
7. Juni:
Trotz einem riesigen Sicherheitsdispositiv mit tausenden von Soldaten und Bundespolizisten ist es am Wahltag, 7. Juni, zu heftigen Protesten gekommen, sowohl in Guerrero wie auch in Oaxaca und Chiapas. Insbesondere die Angehörigen von Ayotzinapa wie auch die Lehreropposition (CNTE) demonstrierten mit aktivem Wahlboykott gegen die „demokratische Normalität“ des Wahlgangs, mit dem das mexikanische Parlament und einige Lokalregierungen erneuert wurden. In über 600 Wahllokalen (von insgesamt 150’000) wurden Unregelmässigkeiten gemeldet, insbesondere in Oaxaca konnten viele nicht eingerichtet werden oder die Urnen wurden verbrannt. In Tlapa, Guerrero, wurde ein junger Lehrer bei einer Polizeiaktion am Abend des Wahltags erschossen.
Mai 2015
1. Mai:
Euro-Caravana 43 zu den verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa
Ein überlebender Student, der Vater eines verschwundenen Studenten und ein Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Tlachinollan in Guerrero bereisten von Mitte April bis Mitte Mai Europa. Sie besuchten dreizehn europäische Städte, um über die 43 verschwundenen Studenten und die Manipulationsversuche des mexikanischen Staates zu berichten, der statt den Fall aufzuklären ihn für abgeschlossen erklärt. Sie rufen die EuropäerInnen dazu auf, die internationale Aufmerksamkeit aufrecht zu halten und informiert zu bleiben. Vor allem die Repression des mexikanischen Staates gegen die Bewegung um die Lehramtstudenten soll weiter beobachtet werden.
Am 1. Mai machten sie in Zürich Halt, wo sie sich am Demonstrationszug anschlossen und abends aus erster Hand die „Nicht-Regierungsversion“ der Ereignisse in Ayotzinapa erzählten.
3. bis 9. Mai:
Tagung: Kritisches Denken im Angesicht der kapitalistischen Hydra
An der von der EZLN organisierten Tagung, an der mehr als 1500 Personen teilnahmen, diskutierten AktivistInnen, linke Intellektuelle, die Zivilbevölkerung und Zapatisten über die Auswirkungen des kapitalistischen Systems und darüber, wie dieses überwunden werden kann. Unter den ReferentInnen waren nebst Mitgliedern der zapatistischen autonomen Gebiete auch Eltern der verschwundenen Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa und bekannte Intellektuelle wie John Halloway, Adolfo Gilly, Raul Zibechi, Luis Villoro, Silvia Federici, Sylvia Marcos und viele andere.
26. Mai:
Kommandantin der Gemeindepolizei Guerreros im Hungerstreik
Nestora Salgado, Koordinatorin der Gemeindepolizei Olinalá, verweigerte nach 21 Tagen Hungerstreik auch die Flüssigkeit. Sie befand sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in Nayarit, zwei Tagesreisen von ihrem Zuhause entfernt. Den Durststreik brach sie nach fünf Tagen wieder ab. Am 30. Mai wurde sie endlich in den Spitaltrakt eines Gefängnisses in Mexiko Stadt verlegt, wo sie auch mehr Besuche der Familie und der Verteidigung erhält. Auf Wunsch ihrer Familie beendete sie den Hungerstreik nach 31 Tagen. Nestora und 13 andere befinden sich seit August 2013 unschuldig in Haft. Sie kämpften mit ihrer autonomen Gemeinde-Polizei gegen das organisierte Verbrechen.
März 2015
1. März:
Am 1. März weihte die EZLN in La Realidad die neu aufgebaute autonome Schule „Compañero Galeano“ und die autonome Klinik „Compañero Subcomandante Insurgente Pedro“ ein und übergab sie der zapatistischen Basis.
10. März:
Das mexikanische Militär bedroht den „Rat der Guten Zapatistischen Regierung“ von La Realidad
Radio Zapatista, San Cristóbal de las Casas, Mexiko, 10.03.2015
Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (FRAYBA) hat über die Zivilen Beobachterbrigaden (BriCO) systematische Einfälle des mexikanischen Militärs dokumentiert, welche die Unterstützerbasen des Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (BAEZLN) auf dem Territorium der Guten Regierung in La Realidad und der Zone der „Selva Fronteriza“ und das Caracol „Hacia la Esperanza“ (JBG) bedrohen.
21. März:
Bachajón: Angriff auf die autonome Bevölkerung und die freien Medien
Am Morgen des 21. März wurde das Autonome Ratshaus der widerständischen Bevölkerung geräumt und abgebrannt. Beteiligt waren 600 Kräfte der Bundesstaatlichen Polizei. Die widerständische indigene Bevölkerung von Bachajón kämpft gegen ihre Vertreibung zugunsten des Tourismus-Projektes in Agua Azul.
Als sich eine Gruppe Journalistinnen freier Medien nach Bachajón begab, um dies zu dokumentieren, wurden sie von bereits alkoholisierten Paramilitärs und Polizisten angehalten, bedrängt und mit Macheten an Leib und Leben bedroht. Es wurden ihnen die Kameras und die Handys gestohlen.
28. März:
Engagierte Journalistin Carmen Aristegui von Radiorundfunk MVS entlassen
Die Entlassung von Carmen Aristegui und ihren Mitarbeitern hat zu einer Welle der Empörung in den Medien und zu Demonstrationen vor dem Sitz von MVS geführt. Sie haben die Journalistin ermutigt, ihren Kampf fortzusetzen.
Februar 2015
2. und 3. Februar:
UNO empfing Delegation von Angehörigen der 43 Studenten in Genf
Ein aus zehn unabhängigen Experten bestehendes UN-Komitee empfing am 2. und 3. Februar 2015 eine Delegation aus Mexiko. Zum ersten Mal befasst sich dieses UN-Komitee, zuständig für die Einhaltung der Internationalen Konvention zum Schutz aller Personen vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen, mit Mexiko – einem Land, in dem rund 25’000 Personen als «nicht lokalisierbar» gelten.
Januar 2015
3. Januar:
Das Erste Weltweite Festival für Widerstand und Rebellion gegen den Kapitalismus endet mit einergemeinsamen Erklärung der EZLN, des CNI und der Sexta: „Die 43 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa sind Symbol für das weltweite kapitalistische Verbrechen. Gemeinsam müssen wir uns organisieren, gegenseitig müssen wir uns schützen und im Widerstand unterstützen. Gemeinsam schaffen wir eine neue Welt!“
9. Januar:
900 Polizisten räumen das wiedergewonnene Land in San Sebastián Bachajón. Die vertriebenen BewohnerInnen antworten mit einer Straßenblockade, die von der Polizei zwar mehrfach bewaffnet angegriffen wird, jedoch standhält. Am 29. Januar eröffnen sie ein neues regionales Zentrum in der Nähe der besetzten Kreuzung unter dem Motto: „Während die von oben zerstören, bauen wir von unten wieder auf!“
22. Januar:
Zwei indigene Frauen hatten im April 2010 die Tötung der Menschenrechtsaktivisten Bety Cariño und Jyri Jaakkola durch Paramilitärs beobachtet. Am 22. Januar 2015 sind sie bedroht worden, um sie von ihrer kurz bevorstehenden Aussage vor Gericht abzuhalten. Sie wurden in ihrem Heimatort im Bundestaat Oaxaca von den Verwandten des Tatverdächtigen aufgesucht und aufgefordert, ihre schriftlichen Zeugenaussagen zurückzuziehen.
Januar:
Der Generalstaatsanwalt Mexikos erklärte die am 26. September 2014 verschleppten Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa offiziell für tot – und möchte so den Fall schliessen.
Nicht so die Angehörigen und Sympathisanten der gewaltsam Verschwundenen, die der Regierung vorwerfen, selbst in den Fall verwickelt zu sein. Ihr Anwalt weist darauf hin, dass in den Ermittlungen vieles noch nicht aufgeklärt worden sei. Bis jetzt gebe es auch keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass alle der 42 noch vermissten Studenten ermordet worden seien.
Dezember 2014
Dezember:
In Michoacán verstärken sich Polizei und Paramilitärs, indem sie weitere Mitglieder der „Tempelritter“ (schwer bewaffnetes Drogenkartell) in ihre Reihen aufnehmen und greifen die autonomen Selbstverteidigungsgruppen an. Es kommt zu zahlreichen Toten.
21. Dezember:
Etwa 400 BewohnerInnen der Gemeinde San Sebastián Bachajón gewinnen friedlich kommunales Land zurück, das 2011 illegal von der Regierung besetzt wurde. Es kommt zu Drohungen und Aggressionen durch Sicherheitskräfte und Regierungsvertreter sowie von paramilitärisch organisierten Gruppierungen.
Am gleichen Tag beginnt in der Ñathó Comunidad von San Francisco Xochicuautla im Bundesstaat Mexiko das Erste Weltweite Festival für Widerstand und Rebellion gegen den Kapitalismus, das am 3. Jänner in San Cristóbal de las Casas abgeschlossen wird. Ein besonderes Augenmerk gilt der Vernetzung zwischen der EZLN, dem CNI und den Angehörigen der Studenten von Ayotzinapa.
Ende September / Oktober / November / Dezember 2014
Ende September / Oktober / November / Dezember:
Wütende Proteste von Angehörigen und Studierenden. Massendemonstrationen in Mexiko Stadt und anderen Städten. Die Karawane #43×43 ist sieben Tage lang zu Fuß von Guerrero aus unterwegs nach DF. In Guerrero selbst werden u.a. dutzende Rathäuser besetzt, in Acapulco der Flughafen, weiter die Mautstation auf der Autobahn zwischen Chilpancingo und Acapulco und der Sitz der Staatsanwaltschaft. In Chilpancingo und in Hecelchakán brennt die Parteizentrale der Regierungspartei. Dabei kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Schusswaffen und Schlagstöcke einsetzt. Die Regierung versucht, die Lage zu beruhigen und die Studierenden zu kriminalisieren.
In Chiapas kommt es zu einem Treffen zwischen Angehörigen und Mitstreiter*innen der 43 Verschwundenen, der EZLN und der JBG.
Ayotzinapa schmerzt – Offener Brief der Zivilgesellschaft
Ayotzinapa und der neue zivile Aufstand – Bericht aus Mexiko
Der Staat funktioniert gut – Kein failed state
Wir danken euch für eure Wut, eure Rebellion, euren Widerstand! – Worte der EZLN
Mitte Dezember ruft die nationale Volksversammlung (ANP), die aus LehrerInnen, StudentInnen und sozialen Bewegungen besteht, dazu auf, weitere Volksversammlungen durchzuführen und autonome Gegenregierungen zu gründen. Die jetzigen lokalen und regionalen Regierungen seien aufgrund von Korruption und Verstrickungen mit der organisierten Kriminalität nicht in der Lage, die Sicherheit und den Schutz für die Bürger zu gewährleisten. BürgerInnenradios und unabhängige lokale Zeitungen sollen die Diffamierungskampagne der Regierung durchbrechen, ergänzt u.a. durch Besetzungen der Abgeordnetenkammer, Kundgebungen und landesweite Streiks. Außerdem durchsucht ein BürgerInnenkomitee verschiedene Gefängnisse und Kasernen nach den verschwundenen Studenten.
September 2014
26. September:
Bei mehreren Angriffen der Polizei auf Studenten der pädagogischen Hochschule “Raúl Isidro Burgos” von Ayotzinapa werden zwei junge Studenten und drei unbeteiligte Menschen erschossen, 43 Studierende werden von der Polizei verschleppt.
Die Studenten hatten in der Stadt Iguala mehrere Busse gekapert und wollten in die Hauptstadt fahren, um dort an das Massaker von Tlatelolco zu erinnern, als mehrere Streifenwagen die Straße blockierten und die Polizisten das Feuer eröffneten.
Das Massaker von Iguala – detaillierter Bericht
August 2014
4. August:
Der „Erste Austausch der zapatistischen Völker mit den mexikanischen Originalvölkern“ in La Realidad soll dazu dienen, Möglichkeiten des gemeinsamen Widerstands gegen die kapitalistische Zerstörung zu erörtern.
Juli 2014
18. Juli:
Das Ständige Völkertribunal (Tribunal Permanente del Pueblos, TPP) beginnt damit, den Überfall auf die Gemeinde Viejo Velasco in Chiapas zu untersuchen, bei dem vor knapp acht Jahren vier Menschen getötet wurden und vier weitere verschwanden. Sämtliche Bewohner wurden vertrieben und zahlreiche Häuser zerstört. Die Täter – 40 Personen der Gemeinde Nueva Palestina – kamen in Begleitung von etwa 300 Polizisten. Im Rahmen einer Voranhörung dieses Tribunals versammeln sich Aktivisten und Betroffene von Viejo Velasco in El Limonar, Chiapas. Diego Moreno Montejo, Sohn eines Opfers und Mitglied der Indigenenorganisation X’inich, verwies auf die Wichtigkeit dieser Initiative, die den Beteiligten Mut mache. „Wir forden nach wie vor Gerechtigkeit und die Bestrafung der Täter sowie der geistigen Urheber dieses schweren Verbrechens“, sagte Montejo auf einer Pressekonferenz.
Mai 2014
2. Mai:
Anhänger der regierungsnahen Bauernorganisation CIOAC (PAN, PRI und Grüne) greifen den zapatistischen Verwaltungssitz in La Realidad an: Während eines Gesprächs zur Rückgabe eines Lastwagens unter Begleitung des Menschenrechtszentrums FrayBa erscheinen plötzlich rund 150 bewaffnete CIOAC-Mitglieder, beschädigen die autonome Gesundheitsstation, die Schule, mehrere Fahrzeuge und die Trinkwasserleitung und ermorden den Zapatist José Luis Solís Lopez durch gezielte Schüsse in Kopf und Brust.
25. Mai:
Im Rahmen der Gedenkfeier für den ermordeten Compa Galeano gibt Subcomandante Marcos bekannt, immer nur eine Kunstfigur gewesen zu sein, ein Ablenkungsmanöver und Zaubertrick für die Massenmedien. Nun aber ist eine neue Generation von ZapatistInnen herangewachsen und „Marcos“ nicht mehr notwendig: „Und zum Schluss werden jene, die verstehen, wissen, dass nicht geht, der niemals da war und nicht stirbt, der nicht gelebt hat.“
Januar 2014
1. Januar 2014:
Die Zaptistas begehen den 20. Jahrestag der Rebellion mit öffentlichen Reflexionen zu ihrem politischen Projekt und der Fortführung ihres Escuelita-Projekts.
Zur Absolvierung der zapatistischen Escuelita (dt.: kleine Schule) sind seit dem Spätsommer 2013 rund 1.500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Mexiko und aus aller Welt eingetroffen. Während einer Woche hatten sie die Gelegenheit, das Leben und die Sichtweisen der Zapatistas hautnah kennenzulernen. Zum Jahreswechsel startete der zweite Unterrichtsblock dieses Programms. Die hohe Teilnehmerzahl wie auch die Tatsache, dass viele der Lehrer bereits Zapatistas der zweiten Generation im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sind, legen Zeugnis von der Vitalität des politischen Projekts ab. Der Erfolg der Escuelita straft jene Lüge, welche die zapatistische Bewegung klein- oder totzureden versuchen.
Der bekannte kritische mexikanische Intellektuelle Gustavo Esteva ist sich mit Köpfen der Linken wie Noam Chomsky und Immanuel Wallerstein darin einig, dass ein Grund dafür, warum viele den Zapatismus vergessen machen möchte, „die Tiefe seiner Radikalität“ ist. In den zwei Jahrzehnten des Aufbegehrens konnte damit konkret messbare, dauernde Erfolge erzielt werden, wie die Umverteilung von etwa 700.000 Hektar Land. Davon profitierten im Jahr 1994 auch viele Kleinbauern in Chiapas, die selbst gar nicht zu den Rebellen und ihren Unterstützergemeinden gehörten. Ein Markenzeichen der zapatistischen Bewegung ist auch der kontinuierliche Aufbau autonomer gesellschaftlicher Strukturen – im Gesundheitswesen, bei Schule und Ausbildung, in der Rechtsprechung – und nicht zuletzt einer alternativen Ökonomie.
6. Januar:
Ein massives Polizeiaufgebot beendet eine monatelange Protestaktion mexikanischer Lehrer. Mehrere hundert Polizisten räumen den Platz mit dem Monument der Revolution im Zentrum von Mexiko-Stadt, auf dem die Lehrer Zelte und andere Unterkünfte errichtet hatten.
9. Januar:
Erfolgreicher Widerstand gegen den Bau eines Windparks von 396 Megawatt, den das transnationale Unternehmen Mareña Renovables in der Gemeinde San Dionisio del Mar im Isthmus von Tehuantepec errichten wollte. Das Unternehmen erklärt das Projekt für gescheitert.
14. Januar:
Die Kämpfe zwischen Bürgermilizen und der Mafia im mexikanischen Bundesstaat Michoacán erreichen einen neuen Höhenpunkt: Autonome Selbstverteidigungsgruppen nehmen mehrere Städte ein, die bislang vom Tempelritter-Kartell kontrolliert wurden. Damit kontrollieren die als Bürgerwehren gegen die Gewalt der Drogenkartelle gegründeten Milizen 33 Gemeinden und kesseln die als Mafia-Zentrum geltende Kreisstadt Apatzingán weiter ein. Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong schickt weitere Soldaten und Bundespolizisten in die Region, um die Bürgerwehren zu entwaffnen und das staatliche Gewaltmonopol wieder herzustellen.
Oktober 2013
2. Oktober:
Bei Demonstrationen von tausenden Studenten und Aktivisten sozialer Bewegungen in der mexikanischen Hauptstadt und an weiteren Orten des mittelamerikanischen Landes kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mit den Demonstrationen wird an das Massaker von Tlatelolco am 2. Oktober 1968 erinnert.
Augenzeugen berichten davon, dass Provokateure in die Veranstaltung geschleust wurden. Vertreter der seit Monaten streikenden Lehrer, die sich ebenfalls an der Veranstaltung beteiligten, sehen darin eine Aktion staatlicher Agenten, um die zunächst offensichtlich friedliche Demonstration entgleisen zu lassen. Es kommt zu zahlreichen Verletzungen und Festnahmen, darunter auch sieben Studenten, die zu den Besetzern der Direktion der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) gehören. Ihre Familienangehörigen wissen bislang nicht, wohin die Polizei die Verhafteten gebracht hat. Von offizieller Seite erhielten sie dazu keine Auskunft.
Weitere Auseinandersetzungen aus Anlass des Massaker-Jahrestags gibt es in den Bundesstaaten Oaxaca, Morelos und Michoacán.
Die Ereignisse spiegeln eine Zuspitzung der sozialen Konflikte in Mexiko wieder. Besonders die sogenannten Reformen der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto im Bildungswesen, im Energiesektor und beim Steuersystem stoßen in der Bevölkerung auf immer mehr Widerstand. Zudem ist für viele Tausende nach den verheerenden Hurrikans der vergangenen Wochen jegliche Art staatlicher Hilfe ausgeblieben. Die Regierung steht in der Kritik, den Katastrophenschutz vernachlässigt und nicht rechtzeitig Unwetter-Warnungen herausgegeben zu haben.
14. Oktober:
Demonstrierende Lehrer nehmen nach mehrwöchigen Protesten gegen die Bildungsreform der Regierung den Unterricht wieder auf. Der Disput um die Reform, nach der die Leistung von Lehrern stärker evaluiert, soziale Absicherungen gesenkt und das Bildungssystem teilweise privatisiert werden soll, dauert jedoch an.
Bei einer Abstimmung sprechen sich 61,8 Prozent der Lehrer dafür aus, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Ein Teil der streikenden Lehrer bleibt in Mexiko-Stadt, wo sie den Platz rund um das Denkmal der Revolution besetzt halten. Die Pädagogen, die in die Schulen zurückkehren, werden vor Ort weiter protestieren, um die Bildungsreformen rückgängig zu machen.
In den Bundesländern Morelos, Campeche und Veracruz besetzen Lehrkräfte den Zugang zu öffentlichen Gebäuden des Bildungsministeriums und blockieren Autobahnen. In Mérida werden die Protestierenden vor dem Rathaus in Cancún von der Bundespolizei mit Schlagstöcken, Tränengas und Gummigeschossen angegriffen.
30. Oktober:
Der Lehrer Alberto Patishtan, als politischer Gefangener zu 60 Jahren verurteilt, ist nach 13 Jahren unrechtmäßiger Haft endlich frei. Alberto hatte es abgelehnt, ein Gnadengesuch einzureichen, das für ihn einem Schuldeingeständnis gleichgekommen wäre, und stattdessen dafür gekämpft, seine Unschuld durch die Wiederaufnahme des Verfahrens festzustellen. Das hatten die Gerichte zuletzt in letzter Instanz verweigert. Durch die Reform des Strafrechts möglich gemacht, spricht Präsident Enrique Peña Nieto dennoch eine Begnadigung aus und entledigt sich damit eines ungemütlichen Problemfalls, der seit Jahren immer wieder zu nationalen und internationalen Protesten geführt hatte.
August / September 2013
August / September:
Tausende streikende Lehrer blockieren im August unter anderem die Zufahrtsstrasse zum Flughafen in Mexiko-Stadt, das Abgeordnetenhaus und den Senat. Im Süden des Landes legten 70.000 Lehrer ihre Arbeit nieder. Für mehr als eine Million Schüler fiel der Unterricht zum Beginn des Schuljahres am Montag aus. Sie protestieren gegen die Bildungsreform der Regierung.
Ein massives Polizeiaufgebot räumt im September den von streikenden Lehrern besetzten Hauptlatz von Mexiko-Stadt. Hunderte Sicherheitskräfte mit gepanzerten Fahrzeugen, Wasserwerfern und Tränengas gehen gewaltsam gegen die Demonstranten vor, die sich hartnäckig einer umstrittenen Bildungsreform der Regierung widersetzen. Ihre Protestcamps auf dem Zocalo-Platz waren drei Wochen zuvor errichtet worden und sollten nach dem Willen der Staatsführung vor den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag geräumt werden.
Allein im September mehmen sogar Regierungsberichten zufolge allein in Mexiko Stadt 982.000 Menschen an knapp 700 angemeldeten Demonstrationen teil. Menschenrechtsorganisationen kritisieren den verstärkten Einsatz von Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken, die sich häufenden willkürlichen Festnahmen und den Einsatz von Zivilpolizisten, um Gewalttaten zu inszenieren, die „die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des brutalen Vorgehens der Polizei überzeugen sollen“.
August 2013
28. August:
Rosa Medina Moreno, Mitglied der Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra (FPDT), wird unter fingierten Vorwänden festgenommen.
Juli 2013
Anfang Juli:
Die Regierung von Chiapas verzögert zum zweiten Mal innerhalb einer Woche die Freilassung von neun indigenen Häftlingen, Anhänger der 6. Deklaration aus dem Lakandonischen Urwald, deren Freilassungspapiere bereits unterzeichnet sind: Rosario Díaz Méndez, Pedro López Jiménez, Juan Collazo Jiménez, Juan Díaz López, Rosa López Díaz, Alfredo López Jiménez, Juan López González and Benjamín López Díaz aus dem Gefängnis Nr. 5 und Enrique Gómez Hernández, aus dem Gefängnis Nr. 14, El Amate, der zum Zweck der Freilassung ins Gefängnis Nr. 5 überstellt worden war.
Alle waren auf der Grundlage von falschen Beschuldigungen und unter Folter erpressten Geständnissen mit bis zu 30 Jahren Haft verurteilt worden.
Nicht freigelassen wird Alberto Patishtán Gómez, seit 13 Jahren in Haft, zu 60 Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer politischer Gefangener, Alejandro Díaz Sántiz, zu 29 Jahren verurteilt, von denen er inzwischen 14 Jahre abgesessen hat, muss ebenfalls im Gefängnis bleiben.
Wenige Meter von der Abzweigung zu den Wasserfällen von Agua Azul führen hunderte von Tseltal-Frauen und Männer eine „informative“ Straßenblockade durch, bei der sie mit Megafon und Flyer über ihre Forderungen nach Freilassung von Alberto Patishtán, Antonio Estrada und Miguel Demeza informieren. Alle zwei Stunden wird die Blockade geöffnet, um Autos und Busse durchzulassen.
Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas macht die Belästigung seiner MitarbeiterInnen öffentlich: Während ihrer Dokumentation zu Opfern der Polizeirepression (MitarbeiterInnen von FrayBa wollten zwei Personen interviewen, die während der Polizeirepression verletzt worden waren) wurden sie von Sicherheitsagenten und Angehörigen des ISSSTE (Institut für Sicherheit und Soziale Dienste von Staatsbediensteten) behindert. Wenige Tage später konnten ein Arzt und Kooperationspartner von FrayBa zusammen mit einer Ärztin die geplante Untersuchung des Gesundheitszustandes von Antonio Estrada Estrada aus San Sebastián Bachajon nicht durchführen. Antonio ist seit nahezu zwei Jahren inhaftiert, Anhänger der 6. Deklaration und wird als politischer Gefangener betrachtet.
22. Juli:
In San Cristóbal des las Casas fordern vertriebene pro-zapatistische Familien aus der Gemeinde Banavil von der mexikanischen Regierung eine Lösung ihrer prekären Situation und die Bestrafung der Mörder ihres Angehörigen Alonso López Luna. Die vier Tseltal-Familien wurden am 4. Dezember 2011 bei einem Angriff von 50 bewaffneten Mitgliedern der Institutionellen Revolutionären Partei (PRI) vertrieben und leben seither als Flüchtlinge in San Cristóbal. Bei dem Überfall wurden über sieben Familienmitglieder verletzt, Alonso López Luna verschwand. 20 Tage später wurde sein rechter Arm im Grenzgebiet zwischen Mercedes und Banavil wiedergefunden. Die Entführer und mutmaßlichen Mörder werden bis heute strafrechtlich nicht verfolgt.
Im westmexikanischen Bundesstaat Michoacán kommen fünf Menschen bei einem Angriff auf Mitglieder einer Bürgerwehr ums Leben. Bewaffnete Männer hatten vor dem Rathaus der Ortschaft Los Reyes das Feuer auf die Gruppe eröffnet. Im Kampf gegen das pseudo-religiöse Drogenkartell „Caballeros Templarios“ hatten die Bewohner zahlreicher Dörfer in Michoacán zu den Waffen gegriffen und Bürgerwehren gegründet.
Im Landkreis Chenalho, Chiapas kommt es zu Übergriffen auf Zapatista-Unterstützer des Ejidos Puebla. Eine evangelikanische Dorfautorität, Cruz Gómez, hatte über Lautsprecher verkündet, dass das Trinkwasser vergiftet worden sei (was sich später als Lüge erwies) und die drei Tzotziles Mariano Méndez Mendez und seine Söhne Luciano Méndez Hernández and Mauricio Mendez Hernández als Täter beschuldigt.
Mai 2013
17. Mai:
Einen Tag vor den offiziellen Feiern zum Muttertag, die in Mexiko am 10. Mai stattfinden, treten acht Mütter und ein Vater von Verschwundenen in einen unbefristeten Hungerstreik. Nach einer Demonstration von circa 200 Müttern im Zentrum von Mexiko-Stadt betonen die ganz in Weiß gekleideten Frauen, dass sie nichts zu feiern hätten, solange sie nicht wüssten, wo ihre Töchter und Söhne seien. Über ihren Mündern befinden sich weiße Taschentücher mit der Frage „Wo sind sie?“
Seit Beginn des sogenannten Drogenkrieges vor über sechs Jahren, der mit der Amtseinführung Felipe Calderóns ins Präsidentenamt zusammenfällt, wird nicht nur von über 70.000 Toten ausgegangen. Ein im Februar aufgrund öffentlichen Drucks erschienener Bericht der Abteilung für juristische Angelegenheiten und Menschenrechte spricht im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg von 26.121 offiziell als „verschwunden“ geltenden Personen. In vielen der bekannten Fälle kann von einer direkten Verwicklung von Polizei, Armee oder anderen staatlichen Organen ausgegangen werden.
April 2013
3. April:
Zusammenstößen zwischen Polizisten und Gegnern eines Windparkprojektes fordern in Playa Vicente, Oaxaca 32 verletzte Polizisten – zwei davon schwer – und elf verletzte Anwohner. Zur Eskalation kam es als Polizeikräfte versuchten, sieben Fahrzeuge und Baumaschinen, welche von lokalen Windparkgegnern besetzt wurden, den Eigentümern zurückzugeben. Die Gegner des geplanten Windparkprojekts argumentieren, dass die Gemeindeländereien widerrechtlich privatisiert und dem spanischen Unternehmen Gas Natural Fenosa verpachtet wurden. Seit dem 25. Februar versperren sie deshalb den Konstrukteuren des drittgrößten Windparks Lateinamerikas den Zugang zur Meereslagune südlich es Ortes Juchitán.
In den Tagen zuvor hatte die Gewalt gegen die Aktivisten gegen die Windparks und auch gegen Journalisten massiv zugenommen: Der Radioreporter Filiberto Vicente Aquino vom Gemeinderadio in Santa María Xadani und Mariano López, der Sprecher der „Versammlung von Juchitán“ erhielten Morddrohungen. Mehrere Journalisten und zahlreiche Aktivisten in San Mateo del Mar wurden illegal festgehalten. Das in Juchitán ansässige Gemeinderadio Totopo wurde von Bewaffneten gestürmt, die Computer und Sendeanlage entwendeten und den Strom unterbrachen.
10. April:
Zum 94. Todestag von Emiliano Zapata erlebt der Bundesstaat Guerrero eine der größten Demonstrationen der jüngeren Geschichte: 60.000 Personen demonstrieren in der Regionalhauptstadt Chilpancingo gegen die Strukturreform im Schulwesen, die von den drei großen Parteien im mexikanischen Parlament und der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto ohne Konsultation der Lehrerschaft durchgesetzt wurden. Im Anschluss an den „Megamarsch“ geben die sozialen Organisationen die Bildung des Aktionsbündnis Volksbewegung Guerreros (Movimiento Popular de Guerrero, MPG) bekannt. Regierung und Medien reagieren äußerst nervös, insbesondere seit Anfang der Woche eine Gruppe von 50 Dorfpolizisten der autonomen Gemeindepolizei friedlich, aber mit ihren Flinten bewaffnet an einer Demonstration in Chilpancingo teilnahmen.
Auch in Guerrero kam es zu Demonstrationen gegen die Bildungsreform und zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen protestierenden Lehrern und der Polizei, nachdem rund 1.500 Polizeikräfte begannen, die Blockade der Autobahn zwischen Mexiko-Stadt und Acapulco gewaltsam aufzulösen. Dabei wurden fünf Lehrer festgenommen, und es kam zu insgesamt 14 Verletzungen auf beiden Seiten.
24. April:
Juan Vázquez wird von Unbekannten mit sechs Schüssen in seinem Haus in San Sebastián Bachajón regelrecht hingerichtet. Vázquez war seit Jahren als Aktivist im Umfeld der EZLN aktiv und engagierte sich als Unterstützer der „Sechsten Deklaration aus dem Lakandonischen Regenwald“ für eine zivile, außerparlamentarische Neuordnung der mexikanischen Gesellschaft gegen Rassismus, Kapitalismus, Sexismus und Naturzerstörung. Vázquez genoß den Respekt diverser Gemeinden seiner Heimatregion und kämpfte auf friedliche Weise gegen zerstörerische Entwicklungsprojekte.
Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas fordert eine schnelle Aufklärung des Mordes an Vázquez und erinnert daran, daß immer wieder indigene Aktivisten Opfer von Gewaltverbrechen werden.
Die Bewohnerinnen und Bewohner von Bachajón kündigen an, daß ihr Widerstand gegen die neoliberalen Projekte weitergehen wird.
März / April 2013
März / April:
In zahlreichen Bundesstaaten kommt es erneut zu Zusammenstößen zwischen Bürgerwehren und Vertretern der staatlichen Sicherheitskräfte sowie des organisierten Verbrechens gekommen, vor allem in Guerrero, wo seit Januar eine Welle von Neugründungen der so genannten Gemeinde-Polizei zu beobachten ist. Alleine über die Osterfeiertage informierten sieben Gemeinden darüber, dass sie neue Bürgerwehren gegründet haben.
In der Nähe von Acapulco setzten Selbstverteidigungsgruppen mehrere mutmaßliche Entführer fest, nachdem Nachbarn in dem Ort Xaltianguis zwei Fahrzeuge mit etwa zehn bewaffneten Personen beobachtet und um Hilfe gebeten hatten. Daraufhin mobilisierte die „kommunitäre Polizei“ bis zu 400 Personen, lieferte sich ein längeres Feuergefecht mit den Verdächtigen und beschlagnahmten mehrere Fahrzeuge, zahlreiche Waffen, Munition und Uniformen. Zwei der „Festgenommenen“ wurden anschließend den Behörden übergeben.
Im Bundesstaat Tabasco bekannte sich die Gruppe „Vereinigt gegen das Verbrechen“ dazu, fünf mutmaßliche Mitglieder der Mafiagruppe Los Zetas erschossen zu haben. „Raus mit allen, die die Gesellschaft vergiften und auch mit den Polizisten, die dieses Übel decken“, erklärten die anonymen Täter ihre Motive.
In Michoacán setzten Selbstverteidigungsgruppen über 40 Militärs für mehrere Stunden fest, die versucht hatten, die örtliche Bürgerwehr aufzulösen.
In Guerrero besetzten Mitglieder einer Gemeinde-Polizei die Kleinstadt Tierra Colorada und „verhafteten“ den dortigen Polizeichef sowie 18 seiner Mitarbeiter, nachdem zuvor in der Nachbarschaft ein Kommandant der Selbstverteidigungsgruppen ermordet worden war. Bericht
Bei einem Besuch in Mexiko-Stadt erklärte unterdessen ein Sprecher der Regionalen Koordinierung der Gemeindeautoritäten (CRAC) im Bundesstaat Guerrero, Eliseo Villar Castillo, die staatliche Sicherheitspolitik für gescheitert und rief die Bürger des Landes auf, sich ihrer Bürgerbewegung anzuschließen. „Dort wo es keine kommunitäre Polizei gibt, gehen die Erpressungen, Entführungen und Morde weiter. Die Regierung ist nicht in der Lage, die Situation zu kontrollieren, weil ihre Sicherheitskräfte mit dem organisierten Verbrechen konspirieren“, so Eliseo Villar Castillo.
März 2013
März:
Die Zapatistas kündigen an, sich in nächster Zeit ganz auf die Vorbereitungen und die Durchführung eines Schulprojektes konzentrieren, mit dem auch ein neuer Prozess des Austauschs zwischen der EZLN und anderen politischen Bewegungen und Organisationen initiiert werden soll. Im August diesen Jahres die sogenannte zapatistische „Kleine Schule“ für die der Bewegung nahe stehende Gruppen und Einzelpersonen eröffnet wird. In allen fünf Caracoles werden indigene Basisaktivisten als Lehrer in Schulklassen von ihren Erfahrungen des zapatistischen Autonomieprojekts aus den letzten Jahren berichten. Die Kommunikation und die Diskussion rund um das Thema der Kleinen Schule wird fortan der neu ernannte Subcomandante Moisés übernehmen. Der Tzeltal-Indigene kämpft bereits seit 1983 in den Reihen der Zapatisten und hat die Funktion des „Rektors“ inne. Obwohl sich die Guerilla fast ausschließlich aus Indigenen zusammensetzt, ist er der erste mit dem Rang eines Subcomandanten.
Februar 2013
Februar:
Erneute Auseinandersetzungen in der Gemeinde Álvaro Obregón (Oaxaca) zwischen Polizei und mehrheitlich indigenen Einwohnern, die sich dem Bau eines Windparks widersetzen. Während insgesamt drei gewaltsamen Konfrontationen versuchen Einheiten der mexikanischen Bundespolizei, sich Zugang zum kommunalem Land des 7.000-Einwohner-Dorfes zu verschaffen, wovon sie von mehreren hundert Gemeindemitgliedern abgehalten werden.
Seit einem Jahr verfolgt die Firma „Mareña Renovables“ das Ziel, hier den größten Windpark Lateinamerikas zu bauen. Die Gegner des Industrieprojektes befürchten bei dessen Bau fatale ökologische Auswirkungen auf die angrenzenden Lagunen.
Inzwischen gibt es einen richterlich angeordneten Baustopp wegen des Verdachts auf Bestechung lokaler Politiker bzw. die Drohung von Mareña Renovable die angekündigten Investitionen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar zurückzuziehen, “ falls die mexikanische Regierung nicht Recht und Ordnung geltend mache“ (Aufsichtsrat-Vorsitzender Jonathan Davis). Daraufhin kam es zu erneuten Morddrohungen gegen eines der bekanntesten Mitglieder des Widerstands, den Grundschullehrer und Gewerkschaftsaktivisten Rodrigo Flor Peñaloza, der die Gemeinde mittlerweise verlassen hat.
21. Februar:
Human Rights Watch präsentiert den Sicherheitsbericht „Mexico’s Disappeared: The Enduring Cost of a Crisis Ignored“. Der Bericht dokumentiert während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Felipe Calderón von 2006 bis 2012 fast 250 Fälle vermisster Personen, in 149 Fällen mit überzeugenden Beweisen dafür, dass diese Personen unter staatlicher Beteiligung gewaltsam verschleppt worden waren. Beteiligt waren sämtliche Bereiche der Sicherheitskräfte: Armee, Marine, föderale und lokale Polizei. Teilweise waren die Verbrechen genau geplant und koordiniert, teilweise handelte es sich um Zusammenarbeit staatlicher Akteure mit organisierten Banden. In keinem der dokumentierten Fälle wurden die für die Verschleppungen verantwortlichen Personen verurteilt.
Die Dunkelziffer der verübten Verbrechen ist um einiges höher: Selbst Staatsanwaltschaft und Innenministerium gehen von 25.000 Menschen aus, die in den letzten 6 Jahren „verschwunden“ sind.
Human Rights Watch fordert daher:
– eine umfassende und fehlerfreie nationale Datenbank über verschwundene Personen und nicht identifizierte menschliche Überreste aufzubauen;
– die Militärjustiz zu reformieren, damit mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen, darunter das Verschwindenlassen von Zivilisten durch Soldaten, untersucht und strafrechtlich im Rahmen eines zivilen Verfahrens verfolgt werden;
– die Definition des Verschwindenlassens in den Bundes- und Landesgesetzen zu reformieren, damit die diesbezüglichen Gesetze einheitlich sind und im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards stehen;
– eine Präsidentenverfügung zu erlassen, die vorschreibt, dass alle Inhaftierten unverzüglich der Staatsanwaltschaft vorgeführt werden müssen und unter keinen Umständen zu militärischen Anlagen, Polizeistationen oder illegalen Haftanstalten gebracht werden dürfen.
Das erzwungene Verschwindenlassenist nach internationalem Recht ein „fortlaufendes“ Verbrechen: Es ist andauernd und fügt den Familien des Opfers solange weiterhin Leid zu, wie das Schicksal der vermissten Person unbekannt ist. „Das Verschwindenlassen mag zwar während Calderóns Präsidentschaft begonnen haben, es endet jedoch nicht mit seiner Amtszeit“, so Vivanco, Direktor der Lateinamerika-Abteilung von Human Rights Watch: „Tausende werden noch vermisst. Soldaten und Polizisten verheimlichen die Wahrheit über diese Schicksale. Und die Familien der Opfer leiden weiter, nicht wissend, wie es ihren Angehörigen ergeht.“
26. Februar:
Nach einem Bericht der Nationalen Kommission für Menschenrechte (CNDH)sind seit dem Jahr 2000 13 JournalistInnen verschwunden, 76 wurden ermordet. „Oft werden sie grausam verstümmelt. Die Behörden gehen den Morden selten nach, kaum ein Täter wird bestraft“, schreibt Reporter ohne Grenzen. Dazu kommen 33 bewaffnete Angriffe auf Medieneinrichtungen, sei es mit schweren Feuerwaffen oder explosivem Material. Unklar ist, in wie vielen Fällen das organisierte Verbrechen oder der mexikanische Staat selbst verantwortlich sind.
Bezüglich der Opfer des „Drogenkriegs“ der Regierung Calderon (2006 – 2012) gibt es unterschiedliche Zahlen: Die Regierung selbst spricht von 47.500, Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong von 70.000 Toten, während die regierungsunabhängige NGO Líbera von 116.000 Toten berichtet.
Januar 2013
17. – 20. Januar:
In der Gemeinde Capulálpam de Méndez in der Sierra Juárez (Oaxaca) findet das emxoamerikanische Treffen „Ja zum Leben, nein zum Bergbau“ statt, bei dem 500 Delegierte aus 12 Ländern die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Bergbauindustrie in Zentral- und Nordamerika diskutieren und Erfahrungen über den Widerstand austauschen.
23. Januar:
Die Anführer autonomer regionaler Bauernorganisationen aus über 20 Bundesstaaten beginnen einen kollektiven Hungerstreik vor dem symbolträchtigen Denkmal des Unabhängigkeitsengels in Mexiko-Stadt. Damit beginnt eine neue Phase des Kampfes gegen die Aussaat von gentechnisch verändertem Mais in Mexiko. Entgegen den am Vortag mit der Stadtverwaltung getroffenen Vereinbarungen wurde ein direkter Zugang zu dem Monument durch ein massives Polizeiaufkommen verhindert. Alberto Gómez Flores, Sprecher des Dachverbandes der Autonomen Regionalen Bauernorganisationen (UNORCA): Es ist bezeichnend, dass den Bürgern der Zugang zu dem Monument verweigert wird, während der Staat Konzernen wie Monsanto, Du Pont und Pioneer Dienste erweist.“ Der Hungerstreik soll zugleich daran erinnern, dass täglich Millionen Mexikaner hungrig zu Bett gehen.
Ende Januar:
Mehr als 10.000 Katholiken sammeln sich in San Cristóbal zu einem Pilgermarsch, um an den zweiten Jahrestag des Todes von Samuel Ruiz García, dem ehemaligen Bischof von San Cristóbal (1960-2000), zu erinnern. Sie begrüssen den Schweigemarsch der EZLN als „unmissverständliches Zeichen ihres Willens für den Frieden“, kritisieren den von der mexikanischen Bundesregierung angekündigten „Kreuzzug gegen den Hunger“ und zwei geplante Staudämme im Hochland von Chiapas. Bereits bei früheren Gelegenheiten hatten die katholischen Basisaktivisten Pilgermärsche in San Cristóbal durchgeführt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Dezember 2012
2. Dezember:
Der Amtsantritt des neuen mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto wird von tausenden Menschen mit Sprechchören begrüsst, die ein „Mexiko ohne PRI“ fordern. In Straßenschlachten mit der Polizei werden nach Angaben des Roten Kreuzes mindestens 76 Menschen verletzt, mehr als 100 Personen werden festgenommen.
21. Dezember:
Über 40.000 Mitglieder der zapatistischen Unterstützungsbasen marschieren in völligem Schweigen in fünf Städten von Chiapas (Ocosingo, San Cristóbal de las Casas, Palenque, Altamirano und Las Margaritas) ein. Dies ist die größte Mobilisierung der Organisation seit dem bewaffneten Aufstand der EZLN am 1. Januar 1994. An einem Tag, an dem viele das Ende der Welt erwarteten, vollführen die Gemeinden der Unterstützungsbasis der EZLN mit verhüllten Gesichtern eine machtvolle Demonstration von Stärke und Disziplin und trotzen auch dem anhaltenden Nieselregen, der die Mobilisierungen an den verschiedenen Orten den ganzen Morgen lang begleitet. Geschickt darin schnell aufzutauchen, verschwinden die indigenen Rebellen genauso geordnet und still, wie sie am Morgen in diesen Städten erschienen.
22. Dezember:
15 Jahre nach dem Massaker von Acteal, bei dem am 22. Dezember 1997 45 Angehörige der Gruppe „Las Abejas“ ermordet wurden, betonen Angehörige der damals betroffenen indigenen Gemeinde, dass die eigentlichen Verantwortlichen des Massakers, das im Kontext der staatlichen Aufstandsbekämpfung zu betrachten sei, nie für ihre Tat belangt wurden. Sie fordern eine bedingungslose Aufklärung und ein Ende der Straflosigkeit. Sie gedenken auch Manuel Vazquez Luna, einer der wenigen Überlebenden des Massakers, der im November dieses Jahres mit 28 Jahren an einem Gehirntumor verstarb. Zur Zeit befinden sich „Las Abejas“ in erhöhter Alarmbereitschaft. Seit August 2009 wurden im Rahmen einer Begnadigungsoffensive 50 der 87 verurteilten Paramilitärs aus den Gefängnissen entlassen und sind in ihre Gemeinden zurückgekehrt, die sich in unmittelbarer Nähe zum Ort des Massakers befinden.
Ende Dezember:
Der Konflikt um ein Mega-Windkraftprojekt des Konsortiums Mareña Renovables in San Dionisio del Mar an der Küste Oaxacas eskaliert. Die lokalen Behörden erzwingen durch den Einsatz von Polizei und bewaffneten Zivilisten die formale Zustimmung zu diesem Projekt.
Die Bauerlaubnis war bereits zu Jahresbeginn erteilt worden – allerdings gegen eine Bestechungssumme von 20 Millionen Pesos – und hatte damals zur Abwahl des korrupten Gemeindepräsidenten geführt. Im Verlauf des Jahres verhinderte die oppositionelle Bevölkerung den Baubeginn nach Auseinandersetzungen mit der Polizei, verteidigte das besetzte Regierungsgebäude von San Dionisio und erreichte die richterliche Suspendierung des Projektes, da die Ikoots-Indigenen nicht befragt worden waren. Seither intensivierten die Presse, Unternehmerverbände sowie die Regierung Oaxacas eine Medienkampagne gegen die Dorfbewohner.
29. & 30. Dezember:
Die EZLN kündigt eine Reihe von zivilen und gewaltfreien Initiativen an, um „gemeinsam mit anderen indigenen Völkern Mexikos und ganz Amerikas Widerstand leisten und von links unten zu kämpfen“. Die Zapatistas wenden sich an jene sozialen Bewegungen, „die noch ihre Überzeugungen behalten haben und bereit sind, eine linke Alternative jenseits des bestehenden Systems zu schaffen.“
Ausserdem antwortet Marcos der mexikanischen Regierung, die die Zapatistas bittet, ihnen Zeit zu geben, sie kennenzulernen.
Comunicado 1: Hier sind wir und mit uns eine andere Form der Politik
Comunicado 2: Wir kennen Sie nicht?
November 2012
2. November:
Das UN-Komitee gegen Folter drückt der mexikanischen Regierung gegenüber seine Besorgnis über die Praxis der Folter in dem mittelamerikanischen Land aus. Die Vertreter der Vereinten Nationen kritisieren insbesondere den Einsatz der Armee in Aufgaben der öffentlichen Sicherheit sowie „das Phänomen der gravierenden Straflosigkeit“, in welcher die Folterdelikte stattfinden. Einen Bericht der mexikanischen Regierung über Fortschritte beim Folter kontrastierten sogenannte shadow reports, welche 80 Menschenrechtsorganisationen verfasst hatten. Einerseits werden darin Fälle von Folter im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Mafia und den Drogenhandel denunziert, andererseits auch die Folter von politischen Gefangenen, unter anderem in Guerrero und Oaxaca. Die Statistiken über die Praxis der Folter in Mexiko sind besorgniserregend: Unter der Regierung von Felipe Calderón haben sich die angezeigten Fälle von Folter mindestens verfünffacht. Die nationale Ombudsstelle für Menschenrechte hat in den letzten zehn Jahren 7.000 Beschwerden wegen Folter oder unmenschlicher Behandlung entgegengenommen – wobei zu bedenken ist, dass die Dunkelziffer hoch ist, da nur rund zehn Prozent der Gefolterten es auch wagen, Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft hat im selben Zeitraum 72 Verfahren gegen Behördenvertreter wegen Verdacht auf Folter eröffnet. Keines der Verfahren führte zu einer Verurteilung.
Oktober 2012
5. Oktober:
Die pazifistische Organisation Las Abejas (Die Bienen) aus dem zentralen Hochland meldet, dass auch die paramilitärische Gruppe Mascara Roja (Rote Maske), die 1997 ein Massaker an 45 Menschen begangen hatte, wieder aktiv wird und die Opposition terrorisiert. Las Abejas weisen der Regierung von Chiapas unter Gouverneur Juan Sabines und der Bundesregierung unter Felipe Calderón die Verantwortung für die Gewaltakte zu.
16. Oktober:
Dramatische Ereignisse in Michoacan: Polizeiüberfall auf drei Schulen auf direkte Anweisung vom Gouverneur des Bundesstaates Michoacan (Fausto Vallejo) und Präsident Felipe Calderón als „Antwort“ auf die Forderungen der SchülerInnen nach besserer öffentlicher Bildung und besseren ländlichen Lebensbedingungen. Laut Regierungsangaben wurden 200 SchülerInnen festgenommen. Aus Cherán allein wird die Verhaftung von 120 SchülerInnen und 20 Eltern vermeldet. Von den anderen Gemeinden ist unklar, wieviel tatsächlich betroffen sind.
Als Reaktion haben die SchülerInnen, autonomen Gemeindeautoritäten, Gemeindemitglieder und LehrerInnen der Nationalen Lehrergewerkschaft (CNTE) 60 Straßenblockaden errichtet. Eine Autokarawane sozialer Organisationen ist auf dem Weg zur Schule in Tiripetío, mit dem Ziel, die Schule zurück zu gewinnen. Die CNTE LehrerInnen haben einen Streik auf unbestimmte Dauer ausgerufen. In anderen Teilen des Landes haben die Planungen zur Protesten und Solidaritätsbekundungen begonnen.
September 2012
6. September:
In den Gemeinden Comandante Abelund Unión Hidalgo erscheinen schwer bewaffnete Paramilitärs, feuern Schüsse ab, verwüsten Felder, zerstören Gemeinschaftseinrichtungen und vertreiben etwa 70 zapatistische Familien. Die Täter unterhalten direkte Verbindungen zu Paramilitärs, die unter dem zynischen Namen „Paz y Justicia“ (Frieden und Gerechtigkeit) bereits Ende der 90er Jahre für Tod und Vertreibung verantwortlich waren. Die Geflüchteten leiden unter Krankheiten, Mangelernährung und Traumatisierung infolge der Angriffe. Die Zapatisten beschuldigen den Innenminister des Bundesstaates Chiapas, Noé Castañon, die Angriffe verantwortet zu haben. Bereits kurz nach dem Landraub trafen Polizeifahrzeuge mit Baumaterial ein, um ein Camp zum Schutz der Invasoren zu errichten. Paramilitärs und Polizei sollen die Vertriebenen an der Rückkehr in ihre Gemeinden hindern.
19. September:
Ein LKW der mexikanischen Armee mit zehn bewaffneten Soldaten fährt in den Morgenstunden vor das Gebäude der CIDECI – Universität der Erde in San Cristóbal de las Casas und veranstaltet Patrouillengänge mit den Waffen in den Händen und einer demonstrativ bedrohlichen Haltung. Im Gebäude findet zur gleichen Zeit ein Treffen für Nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungssouveränität statt. Das CIDECI wurde bereits bei anderen Gelegenheiten von der mexikanischen Regierung bedroht.
August 2012
3. August:
Sechs ranghohen Offizieren des mexikanischen Militärs wird Zusammenarbeit mit dem Drogenkartell der Brüder Beltrán-Leyva vorgeworfen. Unter den Angeklagten sind der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Tomás Angeles Dauahare, sowie weitere drei Generäle. Es ist das erste Verfahren gegen ranghohe Militärs wegen Drogenhandels unter Präsident Felipe Calderón und ein herber Schlag für dessen Strategie, die im Wesentlichen auf dem Einsatz der Streitkräfte beruht. Die Polizei gilt als völlig infiltriert und wird deshalb kaum in Antidrogen-Operationen eingesetzt.
Mitte August:
In Spanien wird Rafael Humberto Celaya, von Beruf Anwalt, zusammen mit drei weiteren Personen, darunter einem mutmaßlichen Cousin des Drogenbosses Joaquín „El Chapo“ Guzmán, festgenommen. Sie sollen vorgehabt haben, für Guzmáns Sinaloa-Kartell eine Operationsbasis in Spanien aufzubauen. Auf seiner Facebook-Seite lächelt Celaya gemeinsam mit dem kommenden Präsidenten Mexikos, Enrique Peña Nieto in die Kamera. Celaya war von Peña Nieto zum Wahlkoordinator in San Luis Río Colorado ernannt worden und galt als aussichtsreicher Anwärter auf einen Parlamentssitz. Sein Neffe Victor Hugo Celaya ist ein einflussreicher Politiker in San Luis Río Colorado. Der künftige Präsident streitet die offensichtliche Verbindung zur Drogenmafia natürlich ab.
10. August:
Pfarrer Alejandro Solalinde muss sich auf Befehl des Bischofs aus der von ihm im Jahr 2007 aufgebauten Herberge für gestrandete Migranten in Ixtepec / Oaxaca zurückziehen. Solalinde erhielt wegen seines Engagements wiederholt Todesdrohungen. Im Mai ging er für zwei Monate ins freiwillige Exil und besuchte verschiedene europäische Länder. Jetzt wirft Bischof Campos dem Priester vor, er suche zu sehr die Öffentlichkeit. Solalinde sieht einen anderen Grund: Die Kirche gebe „dem Druck des organisierten Verbrechens und einiger Politiker“ nach. Er selbst werde dem Befehl des Bischofs natürlich gehorchen, jedoch bei der Kirche kündigen und die MigrantInnen aus dem Laienstand heraus unterstützen.
August:
80 Prozent der sieben Millionen in Mexiko registrierten indigenen Landbevölkerung leben in Armut, mehr als 40 Prozent sind laut einer Studie des mexikanischen Nationalrats für die Bewertung der sozialen Entwicklung von einer extremen Ernährungskrise betroffen. Die Nahrungsunterversorgung sei auf „den Ausschluss und die Ausgrenzung“ der indigenen Gemeinschaften und die steigenden Preise für Lebensmittel (seit 2005 um 45 Prozent) zurückzuführen. Ramón Gardea, Vertreter der Bauernorganisation Frente Organizado de Campesinos Indígenas prangerte im Januar dieses Jahres den Tod von 50 Rarámuris an, die Selbstmord begangen hatten, nachdem es ihnen nicht gelungen war, Nahrungsmittel für sich und ihre Kinder zu beschaffen.
Juli 2012
1. Juli:
Die Präsidentschaftswahlen enden mit einem Sieg des PRI-Kandidaten Enrique Peña Nieto mit 38,2% vor Andrés Manuel López Obrador (PRD) mit 31,7% und Josefina Vázquez Mota (PAN) mit 25,4%. Die bisherige Regierungspartei wurde also regelrecht abgestraft. Die PRD ist wieder einmal schwer verärgert über den üblichen Wahlbetrug (überhöhte Wahlkampfausgaben, Stimmenkauf, Drohungen, Einschüchterungen, etc.) und erreicht eine Neuauszählung von etwas mehr als der Hälfte der Stimmen. Die Kommunisten, die sich nicht an den Wahlen beteiligten, bezeichnen die Wahl als Farce zur Legitimation der bevorstehenden wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen zu Lasten der Bevölkerung und rufen zum Widerstand auf.
In Chiapas erhält Manuel Velasco Coello von der PVEM (Grüne Partei in enger Zusammenarbeit mit der PRI) 66% der Stimmen und kündigt Pläne zur Wiederaufforstung und zur „Rettung der Bodenschätze“ an, hinter denen sich wahrscheinlich eine neue Offensive gegen die Zapatistas versteckt.
20. Juli:
Laut Angaben von Wissenschaftlern gibt es in Mexiko 125 Konflikte aufgrund verschiedener Megaprojekte, die die Umwelt zerstören und u.a. die Lebensräume sowie damit die Existenzgrundlage indigener Völker bedrohen. Einige Beispiele: Durch das Land der Yaqui in Sonora wird ein Kanal geführt, im Siedlungsgebiet der Huicholes finden sich drei Bergbauprojekte, neun Bergbaulizenzen wurden in Naturreservaten vergeben, und eine neue Autobahn von Lerma nach Tres Marías in Zentralmexiko gefährdet das Biosphärenreservat Gran Bosque de Agua, das 35 Millionen Menschen mit Wasser versorgt. Weitere Konflikte gibt es um neun geplante Staudämme sowie vier touristische Großprojekte, je eines davon auf Nahua-Gebiet in Michoacán und im heiligen Land der Huicholes in Nayarit. Vorgesehen sind außerdem große Anlagen für die Bauindustrie (Zement, Asphalt) und die Schweinemast. Gegen alle Projekte regt sich Widerstand in der Bevölkerung, die sich sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene organisiert.
Juni 2012
Anfang Juni:
Lehrer_innen der Sektion 40 der Lehrergewerkschaft besetzen den Zocalo (Hauptplatz) von Tuxtla Gutierrez, um gegen Änderungen im Schulsystem zu protestieren und die Freilassung des Lehrers Alberto Patishtán Gomez zu erreichen. Alberto Patishtan ist seit 12 Jahren als politischer Gefangener inhaftiert, seit seiner Beteiligung an einem Hungerstreik Ende 2011 wurde er in ein 2000 Kilometer entferntes Hochsicherheitsgefängnis im Bundesstaat Sinaloa verlegt.
Januar 2012
1. Januar:
Die EZLN feiert den 18. Jahrestag des Aufstands. In San Cristóbal lädt die „Universität der Erde“ zum „II. Internationalen Seminar: Planet Erde – antisystemische Bewegungen“. Vier Tage diskutieren Intellektuelle und soziale AktivistInnen aus Mexiko, Nord- und Lateinamerika über die aktuellen Herausforderungen für emanzipatorische Kräfte weltweit.
Alle Redner unterstreichen, dass viele antisystemische Bewegungen durch das besondere zapatistische Politikverständnis inspiriert worden sind. Hervorgehoben wird dabei der undogmatische, stets fragende Charakter der Bewegung sowie die Ablehnung der Übernahme der Staatsmacht zugunsten einer radikalen Demokratisierung von unten.
Einigkeit herrschte darüber, trotz aller Schwierigkeiten und Unterschiede die Selbstorganisation voranzutreiben, nicht nur gegen Kapitalismus, auch gegen Patriarchat, Rassismus und Umweltzerstörung. Dazu ist es notwendig, eine klare antikapitalistische Position zu beziehen, sich deutlich vom Parteiensystem zu trennen und das Politikmachen wieder in die Gesellschaft zurückzuholen. Was nach den vielen Reflexionen, Analysen und Vorschlägen weiter zu diskutieren bleibt, ist die Frage, wie eine effektivere Organisierung der ausgegrenzten Mehrheiten vorangebracht werden kann, ohne in orthodoxe Muster zu verfallen, die sich immer wieder als äußerst anfällig für Spaltung, Repression und Korruption erwiesen haben.
Dezember 2011
Dezember:
Die Eskalation der Gewalt in Mexiko hält weiter an und erinnert laut MenschenrechtsbeobachterInnen an Zeiten des „schmutzigen Krieges“ der 70er-Jahre:
In Sonora und Michoacán werden zwei AktivistInnen ermordet, welche mit der Friedensbewegung des Schriftstellers Javier Sicilia zusammenarbeiten. In Ciudad Juárez wird ein weiteres Attentat auf eine mutige Angehörige von Verschwundenen begangen, welche die Aufklärung der Frauenmorde fordert; sie überlebt das Attentat, flüchtet jedoch ins Exil. In Guerrero wird der Sohn eines Gründers der Ökobauernorganisation der Region Petatlán vergiftet in seiner Zelle aufgefunden. Sein Vater wurde bereits im Februar dieses Jahres ermordet. Am 6. Dezember entführen maskierte Bewaffnete Marcial Bautista Valle und Eva Alarcón Ortíz, derselben Bauernorganisation, auf dem Weg zu einem Friedenstreffen. Am 12. Dezember greifen schwer bewaffnete Polizisten verschiedener Einheiten in Chilpancingo, der Hauptstadt Guerreros, eine Straßenblockade von 200 Studierenden an. Jorge Alexis Herrera und Gabriel Echeverría de Jesús, zwei 20-jährige Studenten, und ein Angestellter einer nahe gelegenen Tankstelle sterben im Kugelhagel der Polizei, ein Student schwebt in Lebensgefahr, zahlreiche Studierende werden brutal verhaftet, zum Teil schwer misshandelt, aber am nächsten Tag wieder freigelassen.
Oktober 2011
13. Oktober:
Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagen mexikanische Intellektuelle den Präsidenten Felipe Calderón, weitere Staatsfunktionäre und den Drogenboss Joaquín Guzman beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Etwa 20.000 Menschen haben sich bislang mit ihrer Unterschrift für die Anklage ausgesprochen: „Es existiert eine permanente Verletzung der Menschenrechte, insbesondere ihrer verwundbarsten Segmente – Frauen und Migranten „, heißt es in einer Pressemitteilung. Durch die herrschende Straflosigkeit sei es de facto unmöglich, Vergehen von Staatsbeamten und Soldaten zu ahnden. Das mexikanische Militär habe Zivilisten, einschließlich Kinder, völlig abseits von Konflikten ermordet. Seit der „Krieg gegen den Drogenhandel“ am 11. Dezember 2006 ausgerufen wurde, wurden über 50.000 Menschen (darunter 1.300 Kinder und Jugendliche) ermordet, 230.000 Menschen wurden von ihrem Land vertrieben, ermordet, 10.000 Menschen gelten als verschwunden. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück un erklärt, die Sicherheitspolitik des Landes könne keine internationale Straftat darstellen.
26. Oktober:
Der Philosophie-Student Carlos Sinuhé Cuevas Mejía wird in Mexiko-Stadt auf dem Weg zu seiner Wohnung von mehreren bislang unbekannten Tätern hinterrücks ermordet. Seine Leiche wird einen Tag darauf außerhalb der Stadt, auf der Bundesstraße Richtung Cuernavaca, mit 16 Schußwunden aufgefunden. Carlos war ein politischer Aktivist und Mitglied der Hauptstädtischen Koordination der Sozialen Studentischen Bewegungen der UNAM. Er setzte sich für öffentliche und kostenlose Bildung und gegen soziale Ungleichheit und Militarisierung ein. Vor drei Jahren schon erhielt er aufgrund seines politischen Engagements Morddrohungen und war Diffamierungen ausgesetzt.
Die Familienangehörigen fordern umgehende und ernsthafte Untersuchungen des Mordes. Die studentische Gemeinschaft ging in einen sofortigen 24-stündigen Streik und blockierte eine Hauptverkehrsstraße der Stadt. Sie organisieren für den 3. November eine Demonstration in Mexiko Stadt.
September 2011
9. – 19. September:
Die Friedenskarawane der Nationalen Bewegung für den Frieden mit Gerechtigkeit und Würde, die im Juni bereits den Norden des Landes bereiste, bereist verschiedene Orte in Oaxaca, Chiapas, Tabasco, Veracruz und Puebla, um anschließend nach Mexiko-Stadt zurückzukehren. Ziel ist, den etwa 50.000 Opfern den Drogenkrieges und ihren Familienangehörigen eine Stimme zu geben. Familien von Opfern des Schmutzigen Krieges, die Gerechtigkeit fordern, und indigene Gemeinden, die der Repression durch Paramilitärs und Armee ausgesetzt waren, treffen sich mit den Angehörigen derjenigen, die in Felipe Calderóns Krieg gegen den Drogenhandel verschwunden sind.
Und Javier Sicilia, Sprecher der Bewegung, bekräftigte noch einmal die Forderung nach einer Wahrheitskommission, um die Fälle der verschwundenen und ermordeten Personen aufzuklären, die von der Regierung als Kolateralschäden in Kauf genommen werden. Immer wieder kommt es zu Repressionen von Seiten der Militärs bzw. angeblicher Zivilisten.
29. September – 7. November:
Sieben indigene politische Gefangene treten im Gefängnis von San Cristóbal in den Hungerstreik. Vier weitere gesundheitlich angeschlagene Gefangene, darunter der Lehrer Alberto Patishtan, unterstützen die Aktion mit einem täglichen zwölfstündigen Fasten. Die Umstände, unter welchen die Indigenen gefangen und bis zu 60 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, sind haarsträubend.
Patisthan beispielsweise wurde im Juni 2000 durch einen vermeintlichen Augenzeugen beschuldigt, am Hinterhalt gegen eine Polizeipatrouille beteiligt gewesen zu sein, bei dem 10 Polizisten starben. Der Grundschullehrer von Huitiupan in der Region Altos war Manuel Gomez Ruiz, dem PRI Bürgermeister des Bezirks von El Bosque, ein Dorn im Auge, da er Korruptionsfälle aufdeckte und die Leute dagegen zu mobilisieren versuchte. Gabriela Patishtan, die Tochter des Lehrers, betont im Interview, dass der Sohn des damaligen Bürgermeisters ausgesagt hat, dass der Zeuge gekauft war und die Verhaftung von Alberto Patishtan ein abgekartetes Spiel war. Tatsächlich nahm der angebliche Zeuge später von seiner Aussage Abstand, gilt heute jedoch als spurlos verschwunden. Der Fall von Alberto Patishtan, der inzwischen über 11 Jahre unschuldig im Gefängnis sitzt, ist symptomatisch für das marode Justizwesen Mexikos. Die 20 jährige Justizstudentin Gabriela Patishtan ist um die Gesundheit ihres 40 jährigen Vaters und der anderen Hungerstreikenden besorgt, aber betont zugleich, dass die Aktion ein Signal sei, „dass wir trotz allem weiterkämpfen, trotz der Folter, der Misshandlungen und der Gefängnisverlegungen weiterhin die Freiheit der politischen Gefangenen fordern“.
Nach 39 Tagen, die die politischen Gefangenen in Chiapas in eine lebensbedrohliche Situation gebracht hatten, beschliessen diese auf Anraten ihres medizinischen Betreuungsteams, den Hungerstreik zu beenden, obwohl das Ziel nicht erreicht wurde. In einer Erklärungverweisen sie darauf, dass damit ihr Kampf nicht beendet ist.
Juni 2011
11. Juni:
Ungefähr 500 Gefangene der Haftanstalt Los Altos de Chiapas in der Nähe des Ortes San Cristóbal de las Casas beenden ihren Hungerstreik, nachdem die Regierung sich dazu verpflichtete, die Bedingungen der meist indigenen Häftlinge zu verbessern und den derzeitigen Gefängnisdirektor zu ersetzen. Die Insassen, vor allem Tzotzil und Tzeltal, klagten über eine „erniedrigende“ Behandlung in der Strafanstalt und über immer häufiger werdende Gewaltdrohungen und Erpressungen durch Mithäftlinge, die Drogenbanden angehören.
14. Juni:
Javier Sicilia, Dichter und links engagierter Journalist mit befreiungstheologischem Hintergrund, dessen 24-jähriger Sohn zusammen mit weiteren Jugendlichen in Cuernavaca ermordet wurde, mobilisiert mit seinem Aufschrei „Estamos hasta la madre“ (wir haben die Schnauze gestrichen voll) weite Bereiche der mexikanischen Gesellschaft. Sicilia klagt direkt auch die Regierung als Mittäterin an den zehntausenden von Morden an und fordert eine Rückkehr der Soldaten in die Kasernen.
In Mexiko sind laut aktuellen Zahlen über 60.000 Angehörige des Militärs im innerstaatlichen Einsatz. Seit Präsident Calderón im Jahr 2006 den sogenannten „Krieg gegen das Organisierte Verbrechen“ eröffnete, starben 34.612 Menschen. Die Militarisierungsstrategie der mexikanischen Regierung hat zu einer Multiplizierung der Fälle von Folter, illegalen Festnahmen, außergerichtlichen Hinrichtungen und dem Verschwindenlassen von Personen durch Teile des Militärs, der Polizei und bewaffnete Gruppen geführt.
Mai 2011
3. Mai:
Der politische Gefangene Abrahám Ramírez Vásquez, Mitglied der lokalen Organisation CODEDI aus dem zapotekischen Dorf in der Sierra Sur, wird nach mehr als 6 Jahren aus der Haft entlassen. Abrahám gilt als erster politischer Gefangener des ehemaligen Gouverneurs von Oaxaca, Ulises RuizOrtíz, in dessen zweitem Amtsjahr sich 2006 ein mehrmonatiger Volksaufstand entwickelte.
Abrahám war gemeinsam mit anderen Männern und Frauen in Xanica für eine autonome Regierung des Dorfes ohne Einmischung durch politische Parteien eingetreten, bis die Polizei am 15. Jänner 2005 das Dorf stürmte, das Feuer auf die unbewaffneten BewohnerInnen eröffnete und den schwer verletzten Abrahám inhaftierte. Die konstruierte Anklage warf ihm vor, gemeinsam mit seinen Brüdern einen Polizisten ermordet zu haben.
Organisationen der Allianz COMPA unterstützten Abrahám während seiner Haft durch Solidaritätsaufrufe und Platzbesetzungen und zollten ihm vor allem dafür Respekt, dass er das „Angebot“ der Regierung scharf zurückgewiesen hatte, freigelassen zu werden, wenn er sich im Gegenzug von dem politischen Kampf für Demokratie im Jahre 2006 distanzieren würde.
„Mein Kampf ist breiter“, schreibt er in einem Brief vom 2. April 2011 noch aus dem Gefängnis, „denn für mich ist ganz klar: Nur wenn wir marginalisierten Völker, die wir unter Ungerechtigkeit leiden, gemeinsam kämpfen, kommen wir voran“.
4. Mai:
Über 100 Menschenrechtsgruppen, Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen in Mexiko und weltweit fordern anlässlich des fünften Jahrestages der Repression von San Salvador Atenco Gerechtigkeit für die Opfer.
7. & 8. Mai:
Während der viertägige Schweigemarsch gegen den Krieg und für Gerechtigkeit von Cuernavaca nach Mexiko Stadt am Sonntag auf dem Zocalo von Mexiko Stadt wurden rund 100.000 Personen vereint, demonstrieren tags zuvor rund 20.000 Zapatistas in San Cristobal de Las Casas, Chiapas.
In der zentralen Botschaft der EZLN prangert Comandante David die gescheiterte Strategie von Präsident Calderón an: „Die schlechten Regierungen haben das Problem geschaffen, und sie haben es nicht nur nicht gelöst, sondern noch erweitert und vertieft. Wir sind auf die Straße gegangen, weil wir uns aufgerufen fühlten durch die würdevolle Wut von Müttern und Vätern von Jugendlichen, die durch kriminelle Banden und durch den Zynismus der Regierung umgebracht wurden.“
Die Zapatistas fordern nicht nur die Entmilitarisierung des Landes, sondern auch eine Abkehr von der fatalen neoliberalen Wirtschaftspolitik sowie Autonomie für die mehr als 60 indigenen Bevölkerungsgruppen im Land. Comandante David beendet die Rede mit folgenden Worten: „Heute sind wir hier, um dem Aufruf jener zu antworten, die für das Leben kämpfen. Und denen die schlechte Regierung mit Tod antwortet. Es geht um einen Kampf für das Leben und gegen den Tod. Es lebe das Leben, die Freiheit, die Gerechtigkeit und der Frieden! Tod dem Tod! Für alle alles, für uns nichts!“
April 2011
6. April:
Unter dem Motto „Es reicht – nicht einen toten Sohn mehr“ finden zeitgleich in rund 40 mexikanischen Städten Demonstrationen gegen die zunehmende Gewalt im sogenannten Drogenkrieg statt. Auslöser für Protest war die Ermordung von sieben Jugendlichen im Bundesstaat Morelos, darunter Juan Francisco Sicilia, Sohn des engagierten Dichters und Proceso-Kolumnisten Javier Sicilia. Die Umstände des Mordes an offensichtlich Unschuldigen sind noch nicht geklärt, allerdings werden Sicherheitskräfte der Tat verdächtigt.
18. April:
Der bekannte mexikanische Ökobauer und Menschenrechtler Javier Torres Cruz wird durch eine Gruppe von 30 Maskierten, die teilweise Militäruniform tragen, gefoltert und ermordet. Sein 8-jähriger Sohn ist Zeuge des Attentats, bei dem etwa 300 Schüsse fallen und auch Javiers Bruder verletzt wird.
Javier Torres Cruz gehörte zur Bauernvereinigung der Sierra von Petatlán an, welche sich Ende der Neunziger Jahre zum Ziel setzte, dem Raubbau an den Wäldern der Sierra durch den lokalen Kaziken Rogaciano Alba Álvarez ein Ende zu setzen. Er war und ist ein Symbol für den Widerstand gegen die Allianz aus Großgrundbesitzern, Drogenhändlern und Militärs, welche weite Teile von Guerrero mit eisener Faust regieren. Seine Zeugenaussage im Mordfall Digna Ochoa widersprach der offiziellen Version eines Selbstmords und belastete Álvarez.
März 2011
14. März:
Anlässlich eines Internationalen Aktionstages gegen Staudämme demonstrieren gut 6.000 Personen gegen das Staudammprojekt in Paso de la Reina (Oaxaca), das durch Regierung und Weltbank vorangetrieben wird. 30 betroffene Gemeinden organisierten sich in einer Dachorganisation „zur Verteidigung des Grünen Flusses“.
Der Grundschullehrer Carlos René Román Salazar, Aktivist einer libertären Strömung innerhalb der Lehrergewerkschaft SNTE, wird in einem Außenbezirk von Oaxaca Stadt entführt. Die Lehrergewerkschaft reagiert auf das Verschwinden ihres Führungsmitglieds mit massiven Mobilisierungen, blockiert 42 neuralgische Verkehrsknoten und legt so den gesamten Bundesstaat lahm.
Februar 2011
16. Februar:
Gewerkschaftsmitglieder der Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft empfangen den mexikanischen Präsidenten Calderón in Oaxaca mit Protest. 72.000 Lehrerinnen und Lehrer legen die Arbeit nieder, 16 Bundesstraßen in ganz Oaxaca werden blockiert und in Oaxaca-Stadt findet eine Großdemonstration mit schätzungsweise 25.000 Teilnehmern statt: „Wir protestieren gegen den Besuch von Felipe Calderón Hinojosa, welcher die Unternehmer unterstützt und weiter das Land zerstört, zum Vorteil seiner Machtclique“. Erst am Vortag hatte der Präsident bekannt gegeben, dass die Unterrichtsgebühren der privaten Bildungseinrichtungen von den Steuern abgezogen werden können. Ein Steuergeschenk an die Reichen in der Höhe von schätzungsweise 800 Millionen Euro.
Mindestens 15 Personen werden verletzt, darunter ein Journalist mit einem Beinschuss sowie der ehemalige APPO-Sprecher und Gewerkschafter Marcelino Coache, welchen die Polizei mit einem aus nächster Nähe abgefeuerten Tränengaspetarde am den Kopf schwer verletzt.
Drei Polizistinnen werden von den LehrerInnen mehrere Stunden lang festgehalten. Am Nachmittag gehen ein Polizeilastwagen und ein Hotel in Flammen auf. Zudem wird vermutet, dass mehrere Flugzeuge mit Bundespolizei aus Mexiko Stadt in Richtung Oaxaca unterwegs sind.
Der letzte Besuch des Präsidenten im Süden des Landes galt vor vierzehn Tagen den Tourismusprojekten in Chiapas. Auch da wurden Proteste gewaltsam unterdrückt. Nur Stunden nach dem Besuch von Calderón forderte eine Auseinandersetzung zwischen PRI-Aktivisten und der zapatistischen „anderen Kampagne“ im Touristenort Agua Azul ein Menschenleben.
Januar 2011
24. Januar:
Monsignore Samuel Ruiz García stirbt im Alter von 86 Jahren in Mexiko Stadt. Samuel Ruiz war Bischof der Diözese von San Cristóbal de Las Casas und Gründer und Präsident des Menschenrechtszentrums FrayBa.
In seinem unbestechlichen Kampf für die Verteidigung der Menschenrechte diente er als Vermittler in den Verhandlungen zwischen der EZLN und der mexikanischen Regierung. Er war ein großer Anhänger der Befreiungstheologie und Förderer der indigenen Theologie.
Grußbotschaft der EZLN
25. Januar:
Renato Cruz Morales, Leiter der Kleinbauernorganisation Central de Campesino Cardenista (CCC), und sein Begleiter werden gegen 20:40 Uhr in einem Fahrzeug in der Nähe der Ortschaft La Mina, Landkreis Tuxtepec, Oaxaca, erschossen aufgefunden. Cruz Morales war im Jahr 2006 wegen seiner Beteiligung an der APPO zeitweilig in Haft.
November 2010
24.November:
Die Menschenrechtsverteidigerin Margarita Guadalupe Martínez Martinez wird von zwei nicht identifizierten Personen, unterwegs mit einem weißen Pickup ohne Nummernschilder, auf offener Straße abgefangen und bedroht: „Hör gut zu, was ich dir sage, denn du steckst ganz schön in der Scheiße.“
Margarita wird gezwungen, zum Friedhof zu laufen, wo sie ein Papier zugesteckt bekommt, das sie zum Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) bringen soll: „Und sag Diego [Diego Cadenas, Direktor von Frayba], dass wir wissen, dass ihr mit subversiven Gruppen zusammenarbeitet, dass wir euch genau identifiziert haben und dass wir euch einen nach dem anderen fertig machen, weil ihr verdammte Scheißarschlöcher seid, die nur den Staat destabilisieren!“
Außerdem fügt er hinzu: „Nicht nur wir überwachen dich, sondern noch viele mehr. Mach, was wir sagen oder du fängst dir drei Schüsse ein“.
Oktober 2010
22. Oktober:
Catarino Torres Pereda wird in der Stadt Tuxtepec im Norden des mexikanischen Bundesstaates Oaxacas von zwei mit Pistolen bewaffneten Männern im Büro der indigenen Organisation CODECI (Komitee zur Bürgerverteidigung) niedergeschossen. Die Angreifer trugen T-Shirts mit Wahlpropaganda für Eviel Pérez Magaña, dem unterlegenen Gouverneurskandidaten der ehemaligen Staatspartei PRI.
Catarino Torres war in den letzten zehn Jahren aufgrund seines Engagements für die indigenen Gemeinden der Region Cuenca de Papaloapán starker Repression ausgesetzt, ein Dutzend Mal war er in Haft. Als Anhänger der zapatistischen Bewegung und Aktivist der oppositionellen Organisation APPO wurde er letztmals Anfang August 2006 verhaftet, gefoltert und sieben Monate in ein Hochsicherheitsgefängnis gesperrt.
In einer seiner letzten öffentlichen Reden kritisierte Catarino Torres die Oppositionsparteien von links und rechts dafür, dass sie sich mit dem Wahlsieg vom Juli brüsteten. Es sei offensichtlich, dass erst der Aufstand von 2006 den Machtwechsel im Staat ermöglicht habe. Nach dem Tod von Catarino Torres fühlen sich Aktivisten der CODECI in der Befürchtung bestätigt, dass die Regierung des scheidenden Gouverneurs Ulises Ruiz die lange Übergangszeit bis zur Regierungsübergabe am 1. Dezember dazu nutzt, mit politischen Widersachern abzurechnen.
September 2010
9. September:
In Chilón werden 170 Zapatistas (Familien aus San Marcos Avilés und Pamala) mit Waffengewalt vertrieben, weil sie eine autonome Schule für ihre Kinder gründeten. Ihre Nachbarn, die in verschiedenen politischen Parteien organisiert sind, besetzen daraufhin ihr Land. Der Rat der Guten Regierung von Oventik denunziert die gewaltsame Vertreibung und unterstützt die Vertriebenen.
Juni 2010
6. Juni:
Der Oberste Gerichtshof Mexikos ordnet die sofortige Freilassung von zwölf inhaftierten Aktivisten der „Gemeindefront zur Verteidigung der Erde“ (FPDT) an.
Den Aktivisten wurde im Mai 2006 die Entführung von Staatsfunktionären vorgeworfen und ein Gericht des Bundesstaates Mexikos, der an die Hauptstadt grenzt, hatte die Betroffenen zu hohen Haftstrafen verurteilt. Besonders überraschend ist daher die Freilassung von Ignacio del Valle, der als mutmaßlicher „Rädelsführer“ zu 112 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, die übrigen zu Strafen zwischen 30 und 67 Jahren. Das Oberste Gericht erklärt die damaligen Vorwürfe nun für unangemessen, da illegale Beweise für Delikte vorgebracht worden seien, die die Angeschuldigten nicht begangen hatten. Die Angehörigen reagieren erleichtert, bleiben aber skeptisch.
19. Juni:
Bei einem Zusammenstoß zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen der kanadischen Goldmine Fortuna Silver/Cuscatlán in San José del Progreso, Oaxaca werden zwei Personen erschossen und mehrere Menschen verletzt. Zwei Stunden nach dem Vorfall wird der Befreiungstheologe Martín Octavio Ortiz, der in der Vergangenheit mit den MinengegnerInnen zusammengearbeitet hatte, auf dem Weg ins Dorf gekidnappt, brutal geschlagen, dabei am Kopf verletzt und bis in die Nacht gefangen gehalten. Als die Staatspolizei mit einem Aufgebot von 30 Fahrzeugen und Spürhunden kommt, wird Padre Martín gefunden, aber nicht befreit, sondern zusammen mit neun weiteren Minengegnern festgenommen und nach Oaxaca gebracht.
April 2010
27. April:
Eine Friedenskarawane, bestehend aus 40 Menschen aus sozialen und Menschenrechtsorganisationen, gerät im Ort La Sabana in einen Hinterhalt von Paramilitärs. Die Angaben über die Konsequenzen der bewaffneten Attacke sind noch nicht vollständig bestätigt, mehrere Personen gelten als verschwunden, doch mit Sicherheit wurden Beatriz Cariño, die Direktorin der sozialen Organisation CACTUS (Centro de Apoyo Comunitario Trabajando Unidos) mit Sitz in Huajuapán de León, und Juri Jaakkola, finnischer Menschenrechtsbeobachter, im Kugelhagel getötet. Eine Verletzte konnte ins Spital eingeliefert werden, es ist dies Mónica Citlalli Santiago Ortiz, eine 22-jährige Reporterin der Fernsehstation Televisa. Unter den Verschwundenen sind internationale BeobachterInnen sowie AktivistInnen aus Oaxaca und die beiden Reporter Érika Ramírez und David Cilia der Zeitschrift „Contralínea“.
Seit dem 1. Januar 2007 hat die autonome Organisation MULT-I, die in Folge des Aufstands von 2006 entstand und sowohl der APPO als auch der „anderen Kampagne“ der Zapatistas angehört, das Dorf San Juan Copala zum autonomen Bezirk erklärt. Die Region ist seit Jahrzehnten Hochburg der PRI, welche mit aller Gewalt die Kontrolle behalten will. Seit Jahresbeginn gab es Dutzende politische Morde. Gemäss Jorge Albino Ortiz, dem Sprecher des autonomen Bezirks, ist San Juan Copala seit Monaten im Würgegriff der Paramilitärs von UBISORT, einer Organisation der PRI. Diese haben Strom und Wasserzufuhr abgestellt. Auch sind seit Januar weder LehrerInnen noch medizinisches Personal mehr im Dorf, „und wenn die Frauen auf der Suche nach Wasser und Essen sich getrauen, die Häuser zu verlassen, werden sie bedroht“.
längerer Bericht
März 2010
16. März:
Hunderttausende Menschen folgen dem Aufruf der Elektrizitätsarbeitergewerkschaft SME zu einem „landesweiten politischen Streiktag“. Die Polizei in Mexiko Stadt greift die Streikenden mehrfach und mit Tränengas an, in Oaxaca blockieren 70.000 Menschen wichtige Straßen, Regierungsgebäude und Niederlassungen multinationaler Konzerne und legen so das öffentliche Leben im Bundesstaat nahezu lahm.
Februar 2010
6. Februar:
Paramilitärs der OPDDIC überfallen Bolon Ajaw, schießen wild um sich und verwüsten die Kirche.
18. Februar:
Juan Manuel verlässt nach sechzehn Monaten Haft endlich das Gefängnis von Ixcotel, Oaxaca Stadt. Der APPO-Aktivist und dreifache Familienvater war absurderweise beschuldigt worden, für den Mord am Indymedia-Aktivisten Brad Will aus den USA verantwortlich zu sein, der von regierungsnahen Paramilitärs an einer APPO-Barrikade erschossen wurde. Staatsanwaltschaft und Richterin beklagten sich über die nicht nachlassende Masse an Protestbriefen als Zeichen der Mobilisierung auf nationaler und internationaler Ebene. Juan Manuel wird bei seiner Freilassung von über 1000 jubelnden AktivistInnen begrüßt. Die wahren Mörder bleiben unbehelligt.
Juan Manuel: In Freiheit, aber bedroht
26. Februar:
Elf Friedensnobelpreisträger verlangen die Freilassung von zwölf zu 30 Jahren Haft verurteilten Dorfbewohnern aus San Salvador Atenco. Die Verurteilungen der politischen Gefangenen müssten zurückgenommen und die Haftbefehle für null und nichtig erklärt werden. Notwendig seien außerdem ernsthafte Ermittlungen zu den Vergewaltigungsvorwürfen von 50 Frauen gegen an dem Einsatz beteiligte Polizisten. Unter den Unterzeichnern des Briefs sind mit Erzbischof Desmond Tutu und dem früheren Präsidenten Frederik Willem de Klerk zwei Friedensnobelpreisträger aus Südafrika, ferner die guatemaltekische Menschenrechtskämpferin Rigoberta Menchú, der US-Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel sowie die kenianische Umweltaktivistin Wangari Maathai.
28. Februar:
Nach dem illegalen Fällen mehrerer Bäume durch Paramilitärs kommt es in der Gemeinde Mitziton zu Übergriffen auf die zapatistischen Autoritäten, die die Täter zur Rede stellen. Mehrere Personen werden durch Schüsse und Schläge zum Teil schwer verletzt, während die Polizei tatenlos zusieht. Andere werden entführt, gefoltert und mit dem Tod bedroht. Erst nachdem die Zapatistas ihrerseits Elemente der Staatlichen Polizei und Angehörige der Paramilitärs festnehmen, werden die Entführten freigelassen.
Januar 2010
21. Januar:
Die Regierung überfällt die Gemeinde Laguna El Suspiro im Bezirk Ocosingo, vertreibt die BewohnerInnen und brennt deren Häuser nieder, um Platz für ein „Biosphärenreservat“ zu schaffen. Etwa 60 Polizeibeamte, zum Teil in schwarzen Uniformen und Tarnanzügen, landen mit Hubschraubern im Dorf und beginnen ohne jede Erklärung mit der gewaltsamen Räumung.
María Cortes Pérez und Magdalena García Cortes werden aus ihren Häusern gezerrt und gewaltsam in die Bezirkshauptstadt Palenque gebracht. Andere Frauen entkamen in den Urwald.
22. Januar:
250 Polizeibeamte überfallen die Gemeinde Laguna San Pedro, ebenfalls im Bezirk Ocosingo und zum Gebiet der Montes Azules gehörig. Sie informieren die Bevölkerung, dass die Aktion von staatlicher Seite angeordnet wäre. Zwölf Personen, darunter Kinder, Frauen und Männer, werden im Hubschrauber abtransportiert und der Staatsanwaltschaft in Palenque vorgeführt.
Regierungsfreundlichen Quellen zufolge handelt es sich um eine koordinierte Aktion verschiedener Institutionen, darunter eine polizeiliche Spezialeinheit der Generalstaatsanwaltschaft von Chiapas, die Behörde für öffentliche Sicherheit, die Generalstaatsanwaltschaft der Republik, die Bundesstaatsanwaltschaft für Umweltschutz, die Nationale Kommission für Naturschutzgebiete, sowie staatliche MenschenrechtsvertreterInnen. In einer Pressekonferenz erklären VertreterInnen der Umweltbehörden des Staates Mexiko und des Landes Chiapas, sie würden einen Plan zur Erschließung touristischer Ziele auf der Mayaroute voran treiben. Das Projekt solle die für Ökotourismus ausgewiesenen Ortschaften einschließen und verstehe sich als eine Strategie zum Erhalt und zur Entwicklung des lakandonischen Regenwaldes. Darüber hinaus nannten sie die Namen von weiteren sieben Gemeinden, die so bald wie möglich geräumt werden würden.
November 2009
Oktober 2009
10. Oktober:
Präsident Calderón löst die staatseigene „Zentrale Licht- und Stromgesellschaft“ (LFC) auf, entlässt über 41.000 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter und schafft so de facto die Gewerkschaft der Mexikanischen Elektrizitätsarbeiter (SME) ab – angeblich wegen „zu teurem“ Gesamtarbeitsvertrag, ineffizientem Service sowie Uneinigkeit über die Wahl des Gewerkschaftsbosses. Kurz nach Mitternacht wurden 91 der 103 Installationen der LFC von Truppen und Bundespolizei besetzt. Diese Gewerkschaft galt als eine der unabhängigsten und streitbarsten in ganz Mexiko.
16. Oktober:
Laut einem Bericht des UN-Menschenrechtshochkommissariats (UNHCR) wurden in Mexiko im Zeitraum Januar 2006 bis August 2008 128 MenschenrechtlerInnen Zielscheibe von Gewalt.
29. Oktober:
Gloria Arenas und Jacobo Silva Nogales (ehemalige Anführer der Guerilla ERPI) werden nach 10 Jahren Haft und jahrelangen intensiven, auch internationalen Protesten freigelassen. Gloria und ihr Ehemann Jacobo wurden im Oktober 1999 intern verraten, fälschlicherweise für den Tod eines Unbeteiligten während eines Gefechts zwischen dem ERPI und der Bundesarmee verantwortlich gemacht und in der Haft schwer gefoltert. Die beiden definierten sich selber immer als politische Gefangene und sind heute in der von den Zapatistas initiierten Anderen Kampagne organisiert.
31. Oktober:
Drei Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren werden in der Sierra Coyuca de Catalán ermordet. Die Burschen waren von ihrem Heimatort Puerto las Ollas aufgebrochen, um Dünger zu kaufen. Hintergrund der Morde ist, dass lokale Kaziken gemeinsam mit den Drogenkartellen und dem Militär die illegale Abholzung der Sierra betreiben. Die Bevölkerung, welche sich gegen den Raubbau an der Natur organisierte, lebt heute eingeschlossen in ihren Dörfern, die Männer schlafen in den Wäldern aus Angst vor nächtlichen Angriffen, ausgesät wird nicht mehr.
September 2009
8. September:
Der Rat der Guten Regierung von La Realidad stellt sich hinter die Compañeros von Che Guevara, die von regierungstreuen Gruppen mit der Räumung bedroht und gewaltsam angegriffen werden: „Wir werden unser Land verteidigen!“
18. September:
Etwa 60 Männer und Frauen (Mitglieder der regierungsnahen „Organisation zur Verteidigung der indigenen und bäuerlichen Rechte – OPDDIC“) attackieren den Anwalt Ricardo Lagunes mit Steinen, Stöcken und Schusswaffen, als dieser sich nach einer Besprechung in der Gemeinde Jotolá auf den Heimweg machen will. Der Anwalt, der für das international renommierte Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas arbeitet, wird schwer zusammengeschlagen, kann jedoch fliehen, da ihm die Gemeindemitglieder zu Hilfe eilen. Bei der Befreiungsaktion schossen die Paramilitärs in die Menge und treffen den Tzeltal-Indigenen Carmen Aguilar Gómez aus San Sebastian Bachajón in den Oberschenkel.
Der Menschenrechtsanwalt Lagunes hatte sich in Jotolá aufgehalten, um mit den dort lebenden oppositionellen Kleinbäuerinnen und -bauern die juristische Situation zweier inhaftierter Dorfbewohner zu erörtern. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind Landstreitigkeiten und umstrittene Entwicklungsprojekte in der Region. Sowohl die chiapanekische als auch die mexikanische Bundesregierung fördern Monokulturen, Autobahnen und Tourismusprojekte in Zusammenarbeit mit multinationalen Konzernen, ohne die jeweils betroffenen Gemeinden zu konsultieren.
August 2009
13. August:
Rund zwölf Jahre nach dem Massaker von Acteal werden 20 mutmaßliche Täter aus dem Gefängnis entlassen. Im ersten Prozess habe es juristische Fehler gegeben, urteilt das Oberste Gericht.
Vertreter der Indígenas kritisieren die Entscheidung und warnen vor einem Wiederaufflammen der Gewalt. Die Paramilitärs seien durch das Urteil gestärkt worden, sagt Sebastian Perez Vazquez, Sprecher der „Las Abejas“: „Die Überlebenden sind sehr enttäuscht und empört über die Freilassung der Paramilitärs, denn sie alle sind uns als Täter bekannt.“
Menschenrechtsvertreter bezeichnen den Entscheid des höchsten Gerichtes als Schritt von der „unperfekten Justiz hin zur perfekten Straflosigkeit“.
Gleichzeitig wird die offizielle Darstellung des Massakers von Acteal durch ein nun bekannt gewordenes Telegramm des US-Büros des Verteidigungsattachés in Mexiko an den Verteidigungsnachrichtendienst der USA (Defense Intelligence Agency – DIA) vom 4. Mai 1999 widerlegt. Diesem Telegramm ist zu entnehmen, dass die mexikanische Armee bereits Mitte 1994 vom Präsidenten autorisiert wurde, lokale indigene Gruppen zu bewaffnen und gegen die EZLN einzusetzen. Ein Netzwerk von Geheimdienstagenten wurde eingerichtet, um indigene Gemeinden zu infiltrieren und Informationen über zapatistische „Sympathisanten“ zu sammeln. Diese Teams bildeten die Paramilitärs aus, sicherten ihnen aber auch Schutz vor Verhaftungen durch Polizei und militärische Einheiten in der Region.
Das DIA-Telegramm eröffnet zuvor unbekannte Details über die Zusammensetzung und Arbeitsweise dieser Teams, die „hauptsächlich aus jungen Offizieren … sowie aus einigen ausgesuchten Feldwebeln, die die Dialekte der Region beherrschten,“ bestanden und „aus drei bis vier Personen zusammengesetzt waren, die bestimmten Gemeinden zugeordnet wurden, um sie für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten zu bespitzeln.“ Danach wurden sie in andere Gemeinden in Chiapas versetzt.
Juli 2009
5. Juli:
Bei den Parlamentswahlen erleiden PAN (28%) und PRD (12%) ein Debakel. Gewinner sind die PRI (37%) und die rechtskonservativen Grünen, die gemeinsam die absolute Mehrheit der Sitze erringen.
Die ungültigen Stimmen verdoppeln sich auf 6% (in Mexiko Stadt sogar mehr als 10%). Fast 60% der WählerInnen gehen gleich gar nicht zur Wahl.
10. Juli:
Im südmexikanischen Bundesstaat Campeche werden fünf Aktivistinnen und Aktivisten der „Anderen Kampagne“, die an der friedlichen Bewegung gegen die überteuerten Stromgebühren teilnehmen, gewaltsam festgenommen. Die Bewegung beteuert, dass die angeblichen Vergehen von der staatlichen Föderalen Kommission für Elektrizität (CFE) „fabriziert“ wurden und die Festnahmen daher völlig illegitim sind. Zudem gibt es Haftbefehle gegen über 20 weitere Aktivistinnen und Aktivisten, insgesamt könnten 250 Personen von juristischer Verfolgung betroffen sein. Aus Perspektive der sozialen Bewegungen stellt die aktuelle Repression seitens der Regierung einen Versuch dar, die rasch anwachsende Bewegung einzuschüchtern und zurückzudrängen.
21. Juli:
In Mitzitón eröffnen Vermummte aus einem Wagen heraus das Feuer auf die ansässigen Ejido-Bewohner. Der Tzotzil-Campesino Aurelio Díaz Hernandez wird angefahren und getötet, fünf weitere Indígenas werden schwer verletzt. Die Angreifer gehören der „Armee Gottes“ an, die von Pastoren der Kirche „Alas de Águila“ geleitet wird.
Sie begreifen sich als „Soldaten“, deren Pflicht es ist, „das Wort Gottes zu verkünden“. Zu ihren Uniformen gehören grüne Militärkappen mit Rangabzeichen, Tarnhosen und Kampfstiefel. Sie führen Militärübungen durch, studieren die Heilige Schrift und stehen in enger Verbindung mit der PRD.
Bereits in den 80er Jahren wurden in Chamula etwa 30.000 Indígenas durch Kaziken vertrieben, deren Katholizismus den Alkoholkonsum als Teil des Gottesdienstes und die obligatorische PRI-Parteizugehörigkeit beinhaltete. Es gab blutige Morde, verwüstete Gehöfte und niedergebrannte Kirchen.
Hintergrundartikel
Juni 2009
11. Juni:
Eine Delegation von mexikanischen Menschenrechtsorganisationen denunziert die sich rapide verschlechternde Menschenrechtslage in Mexiko in der 11. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates. Insbesondere werden willkürliche Verhaftungen, Folter und das Verschwindenlassen von AktivistInnen in den Staaten Guerrero und Oaxaca angeklagt. Diese Repression finde zudem mit einer institutionalisierten Straflosigkeit statt, die insbesondere auch das Militär geniesse.
20. & 21. Juni:
327 Delegierte aus 13 verschiedenen Ländern Lateinamerikas sowie BeobachterInnen aus Europa nehmen im Caracol von Morelia am „1. Treffen gegen die Straflosigkeit“ teil. Sie kritisieren die staatlichen Justizsysteme als Instrument der kapitalistischen Herrschaftsklasse und betonen die autonome Organisierung von unten.
Bericht vom 1. Treffen gegen die Straflosigkeit
Mitte Juni:
Der Menschrechtsaktivist Diego Cadenas Gordillo, Leiter des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba), wird mehrere Tage lang von Männern in Autos mit getönten Scheiben und ohne Nummernschilder verfolgt und fotografiert.
MenschenrechtsaktivistInnen, denen man auf diese Weise folgte, wurden schon häufig Opfer von Angriffen. Übergriffe werden nur halbherzig untersucht, das übliche Ergebnis solcher Untersuchungen ist Straffreiheit.
April 2009
7. April:
In Tuxtla Gutiérrez werden fünf Männer (Mitglieder der Bauernorganisation MOCRI-CNPA-MN) festgenommen, nachdem sie eine Protestaktion vor dem örtlichen Gefängnis organisieren, in dem ihre Familienangehörigen aufgrund falscher Anschuldigungen festgehalten werden. Die Polizei durchsucht auch die Büros der Organisation und beschlagnahmt Computer, Dateien und Akten, Büromaterial und Geld. Während der Haft werden sie geschlagen, brutal an den Haaren gezogen und bedroht.
8. April:
Im Gefängnis von El Amate in Chiapas kreuzigen sich zwei Häftlinge aus Protest gegen Folterungen während ihres Verhörs. Die beiden Männer binden einander auf Holzkreuze, die sie in der Gefängniswerkstatt gezimmert haben, lassen sich Nägel durch die Hände treiben und erst am Abend von Mitgefangenen wieder losbinden.
Die beiden gehören zu einer Gruppe von 23 Mitgliedern einer Landwirte-Gewerkschaft, die seit zwei Wochen für ihre Freilassung und die Wiederaufnahme ihres Falls demonstrieren. Sie wurden gefoltert, um ihnen Mordgeständnisse abzuringen. Eine Woche davor hatten sich bereits vier der Häftlinge die Lippen zugenäht, acht weitere befinden sich seit zwei Wochen im Hungerstreik.
14. April:
Sechs Männer der zapatistischen Gemeinschaft aus San Sebastián Bachajón im Verwaltungsbezirk Chilón werden in Ocosingo festgenommen, als sie gerade Einkäufe tätigen, in die Hafteinrichtung „Quinta Pitiquito“ gebracht, gefoltert und gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, die sie nicht verstanden.
15. April:
Nachdem noch zwei weitere Campesinos der Anderen Kampagne festgenommen werden, organisieren über 100 Aktivisten und Familienangehörige eine Straßenblockade auf der vielbefahrenen Landstraße zwischen Ocosingo und Palenque an der Kreuzung, die zu Agua Azul führt. Die Aktivisten verlangen eine Abgabe und informieren die Autofahrer über den Hintergrund ihrer Blockade.
17. April:
800 Polizisten marschieren auf, woraufhin die Blockade freiwillig aufgelöst wird. Trotzdem greift die Polizei die Demonstranten an, zerstört das kleine Kassenhäuschen der oppositionellen Bauern und entwendet neben Dokumenten und Kleidung 115.000 Pesos; ein enormer Betrag für die bitterarmen Campesinos der Region.
In rund 20 Tageszeitungen werden von der Regierung gleichlautende Artikel veröffentlicht, die die Bauern der „Anderen Kampagne“ als gewalttätige Kriminelle abstempeln. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas und zahlreiche Gruppen der „Anderen Kampagne“ betrachten die Repression als gefährliche Provokation gegen die EZLN und ihr Umfeld und fordern die sofortige Freilassung der Gefangenen.
Hintergrund des Konfliktes sind Versuche, immer mehr bäuerliches Gemeinschaftsland zu privatisieren, um den lukrativen Tourismus in dieser Region auf Kosten der indigenen Gemeinden auszubauen.
März 2009
4.März:
Marcelino Coache wird in Oaxaca von Personen in Polizeiuniform entführt und gefoltert (Marcelino ist Gewerkschafter und ehemaliger Sprecher der APPO und war sechs Monate in Haft). Tage darauf wird Marcelinos Sohn auf der Straße bedroht und verfolgt. Weitere Übergriffe gibt es auch von Seiten des Militärs: So wird ein Bauer bei einer Kontrolle ins Koma geprügelt, ein Händler an der Küste stundenlang gefoltert.
22. März:
Rund 1’500 Polizisten versuchen vergeblich, eine nächtliche Razzia im Großgefängnis El Amate durchzuführen, müssen wegen der massiven Gegenwehr der Gefängnisinsassen aber wieder abziehen. Am Tag darauf beginnen acht indigene Gefangene einen Hungerstreik. Sie sind in den Campesinobewegungen OCEZ und MOCRI organisiert. Ebenfalls wird die Freiheit des Lehrers Alberto Patishtán Gómez gefordert, der seit 2000 wegen mehrfachen Polizistenmordes sitzt, obwohl er ein klares Alibi hat und aus Rache lokaler Politiker eingekerkert wurde. Früher der PRI angehörig, ist der Tzotzil im Gefängnis zu einem Mitglied der politischen Gefangenengruppe „Voz de El Amate“ geworden.
23. März:
Die beiden ehemaligen ERPI-Guerilleros Gloria Arenas Agis und Jacobo Silva Nogales – heute Angehörige der „anderen Kampagne“ – sollen weiter in Haft bleiben. Gloria und Jacobo befinden sich wegen „Rebellion“ seit neun Jahren in Haft und haben diese Strafe nun eigentlich abgesessen. Anstatt der Freilassung droht die Regierung Calderón nun jedoch mit einer neuerlichen Anklage wegen „illegaler Assoziation“.
24.März:
In Guerrero findet eine breite Demo gegen Menschenrechtsverletzungen und Verleumdungen durch die Regierung statt. In den letzten Wochen wurden mindestens sechs Personen vom Militär zum Verschwinden gebracht, darunter ein einfacher Arbeiter aus Tlapa, der seit dem 7. Februar verschwunden ist. In einem anderen Militärüberfall wurden fünf Personen entführt, unter anderem ein Minderjähriger. Die „Koalition der sozialen Bewegungen und Organisationen“ denunziert, dass die Verteidigung der Menschenrechte eine Aktivität mit hohem Risiko ist. Unsicherheit, Mafiagewalt und Militarisierung „sind Indikatoren dafür, dass die dunkelste Epoche zurückkehrt: der schmutzige Krieg“. Die US-Regierung stellt weitere 185 Millionen Dollar bereit, um im Rahmen des „Plan Mérida“ Militär- und Polizeihilfe an Mexiko zu leisten, meist über US-Firmen. „Präsident Barack Obama bewundert den Mut und die Entschlossenheit seines Amtskollegen Calderón in der Konfrontation und Zerstörung der Drogenkartelle. Wir stehen Schulter an Schulter mit ihm in diesem Kampf“, tönt es aus dem Weißen Haus.
Februar 2009
4. Februar:
Ein Gutachten des Obersten Gerichtshofs stellt schwere Rechtsverletzungen bei der Polizeiaktion in Atenco fest: Der Einsatz der Staatsgewalt war disproportioniert, ineffizient und unverantwortlich. Er erfolgte „auf exzessive, disproportionierte, ineffiziente, unprofessionelle und nachlässige Weise“
Das Vorgehen der Behörden, so heißt es weiter, hat ein negatives Ergebnis, „da es Misstrauen gegen den Staat und Angst vor den Polizeibehörden schürt [.], die ihrerseits einen fruchtbaren Boden für Unsicherheit, Ungerechtigkeit und Straflosigkeit bereiten. Denn wer kein Vertrauen in seine Polizei und Institutionen der öffentlichen Sicherheit hat, wird auch nicht bereit sein, Verbrechen anzuzeigen, und noch viel weniger mit den Behörden zusammenarbeiten, um diese zu verhindern oder aufzuklären“.
Weiterhin wird gewarnt: „Es nützt nichts, dass unser Land die Menschenrechte in Gesetzen, Staatsverträgen und Diskursen anerkennt, wenn diese in der Realität verletzt werden – in diesem Fall von Staatsbeamten – und diese Verletzungen, auch wenn sie nicht auf institutionellen Befehl erfolgt sind, ungestraft bleiben und die Opfer keine Gerechtigkeit erhalten“.
In einer Aussendung kommentiert die FPDT (Volksfront zur Verteidigung des Landes) das Urteil folgendermassen:
„Bei den schweren Menschenrechtsverletzungen hat es sich nicht um die Tat einzelner Polizisten gehandelt, sondern um eine repressive Aktion im Rahmen einer Staatsstrategie. Das Gerichtsurteil dient somit dazu, die Einrichtung eines Polizeistaates zu legitimieren, wie es in dem wiederholten Einsatz der mexikanischen Armee und der Polizeikräfte in dem so genannten Krieg gegen das Verbrechen zu sehen ist, sowie in der Konfrontation mit den sozialen Bewegungen, bei der Strategien der Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren und zu versuchen, Organisationen wie die Volksfront zur Verteidigung des Landes in Atenco zu vernichten. Mit diesem Urteil wird bestätigt, dass es sich bei der Repression um nichts anderes handelt als um eine Bestrafung der Bevölkerung von Atenco, als eine Bestrafung für unseren Kampf für Land, Gerechtigkeit und Freiheit. […] Dieses Gerichtsurteil zeigt die Nutzlosigkeit dieses Regierungsorgans und die beschränkte reflexive Fähigkeit seiner Richter.“
Ende Februar:
Die Zapatistas denunzieren neue Überflüge und eine Militäraktion in den Altos von Chiapas, unweit von San Andres Larrainzar, die unter dem Vorwand von Anti-Drogen-Operationen durchgeführt werden. „Man sieht ganz klar, die Regierung hat den Plan, Krieg gegen uns zu führen“, so die ZapatistInnen. „Wenn die Armee kommt und die Marihuanapflanzen der Paramilitärs sucht, dann reißen sie immer nur die größten Pflanzen aus, lassen den Rest aber stehen. Sie kommen, um selbst zu ernten. Sie wissen genau, wohin sie gehen müssen, wem welches Grundstück gehört. Diejenigen, die wirklich Marihuana anbauen, bleiben auf freiem Fuß“, beschreibt das Kommuniqué der Guten Regierung die Abläufe vor Ort.
Januar 2009
Ende Dezember 2008 / Anfang Januar 2009:
In den zapatistischen Gemeinden wird mit dem „Festival der würdigen Wut“ der 15. Jahrestags des Aufstands gefeiert. Das zweiwöchige Festival hatte in Mexiko Stadt begonnen, war auf rebellischem Gebiet fortgesetzt worden und geht auf dem Gelände der CIDECI, der Universität der Erde in San Cristóbal, zu Ende.
Kleinbäuerliche und indigene soziale Bewegungen wie die weltweit operierende Organisation „Via Campesina“ oder der „Nationale Indigene Kongress“ (CNI) aus Mexiko weisen auf die Notwendigkeit einer auf regionalen Produkten basierenden Ernährung der Menschen und der Abkehr von der exportorientierten Sachzwanglogik des Weltmarkts hin.
Sylvia Marcos, feministische Aktivistin aus Mexiko, hebt hervor, daß der Widerstand der in der EZLN organisierten Frauen erheblich dazu beigetragen hat, daß sich der urbane, akademische Feminismus und der der kämpfenden bäuerlich-indigenen Frauen einander annähern konnten.
Ein weiteres Thema des internationalen Treffens ist neben alternativen Formen von Kultur die Kritik an den herrschenden Medien und die Suche nach einem ethischen Journalismus „von unten für unten“.
John Holloway, Soziologe und Autor des Buches , Die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen‘, betont die Notwendigkeit der Gesellschaften, sich aus ihrer Opferrolle im kapitalistischen System zu befreien, um deutlich zu machen, dass sie „nicht Opfer sondern Menschen sind. Es reicht! Wir werden nichts von niemandem erbitten, wir werden nicht auf die Zukunft hoffen, weil sie nicht einfach so kommt. […] Wir werden auf eine andere Art leben, die sich weder dem Kapital anpasst noch den Anforderungen der kapitalistischen Produktion unterwirft. Nicht nur durch Demonstrationen, sondern indem wir eine andere Sache aufbauen und die Welt, die wir schaffen wollen, schon jetzt leben. Die ZapatistInnen kämpfen, während sie schon in der Welt leben, die sie erschaffen wollen und die weit über die Welt des Kapitalismus hinausgeht.“
Darüber hinaus stellt er bei seiner Betrachtung der internationalen Finanzkrise dar, dass diese auf zwei Arten erklärt werden kann: „Die scheinbar offensichtlichste Erklärung ist, die Verantwortung für die Krise dem Kapitalismus zuzuschreiben und gleichzeitig […] mehr Arbeitsplätze und Unterstützungsleistungen für die Armen zu fordern und für die Durchsetzung dieser Forderungen auf Führungspersönlichkeiten zurückzugreifen. Die andere Art und Weise mit der Krise umzugehen ist zu sagen, dass es so einfach nicht ist: Wir selbst tragen durch unsere Rebellion die Verantwortung für die Krise. Die Existenz des Kapitals ist abhängig von einer immer absoluteren Unterwerfung im Rahmen der damit einhergehenden entfremdeten Arbeitsverhältnisse. Und die momentane Krise resultiert aus den Wellen der Widerspenstigkeit und Gehorsamsverweigerung der letzten 40 Jahre.“
Raúl Zibechi unterstreicht die Entstehung einer neuen Generation sozialer Bewegungen. Dies geschieht zur selben Zeit, in der die Regierungen an Einfluss und Legitimation verlieren, weil sie Versprechen gegenüber der Bevölkerung weder konkret ausgestalten noch umsetzen: „Jedes Mal, wenn, los de abajo‘ („die von unten“) vorherrschende Formen der Dominanz brechen, treten andere, verfeinerte und mehr ausgearbeitete Dominanzstrukturen hervor.“
Am Morgen des dritten Tages des Ersten weltweiten Festivals der würdigen Wut werden die Stimmen der Menschen gehört, die von Repression in Mexiko betroffen waren und sind. Diese Repressionen sind, so Bárbara Zamora, „ein von der Macht organisierter Akt, um mit Gewalt die politischen und sozialen Aktionen sowie die Verteidigung der Ressourcen und Ländereien der Gemeinden aufzuhalten und zu bestrafen“.
Für die politischen Gefangenen ist jeder Tag im Gefängnis „unbeschreiblich“: nicht nur wegen der entwürdigenden Tatsache, wegen der Verteidigung ihres Landes eingesperrt zu sein, sondern auch wegen der Qual, getrennt von ihren Familien und Kindern zu sein, die jedes Mal, wenn sie sie besuchen, unzähligen Demütigungen ausgesetzt sind. „Aber sie genauso wie wir müssen den Kampf fortsetzen“ erklären die politischen Gefangenen: „Wir geben uns nicht auf, unter Genossen teilen wir unsere Wut und tiefe Verärgerung. Die Macht hat uns erschüttert: an einem Tag Vertreibung und am anderen Tag Mord, Folter und Schläge. Sie tun so, als ob wir nicht atmen, als ob wir nicht unser Recht ausüben, zu denken und als ob wir uns der Paranoia und der Angst unterwerfen“.
Xaureme Candelario, Führungspersönlichkeit der Huichol aus der Gemeinde Santa Catarina in Jalisco, klagt in seinem Redebeitrag die bundesstaatliche Regierung von Emilio González (PAN) an. Mit Hilfe der Nationalen Kommission für die Entwicklung der Indigenen Völker (Comisión Nacional para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas) wird beabsichtigt, die Gemeinden, die sich dem Bau einer Strasse widersetzen, zu spalten. Dies geschieht durch Angebote für Baumaterialien und Gemeindeprojekte im Wert von 50 Millionen Pesos.
Bei dem Treffen tritt nach einem Jahr medialer Abwesenheit auch Subcomandante Marcos, Sprecher und Militärkommandeur der EZLN, wieder auf, der die Gelegenheit nutzt, die politische Situation und die Politik der EZLN und weiterer außerparlamentarischer Gruppen aus dem direkten Umfeld zu erläutern. Marcos ruft die anwesenden Aktivisten dazu auf, trotz aller Differenzen einen parteiunabhängigen linken Kampf „gegen den Kapitalismus und für die Menschheit“ zu führen. Gleichzeitig bittet er die Anwesenden, nicht nach einer Homogenisierung der sozialen Bewegungen zu streben: „Machen wir aus unserer Stärke keine Schwäche. Daß wir so viele und so verschieden sind, wird uns erlauben, die sich nähernde Katastrophe zu überleben und etwas Neues aufzubauen“.
Anfang Januar:
In der ersten Januarhälfte kommt es zu drei Auseinandersetzungen zwischen Zapatistas und anderen Bauernorganisationen. Zwei Dutzend Personen werden dabei verletzt. Die Konflikte eskalieren insbesondere um die Kontrolle über „ökotouristische“ Tourismusattraktionen. Die Aktionen der Zapatistas begannen nach dem Massaker von Chinkultik vom 3. Oktober, wo sechs (nicht-zapatistische) Dorfbewohner nach der Räumung einer besetzten archäologischen Stätte von der Polizei ermordet wurden. Auch der Zugang zu den Ruinen von Palenque wird Anfang Januar für ein paar Stunden von Zapatistas besetzt.
11. Januar:
Der APPO-Aktivist Ruben Valencia Nunez wird am Weg zum politisch-kulturellem Zentrum „CASOTA“ im Zentrum von Oaxaca Stadt von drei Angreifern schwer verletzt. Ruben erleidet mehrere Stichwunden im Hals- und Gesichtsbereich. Dieser Angriff stellt nur die Spitze des Eisberges da und folgt einer langen Reihe von Aggressionen, Einschüchterungen und Verhaftungen gegen Genossen aus den sozialen Bewegungen in den letzten Monaten. Er demonstriert die autoritäre und illegale Strategie des Staates und den Beginn einer neuen, gefährlichen Form von staatlicher Repression, ausgeführt von paramilitärischer Polizei, Paramilitärs und Verbrechern im Dienst der schlechten Regierung von Ulises Ruiz Ortiz im Stil des schmutzigen Krieges.
31. Januar:
Der politische Gefangene Abraham Ramírez Vásquez wird von einem schwer bewaffneten Polizeitrupp aus dem Gefängnis in Pochutla, Oaxaca, mitgenommen und taucht erst zwei Tage später im Gefängnis von Miahuatlán wieder auf. Abraham ist führendes Mitglied des Comité por la Defensa de los Derechos Indígenas en Xanica (CODEDI-Xanica) – einer dörflichen Organisation zur Verteidigung der indigenen Rechte und befindet sich seit Jänner 2005 in Haft.
Damals war er zusammen mit Noel und Juventino Garcia Crúz bei der Verrichtung einer Gemeinschaftsarbeit in seinem Dorf von einem Polizeitrupp angeschossen und wegen angeblichem Mord an einem Polizisten, Entführung und schwerer Körperverletzung verhaftet worden. Trotz eindeutig entlastender Beweise befinden sich die drei CODEDI-Mitglieder seitdem in Untersuchungshaft, d.h. seit nunmehr über vier Jahren.
November 2008
November:
Berta Muñoz, auch bekannt als Doctora Escopeta, kehrt nach zwei Jahren Exil nach Oaxaca zurück, obwohl es keinerlei Garantien für ihre Sicherheit gibt. In einer sehr persönlichen, berührenden Ansprache begründete sie Exil und Rückkehr. Die Ärztin war 2006 auf den Barrikaden und in den Marchas für die Sani verantwortlich und animierte als Radiomacherin aus dem besetzten Radio Universidad die Leute, den Kampf weiterzuführen, als die PFP die Stadt Oaxaca in Beschlag nahm. Sie galt deshalb als wichtiges Sprachrohr der Bevölkerung, die sich in der APPO artikuliert und ist eine der verschiedenen AktivistInnen, die nach der Repression vom 25. 11. 06 ins Exil gehen mussten.
Zu ihrer Rückkehr siehe das sehenswerte Videointerview von mal de ojo (10 min., spanisch mit englischen Untertiteln). Zu Bertas Arbeit in Radio Universidad siehe u.a. Eine Geschichte des Widerstands.
Oktober 2008
2. Oktober:
Vierzig Jahre nach dem Massaker von Tlatelolco gedenken rund 30.000 Menschen der Opfer und fordern eine vollständige Aufklärung. Bei den Protesten in der mexikanischen Hauptstadt werden 20 Menschen festgenommen und 18 Polizisten leicht verletzt. Die Auseinandersetzungen beginnen, als Studenten versuchen, öffentliche Gebäude mit Graffiti zu bemalen. Wenige Tage vor Eröffnung der Olympischen Spiele 1968 hatten Polizei, Armee und unbekannte Bewaffnete das Feuer auf tausende Studenten eröffnet, die friedlich im Stadtteil Tlatelolco demonstriert hatten. Bis heute ist nicht einmal die genaue Zahl der Opfer bekannt.
3. Oktober:
In Chincultik nahe der berühmten Lagunas de Montebello verüben lokale Polizeieinheiten ein Massaker, bei dem 6 Indígenas sterben, darunter drei Verletzte, die mit einem Gnadenschuss hingerichtet werden.
Hintergrund ist der Streit um die Nutzung der archäologischen Stätte, welche von der Dorfbevölkerung vor einem Monat mit dem Argument besetzt wurde, dass sie von den Behörden vernachlässigt werde und dass die Gemeinde zu wenig von den Einnahmen erhalte. Eigentlich waren Verhandlungen mit der chiapanekischen Regierung im Gange, um den Konflikt zu lösen. Die letzte Verhandlungsrunde fand am 2. Oktober statt, doch einen Tag darauf dringen mehrere hundert Polizisten (PFP und PEP, bundesstaatliche und föderale Einheiten unter Militärkommando) in die Zone ein, räumen diese und dringen auch in das Dorf ein, wo sie Tränengas auch gegen die Schule einsetzten, worauf die Bevölkerung sich mit Stöcken und Macheten (aber ohne Schusswaffen) wehrt und 77 Polizisten gefangen nimmt und entwaffnet. Im Verlaufe der weiteren Eskalation gibt es über 20 Schussverletzte und zwei Tote. Drei Schwerverletzte werden vom Bewohner eines Nachbardorfes mit seinem Auto abtransportiert, um sie ins Spital zu fahren. Die Polizeieinheiten halten das Fahrzeug auf, töten die drei Schwerverletzten mit einem „Gnadenschuss“ und exekutieren den Fahrer vor den Augen seiner Ehefrau. Einem der Schwerverletzten stechen sie zudem ein Auge aus.
Dieses brutale Massaker ist im Kontext der Kriminalisierung der sozialen Bewegungen zu sehen, die sich im Rahmen der Militarisierung und der „Terrorbekämpfung“ zuspitzt.
Oktober:
Militäreinsatz gegen den Lehreraufstand in Morelos. Die Situation ist kritisch, gleichzeitig weitet sich die Solidarität durch die oppositionelle CNTE aus, es gibt Demonstrationen in 12 Bundesstaaten, darunter Oaxaca, Guerrero, Chiapas und DF. Der direkte Einsatz des Militärs mit Schützenpanzern gegen LehrerInnen und Bevölkerung in Xoxocotla ist ein beunruhigender qualitativer Schritt in der Kriminalisierung der sozialen Bewegungen.
September 2008
15. September:
Wie überall in Mexiko versammeln am mexikanischen Nationalfeiertag sich tausende Menschen am Hauptplatz, um am traditionellen „Grito de la Independencia“ teilzunehmen. Unbekannte werfen in Morelia im Bundesstaat Michoacán zwei Handgranaten in die feiernde Menge, töten 8 Menschen und verletzen über 100.
Regierung und Medien sprechen von „einem Akt des Narcoterrorismus“ und fordern schärfere Maßnahmen – zusätzlich zu den 36.000 Soldaten, die sich bereits im „Kampf gegen die feigen Verrätern des Vaterlandes“ (Calderón) befinden, werden die Einführung der Todesstrafe bis zum unbeschränkten Einsatz der Armee zur Wiederherstellung der Ordnung gefordert. Für Calderon kommt dieser Anschlag zumindest zu einem günstigen Zeitpunkt, da er ihm innenpolitisch Luft und seiner „Politik der Härte“ Unterstützung in der Bevölkerung verschafft.
Anschlag in Morelia
Hintergrund: Der „Drogenkrieg“
August 2008
21. August:
Urteilsverkündung gegen jene FPDT-Aktivisten, die 2006 in Atenco verhaftet wurden: Ignacio del Valle, Anführer der FPDT, wird wegen angeblicher Entführung zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt, die sich zu der Haftstrafe von 67 Jahren und 6 Monaten summieren, zu denen er in einem vorherigen Prozess verurteilt worden war, und die er im Gefängnis von Altiplano abbüßt. 10 weitere Aktivisten werden zu jeweils 31 Jahren, 10 Monaten und 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Noch am selben Abend kommt es zu Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen vor dem Gefängnis.
Juli / August 2008
Juli / August:
Eine Solidaritätsdelegation von 320 Personen aus Europa, Nord- und Südamerika besucht die zapatistischen Gemeinden im Widerstand. Zahlreiche Treffen finden unmittelbar in den Basisgemeinden der EZLN statt. Die zapatistischen Kräfte würden „angesichts der Barbarei des Kapitalismus und seines neoliberalen Modells“ wieder Hoffnung auf eine gesellschaftliche Alternative geben, heißt es auf einer abschließenden Pressekonferenz der Aktivisten in San Cristóbal de Las Casas.
Ziel der internationalen Delegation war es, das Schweigen über die staatliche Repression im Süden Mexikos zu durchbrechen. Am 5. August hatten Delegierte etwa die zapatistischen Siedlungen Hermenegildo Galeana und San Alejandro besucht, die einen Monat zuvor von der Armee überfallen worden waren. Gravierender als die physischen Attacken ist nach Angaben der EZLN der „ökonomische und ideologische Krieg“ gegen die Gemeinden. Mit staatlichen Entwicklungsprogrammen und gezielter Desinformation versuchten Regierungsvertreter, die EZLN-Basis zu spalten. Über Finanzierung von Saatgut oder Baumaterial würden Bewohner der Regionen im Süden bestochen.
Gemeinsam mit den ausländischen Gästen wurde schließlich am 8.August der fünfte Jahrestag der autonomen Selbstverwaltung gefeiert. EZLN-Kommandeur Moisés bekräftigte das Regierungskonzept der zapatistischen Autoritäten: „Wer bei uns regiert, muß der Bevölkerung gehorchen“. Subcomandante Marcos, Sprecher und Militärchef der EZLN, rief zu einer verstärkten Zusammenarbeit linker Basisorganisationen weltweit auf.
Juli 2008
2. Juli:
Video-Aufnahmen mit folterähnlichen Szenen führen zu einem Aufschrei in der mexikanischen Öffentlichkeit. Die Szenen entstanden in der Stadt León bei einem Kurs eines US-Ausbildners mit mexikanischen Polizeikräften.
22. Juli:
Die BewohnerInnen des Dorfes Cruztón südlich von San Cristóbal werden ein weiteres Mal von Polizeikräften angegriffen, als sie versuchen, ihre Wasserquelle zu reinigen und ihre Felder zu bearbeiten. Mehrere EinwohnerInnen der Gemeinde werden durch Schläge verletzt, ein älterer Mann wird vom anwesenden Staatsanwalt einen Hügel hinuntergestoßen und erleidet Schädelverletzungen. Mindestens ein Kind wird durch eine abgefeuerte Tränengaskartusche verletzt, und sogar ein unabhängiger Menschenrechtsbeobachter, der mexikanische Lehrer Víctor Manuel Escobar, wird attackiert und festgenommen. Nachdem Goldvorkommen in der Region vermutet werden, möchte die Regierung den zapatistischen Einfluß zurückdrängen und das Dorf von seinem Land vertreiben.
Juli:
Der scheidende Direktor des Zentrums für Nationale Sicherheit (Cisen), Guillermo Valdés, warnt: Die Rauschgiftkartelle in Mexiko sind im Begriff, „die Macht im Land zu übernehmen“. Calderón gehe zwar mit Härte vor (davon zeugen 4.000 Tote seit Amtsantritt vor knapp 2 Jahren), doch der Kampf gegen die Mafia sei nur mit militärischer Härte nicht zu gewinnen, warnt Edgardo Buscaglia, UN-Berater für organisiertes Verbrechen.
Die organisierte Kriminalität habe in Mexiko solche Ausmaße angenommen, weil der Staat schwach sei und „explizite oder taktische Allianzen“ zwischen Politik, Unternehmern und dem Verbrechen existierten. Der Staat müsse nicht nur die bewaffneten Teile der Kartelle ins Visier nehmen, sondern auch die Finanznetze zerstören und die Korruption in Politik, Justiz und Polizei unterbinden. Doch da tue die Regierung zu wenig.
Juni 2008
4. Juni:
Etwa 200 Provokateure der mexikanischen Armee dringen in den Morgenstunden zunächst in das Caracol von La Garrucha ein und marschieren anschließend auf das Dorf Hermenegildo Galeana zu, dessen BewohnerInnen sie beschuldigen, Marihuanapflanzungen zu betreiben. Durch den heftigen Widerstand vertrieben, überfallen die Soldaten auch noch San Alejandro, wo sie ebenfalls von der Dorfbevölkerung vertrieben werden. Sie drohen, in zwei Wochen wiederzukommen und sich dann nicht aufhalten zu lassen.
Denuncia der Guten Regierung von La Garrucha
Mai 2008
Anfang Mai:
Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Viehzüchtern und konkurrierenden Drogenbanden fordern in Guerrero 17 Tote. Ziel der Angriffe ist insbesondere der Präsident der Viehzüchtervereinigung Rogaciano Alba Álvarez. Der PRI-Politiker verkörpert die Affinität zwischen Drogenhandel, Oberschicht und Politik: Er ist verbandelt mit der Familie Figueroa (Gouverneure in den 70ern und 90ern, polit. Drahtzieher des Massakers von Aguas Blancas), Auftraggeber von lokalen Paramilitärs in der Costa Grande, mutmaßlicher Hintermann der Ermordung der Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa, sowie und selbst mit im Drogenhandelsgeschäft.
Die Menschenrechtsorganisation SIPAZ berichtet von der zum Zerreissen angespannten Situation, die leicht in massive politische Gewalt kippen kann, ganz besonders angesichts der bevorstehenden Wahlen im Oktober.
19. Mai:
Eine Kolonne von 11 Fahrzeugen und etwa 300 schwer bewaffneten Militärs überfällt das Dorf San Jerónimo Tulijá, offizieller Bezirk von Chilón und Autonomer Zapatistischer Bezirk in Rebellion Ricardo Flores Magón, dringt in mehrere Häuser ein und verlässt das Dorf drei Stunden später, um sich direkt am Eingang zu positionieren.
Denuncia des Menschenrechtszentrums FrayBa
Denuncia der Guten Regierung von Morelia
22. Mai:
Im Caracol von Morelia kommt es bei einer Auseinandersetzung zwischen Zapatistas und PRI-Leuten mit Stöcken und Steinen zu ca. 30 Verletzten auf beiden Seiten. Es gab Schüsse in die Luft. Die Lage ist extrem angespannt. Auslöser war, dass den Zapatistas der Strom abgestellt worden war, weil die PRIistas eine Entschädigung für das Land fordern, auf dem das Caracol steht. Entsprechende Verhandlungen mit den Zapatistas sind jedoch gescheitert.
Am Samstag kamen mehr als 600 Zapatistas aus der Umgebung ins Caracol, sie stellten die Stromzufuhr wieder sicher und bewachen seither das Caracol.
Denuncia der Guten Regierung von Morelia
Allein in der vergangenen Woche sind damit insgesamt 18 (ACHTZEHN!) Gemeinden in drei Regionen von Militär- und Polizeiübergriffen betroffen gewesen.
25. Mai:
Etwa 100 Soldaten überfallen das Dorf Laguna del Suspiro.
Denuncia der Bezirksbeauftragten
April 2008
8. April:
Auf dem Weg zum Treffen der indigenen Organisationen in Oaxaca Stadt, werden die Compañeras Teresa Bautista Merino (24 Jahre) und Felícitas Martínez Ramírez (20 Jahre) mit Schusswaffen ermordet. Zwei weitere Erwachsene und ein dreijähriges Kind, die im gleichen Auto unterwegs sind, werden verletzt. Die beiden Ermordeten waren Redakteurinnen des Lokal-Radios „Die Stimme, welche das Schweigen durchbricht“ im autonomen Bezirk San Juan Copala, der im Januar 2007 in der Folge des Aufstandes der APPO gegründet wurde.
9. – 10. April:
In Oaxaca findet das „Foro Estatal por la Defensa de los derechos de los Pueblos de Oaxaca“ (Bundesstaatliche Treffen zur Verteidigung der Rechte der Bevölkerung von Oaxaca) unter dem Titel „La lucha sigue hasta vencer por una Oaxaca libre“ (Der Kampf geht weiter bis zu einem freien Oaxaca) statt. Der grundsätzlichen Kritik des offiziellen Staates, der ökonomischen Ausbeutung und systematischen Unterdrückung folgt der Aufruf zur Zusammenarbeit, zur Bildung einer Allianz unabhängig von den politischen Parteien, ohne Bürokratie und FührerInnen, aufgebaut von unten, in der sich Frauen und Männer gegenseitig respektieren, die hilft, sich der Repression entgegenzustellen. Nur eine starke APPO kann sich der Unterdrückung
entgegensetzen.
27. April:
Polizeiüberfall auf das Dorf Cruztón, ca. zwei Stunden südlich von San Cristobal im Bezirk Venustiano Carranza. Das Land dieser Gemeinde wurde den DorfbewohnerInnen im Jahr 1988 quasi als Entschädigung für hunderte Jahre Sklavendienst durch den früheren Großgrundbesitzer vermacht, von der Regierung jedoch ebenfalls beansprucht und von den legitimen BesitzerInnen am 5. Mai 2007 besetzt. Gegen 5 Uhr morgens stürmen bewaffnete Polizisten das Dorf und treten die Haustüren der BewohnerInnen ein, um alle Männer, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, zu verhaften. Doch beim Abtransport der Gefangenen stellen sich die Frauen des Dorfes den Polizisten in den Weg. Als einer von ihnen ein Gewehrlauf an den Kopf gehalten wird, antwortet sie: „Schiesst nur, wenn ihr wollt. Eines Tages müssen wir sowieso sterben, und wenn schon, dann sterben wir hier wenigstens für die Freiheit unseres Volkes.“ Schließlich werden alle Männer freigelassen, und die Polizisten ziehen wieder ab.
März 2008
2. März:
Neun indigene Gefängnisinsassen und Mitglieder der Gefangenenorganisation „Die Stimme von Los Llanos“ schließen sich dem unbegrenzten Hungerstreik an, der von Zacario Hernández und 13 weiteren Gefangenen geführt wird, ihrerseits Mitglieder der Gefangenenorganisation „Die Stimme von El Amate“. Damit befinden sich nun 22 indigene Gefangene im Hungerstreik. Sie fordern Gerechtigkeit und Freiheit.
Zacario schreibt an Gouverneur Juan Sabines: „Ich für meinen Teil habe beschlossen, in einen Hungerstreik zu treten, der am 12. Februar beginnt und auf unbestimmte Zeit fortgeführt wird. Damit möchte ich meinen Kampf zum Ausdruck bringen, in der Hoffnung, dass meine Freilassung und die meines Bruders Enrique und meines Freundes Pascual so schnell wie möglich angeordnet wird. Falls keine positive Antwort erfolgt, wird meine Familie einen Sarg bringen, um mich an meinem Geburtsort zu begraben“.
Mit dem Beitritt der „politischen Gefangenen“ der „Stimme von Los Llanos“, greift der Streik nun auch auf das Gefängnis von San Cristobal über. Der dramatische Protest der Tzeltal- und Tzotzil-Häftlinge in den Tälern und im Hochland von Chiapas macht die Ungleichheit der Rechtssprechung deutlich und wirft Licht auf die allgemeinen Zustände, denen indigene Gefangene im ganzen Land unterworfen sind: „Als Indígenas und Arme werden unsere Menschenrechte immer wieder verletzt. Man denke nur an die willkürlichen Verhaftungen, die Verurteilungen ohne ordentliche Gerichtsverfahren, die Hinrichtungen und Folterungen aus reinem Vergnügen“.
Mit dieser Aktion versuchen Tiburcio Gómez Pérez, Pedro Guadalupe Enríquez Santiz, Julio César Méndez Luna, José Luis Gómez Morales, Diego Rodríguez Hernández, Guadeloupe Gómez Cruz, Manuel Ruiz Hernández, Antonio Ruiz Pérez und Mario Jiménez López, ihre „Unschuld zu demonstrieren, weil uns durch Folter Delikte untergeschoben wurden, um uns für schuldig zu erklären. Weil wir arm sind, werden wir ignoriert. Für die Reichen gibt es ‚Gerechtigkeit‘, durch die bestehende Korruption“.
3. März:
Militante PRI-Anhänger aus vier Gemeinden von Huitepec fordern die Intervention des Bürgermeisters Mariano Díaz Ochoa aus San Cristóbal, um die Unterstützungsbasen der EZLN zu vertreiben, die das lokale ökologische Gemeindereservat schützen.
11. März:
Der kollektive Hungerstreik der indigenen Gefangenen in den Strafanstalten von Chiapas weitet sich auf insgesamt 36 Gefangene in fünf verschiedenen Gefängnissen aus. Die Gefangenen von Catazajá erklären, sie seien fälschlich schwerer Delikte (Entführung, Erpressung und Mord) beschuldigt worden, da sie als Zapatistas den Interessen der regierungsnahen Paramilitärs der OPDDIC im Wege standen.
Sie werfen dem Gefängnisdirektor und Gouverneur Juan Sabines „unablässige Misshandlung“ vor: „Die Wachen kommen zu dem Ort an dem wir unseren Hungerstreik durchführen, und konsumieren dort Lebensmittel, damit wir uns schlecht fühlen. Sie haben versucht, uns zu unterwerfen, uns den Zugang zur Toilette zu verbieten und uns an einen anderen Ort zu verlegen, wo sie die Schläge und die Misshandlung weiterführen können“.
Offener Brief der Gruppe „Frieden mit Demokratie“
14. & 15. März:
In Oaxaca Stadt findet das „Forum für die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen des Landes“ statt. Neben Erfahrungsberichten von Ex-Häftlingen und Vertretern sozialer Organisationen aus dem Umfeld der Otra Campaña Tabasco & Chiapas gibt es eine Fotoausstellung, Zeitungsartikel und Hintergrundberichte, um darauf hinzuweisen, dass weiterhin viele Personen unter fadenscheinigen Begründungen in Haft sitzen und die soziale Repression nicht aufgehört hat. Der letzte Tag des Forums dient den Familienangehörigen und dem engeren Umkreis der Gefangenen zur besseren Vernetzung, dem Erfahrungsaustausch und der Besprechung des weiteren Vorgehens. Auffällig die Zurückhaltung der Polizei, die die zahlenmäßig kleine Abschlußdemo (inkl. Graffitti-Sprayer) unbehindert gewähren lässt.
23. März:
Die dritte Solidaritätskarawane mit den Gemeinden in Rebellion sieht die zapatistischen Unterstützungsbasen „einer bedrohlichen Situation von Angriffen, Plünderungen, Rechtsverletzungen, falschen Beschuldigungen und Landenteignungen ausgesetzt“. Nach Abschluss einer zehntägigen Rundreise durch 12 Gemeinden und die fünf zapatistischen Caracoles, bestätigen sie, dass „Gefahr für die physische Integrität“ der EZLN Unterstützungsbasen besteht, da „vollständig oder teilweise bewaffnete Gruppen, sowie Polizisten, Elemente der Bezirks-, Staats- und Bundesregierungen völlige Straffreiheit genießen“.
18. März:
Ein erster Erfolg des Hungerstreiks in den chiapanekischen Gefängnissen: Zacario Hernández wird freigelassen, 360 weitere Fälle sollen überprüft werden.
Ende März:
Militarisierung in Ciudad Juarez. Nach der Ermordung des Bauernführers Armando Villareal Martha und der Verhaftungen zweier MenschenrechtsverteidigerInnen (Cipriana Jurado Herrera und Carlos Chavez) übernehmen 2.500 Soldaten die Aufgaben der Polizei.
Das Verteidigungsministerium gibt außerdem bekannt, dass die „Organisation Carillos Fuentes“ angeblich beabsichtigt, das Militär dadurch zu verunglimpfen, dass Mitglieder ihrer Organisation sich als Soldaten tarnen, um Überfälle und Massenvergewaltigungen durchzuführen und das Militär in Verruf zu bringen.
Menschenrechtsorganisationen warnen vor der Verharmlosung des Drogenkartells als „Organisation“, wodurch noch dazu auch soziale Organisationen zumindest diskursiv in die Nähe des Drogenhandels gerückt werden. Durch die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums wird jede Kritik am Militär zu einer Unterstützung der Drogenmafia, jede künftige Menschenrechtsverletzung durch Militärs kann auf angebliche „falsche Militärs“ abgeschoben werden.
31. März:
Als Ergebnis der Mitte März eingerichteten Arbeitsgruppe „Versöhnung“ werden 137 indigene Gefangene von der Regierung in Chiapas freigelassen, darunter auch 29 Hungerstreikende, die ihren Protest unter immer größeren gesundheitlichen Problemen wie Bluterbrechen und Organschädigungen 38 Tage lang aufrecht erhalten hatten. Die Freigelassenen schließen sich sofort dem Protestcamp der Angehörigen in Tuxtla an, um auch die Freilassung der übrigen zapatistischen Gefangenen zu fordern. Der Hungerstreik wird auf Ersuchen von Bischof Samuel Ruiz abgebrochen.
Februar 2008
1. Februar:
Eliseo Silvano Espinosa und sein Vater, die gerade eine Hütte für die Campamentistas der Menschenrechtsbeobachtung aufbauen, werden in der Gemeinde Betel Yochip‘ von staatlichen Polizisten und zwei bewaffneten Unbekannten am Bein angeschossen und schwer zusammengeschlagen. Danach werden sie nach Palenque verfrachtet, im Polizeigebäude sieben Stunden lang gefoltert und gezwungen, sich Skimasken überzuziehen, Waffen zu halten und sich damit fotografieren zu lassen.
Nach heftigen Protesten durch Menschenrechtsorganisationen werden die beiden eine Woche später wieder freigelassen, sind durch die zugefügten Verletzungen jedoch schwer gezeichnet und traumatisiert.
Bericht des Menschenrechtszentrums FrayBa (San Cristóbal)
16. Februar:
Die 6. Delegation der Internationalen Menschenrechtskommission CCIODH präsentiert ihren Abschlussbericht: Vergangene Empfehlungen wurden nicht berücksichtigt, die Straflosigkeit von Beamten und Paramilitärs besteht weiter, zahlreiche neue Fälle von systematischen Menschenrechtsverletzungen wurden aufgedeckt.
Schlußfolgerungen und Empfehlungen für Chiapas
Schlußfolgerungen und Empfehlungen für Oaxaca
Schlußfolgerungen und Empfehlungen für Mexiko
22. – 24. Februar:
Repräsentanten und Autoritäten der indigenen Völker der Nahuas, Triquis und Mixtecos bereisen das autonome zapatistische Gebiet. Sie überzeugen sich von der Funktionsweise der JBG und bestätigen die „Aggressionen, Drohungen und Angriffe“ von Seiten der Regierung.
26. Februar:
Im autonomen Bezirk Vicente Guerrero kommt es erneut zu Übergriffen von 3 OPDDIC-Mitgliedern gegen die BewohnerInnen des 1994 besetzten Landes durch dessen angebliche „Besitzer“.
28. Februar:
2.000 OPDDIC-Mitglieder treten in Ocosingo aus dieser Organisation aus und schließen sich dem CNC (Nationaler Campesinoverband der PRI) an. Ein Zeichen der Schwächung aufgrund der weltweit anhaltenden Proteste gegen die OPDDIC-Aggressionen oder lediglich eine weitere Maskerade?
Januar 2008
13. Januar:
Ernesto Hernández Gómez von der Zapatistischen Unterstützungsbasis Ejido Santa Rosalía wird auf der Landstraße Comitán – La Trinitaria (wo er sich unerklärlicherweise befand) von einem Auto angefahren und getötet.
Der Rat der Guten Regierung von Morelia erklärt: „Sein Tod erfolgte nur, weil er an den Versammlungen teilnahm und seine Rechte gegen die Ungerechtigkeiten verteidigte, die im Ejido geschehen, und die Antwort, die er von den PRIistischen Kaziken erhielt, war der Tod“.
Die Staatsanwaltschaft nutzt die Gelegenheit, um am 22. Jänner die Verhaftung zweier Familienangehöriger des Opfers anzuordnen. Sie werden von drei Unbekannten in einem schwarzen Lieferwagen ohne Autokennzeichen ergriffen und direkt in das Staatsgefängnis El Amate geschafft, wo sie eine Woche lang festgehalten werden.
25. Januar:
Eine Spanierin, die im Mai 2006 in Atenco verhaftet und deportiert wurde, reicht vor dem spanischen Gericht Audiencia Nacional Anklage gegen Mexiko ein. Sie wirft der mexikanischen Regierung Folter vor und beruft sich auf die Prinzipien der internationalen Menschengerichtsbarkeit.
Am selben Tag werden sieben AktivistInnen nach 20 Monaten Haft vom Vorwurf der Entführung freigesprochen und entlassen, darunter Guillermo Selvas Pineda, der Arzt der „Anderen Kampagne“ (er versorgte den schwerverletzten Studenten Alexis Benhumea) und seine Tochter und Assistentin Mariana Selvas Gómez. Bereits zwei Tage vorher wurden 53 Verfahren gegen Mitglieder der FPDT von Atenco eingestellt.
Dezember 2007
13. – 17. Dezember:
Im Gedenken an Andrés Aubry findet in San Cristóbal die Tagung „Planet Erde – Antisystemische Bewegungen“ statt, bei der Marcos ankündigt, sich in nächster Zeit von der Öffentlichkeit zurückzuziehen, um sich auf seine Aufgabe als Oberbefehlshaber der EZLN zu konzentrieren: „Die Zeichen des Krieges am Horizont sind klar. Krieg, wie Furcht, hat einen Geruch. Und sein übel riechender Gestank ist auf unserem Land bereits zu verspüren“.
Auf dem Weg zu neuen Antikapitalismen? (Luz Kerkeling)
Zapatistische Alarmstufe rot (Naomi Klein)
Weder Zentrum noch Peripherie (Sub Marcos)
22. Dezember:
In der kleinen indigenen Gemeinde Acteal im Hochland von Chiapas versammelten sich über 1000 Menschen aus 21 Ländern, um des dutzendfachen Mordes zu gedenken, der in diesem Ort vor zehn Jahren von regierungsnahen Paramilitärs verübt wurde.
Angst vor einem neuen Acteal (Thomas Zapf)
29. Dezember 2007 – 1. Januar 2008:
In La Garrucha findet das erste zapatistische Frauentreffen statt. Über 1.000 Frauen der indigenen Gemeinden diskutieren ihre Erfolge und Schwierigkeiten seit Beginn des Aufstands. Männer sind nur außerhalb des Versammlungsraums zugelassen, um Brennholz zu holen, Essen zu kochen und sich um die Kinder zu kümmern.
Männer an die Kochtöpfe (Luz Kerkeling)
„Wir können viel vom Mut der Zapatistinnen lernen“ (Interview mit Nikola Siller)
November 2007
November:
Die Übergriffe der OPDDIC gegen die zapatistischen BewohnerInnen von Bolón Ajaw (Gebiet von Roberto Barrios) werden immer heftiger. CAPISE entsendet angesichts der gefährlichen Lage ein ziviles Beobachtungsteam.
siehe Denuncias vom November 2007
Oktober 2007
4. Oktober:
Zum ersten Mal während der Anderen Kampagne wird der Wagen der Sechsten Kommission der EZLN mit Delegado Zero am militärischen Kontrollpunkt von Mazatlán, Sinaloa aufgehalten. Nach der Weigerung, sich durchsuchen zu lassen, konnte die Reise zum Treffen der Indigenen Völker in Vicam, Sonora nach größerem Zeitverlust fortgesetzt werden.
11. – 14. Oktober:
In Sonora findet das erste Treffen der indigenen Völker von Amerika mit über 500 Delegierten von 67 indigenen Völkern statt. Im Mittelpunkt stehen die Kampfansage gegen das kapitalistische System und die Forderung nach echter Autonomie.
Bericht vom Treffen: „Die Zeit der Indígenas“
Redebeiträge von Sub Marcos
Radiointerview über das Treffen
September 2007
11. September:
Neun Campesinos werden von ungefähr 50 Einwohnern des Ejidos Agua Azul, Mitglieder der OPDDIC, mit Macheten, Schlägen und Schüssen angegriffen. Drei Zapatisten werden gefangen, mit Macheten und Fäusten geschlagen, mit der Ermordung bedroht und der örtlichen Polizei übergeben.
Ihr „Verbrechen“: Sie leben in der Gemeinde Bolom Ajaw, flussabwärts, an einem fast unberührten Ufer des beliebten Kurbadeortes Agua Azul. Der Zugang zu ihrer Gemeinde ist seit dem 5. September durch die OPDDIC mit einem Drahtzaun blockiert, wodurch es den zapatistischen Campesinos unmöglich ist, ihre Ernte einzuholen und frei zu verkehren.
Nachdem die entkommenen Zapatistas in Bolom Ajaw Alarm schlagen, sammeln sich etwa 40 unbewaffnete Zapatistas, um ihre Compañeros zu befreien. Um den Abtransport der Gefangenen zu verhindern, fällen sie zwei Bäume, um die Straße zu blockieren, und reissen den Strommast nieder, wodurch in Agua Azul alle Lichter ausgehen. Die Gefangenen werden schliesslich freigelassen und von ihren Compañeros in eine Klinik in Palenque gebracht.
August 2007
3. – 6. August:
Auf dem Zócalo in Mexiko Stadt findet ein landesweites „tribunal popular“ statt . Bei der Verhandlung werden drei Instanzen gebildet, welche die Situation und die Verantwortlichkeiten jener, welche die grundlegenden Menschenrechte verletzt haben, in Oaxaca, Salvador Atenco (Repression gegen Blumenmarkt und Selbstorganisation), Pasta de Conchos (Methangrubenunfall), Ciudad Juárez (Frauenmord), Sicartsa (blutig niedergeschlagener Stahlarbeiterstreik in Michoacan) und La Parota (Stauzielerhöhung in Guerrero) analysieren. Diese Instanzen sind: eine Volksanwaltschaft, deren Aufgabe es ist, die Beweise und Zeugenaussagen gegen die „Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ zusammenzustellen, ein Richter, welcher die vorgebrachten Elemente analysiert und ein Volkstribunal, welches die abschließende Entscheidung gegen die Verantwortlichen spricht.
6. August:
Zwei Drittel der Stimmberechtigten enthalten sich bei den Wahlen in Oaxaca ihrer Stimme.
11. & 18. August:
Insgesamt sechs kleine Dörfer im Naturreservat Montes Azules, die sich weigern den, Wald zu verlassen, als das Amt für Landwirtschaftsreformen mit dem Umsiedlungsprozess beginnt, werden gewaltsam geräumt. Fünf weitere Niederlassungen sind von der Räumung bedroht, da sie sich auf den 36.000 Hektar Land befinden, die dem Biosphärenreservat kürzlich hinzugefügt wurden.
Mit mehreren Hubschraubern werden bewaffnete Polizisten in dunkelblau-
schwarzen Uniformen eingeflogen, die die Menschen an den Haaren zerren und mit Gewalt aus ihren Häusern treiben. Ohne irgendeine Erklärung werden sie mit den Hubschraubern fortgeschafft, auf einen Lastwagen der Sektorpolizei verladen und am folgenden Tag in die Quinta [Landhaus] Santa Isabel gebracht im Barrio von Pamalá, Bezirk La Trinitaria, wo sie seither festgehalten werden.
Denuncia der JBG von La Realidad
Juli 2007
15. Juli:
Die „Revolutionäre Volksarmee“ (EPR) meldet sich mit einer Anschlagsserie auf Installationen des staatlichen Erdölkonzerns Pemex zurück: In den nördlichen Bundesstaaten Guanajuato und Queretaro wurden Gasleitungen in die Luft gesprengt und ein Treibstofflager in Brand gesteckt.
Die marxistisch-leninistische EPR galt Ende der neunziger Jahre als die schlagkräftigste und am besten bewaffnete Gruppierung der damals auf ein gutes Dutzend geschätzten Guerillagruppen im Land, bis sie durch militärische und geheimdienstliche Aktionen der Regierung zerschlagen sowie durch interne Auseinandersetzungen gespalten wurde.
Seit der Verhaftung von drei EPR-Mitgliedern am 25. Mai im Bundesstaat Oaxaca kündigte die EPR den Beginn einer Kampagne „landesweiten Störfeuers gegen die Interessen der Oligarchie und der illegitimen Regierung“ an. Die Aktionen sollen so lange weitergehen, bis die drei Guerilleros lebend präsentiert werden.
Ursprünglich hatten der Pemex-Konzern und die Behörden versucht, den „Bruch“ der Leitungen und die daraus resultierenden Großbrände mit technischen Unzulänglichkeiten zu erklären und als „Unfälle“ zu deklarieren. Das in den Medien verbreitete EPR-Kommunique durchkreuzte diese Strategie.
Interview mit Carlos Montemayor
7. Juli:
Mitglieder von Nicht-Regierungs- Organisationen und Einwohnern von Viejo Velasco Suárez finden die möglichen Überreste von zwei der vier Indígenas, die am 13. November 2006 während eines bewaffneten Angriffs durch Comuneros des Dorfes Nueva Palestina entführt wurden. Die mexikanische Regierung, die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) um einen Bericht über den Fall ersucht wurde, hatte geantwortet, dass es in Chiapas kein gewaltsames Verschwinden gegeben habe und dass die vermeintlich Verschwundenen im Norden des Landes arbeiten würden.
Aufgrund der Untätigkeit der Behörden stellten die Hinterbliebenen gemeinsam mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen eigene Nachforschungen an und entdeckten etwa eine Stunde Fußmarsch vom Dorf Paraiso entfernt in einer Waldschneise einen Strick, mit dem die zwei Indígenas gefesselt worden waren, als sie fortgeschafft wurden. Später fanden sie einen Schädel, weitere menschliche Knochen, die halbverborgen im Gebüsch über ein Gebiet von 10 bis 15 m² verteilt waren, und Überreste der Kleidung von Miguel Moreno Montejo und Pedro Núñez Pérez.
„Der gehörte meinem Papa!“, rief Diego Moreno Vázquez aus, als ein schwarzer Gürtel mit einer Messerscheide auftauchte. Sofort holte er aus seinem Beutel ein hellbraunes Hemd hervor, um es mit jenem zu vergleichen, das halb vergraben gefunden wurde: „Meine Mama hat uns beiden das gleiche gekauft“, versicherte er.
Hintergrundinformationen & Urgent Action
8. Juli:
Einwohner der Ortschaft Paraje la Ventana, größtenteils ehemalige PRI- und heute PRD-Anhänger, überfallen die Ambulanz der zapatistischen Klinik des Caracols von Oventic. Das Fahrzeug mußte aufgrund eines technischen Defekts nahe der Kreuzung von La Ventana anhalten, woraufhin sich zunächst ein betrunkener Mann näherte, den Fahrer angriff und die beiden Gesundheitspromotoren bedrohte. Die Ambulanz schaffte es, die Fahrt einige hundert Meter weit fortzusetzen, als zwei Lieferwagen mit etwa 20 Männern aus La Ventana eintrafen, die den Fahrer und die Mechaniker, die den Wagen reparieren wollten, angriffen und beschuldigten, den Wagen, der der Klinik von Oventik im September 2005 von italienischen Compas gespendet worden war, gestohlen zu haben.
Den Gesundheitspromotoren gelang es, ihre Patientin, die sich in äußerst kritischem Zustand befand, ins Krankenhaus von San Cristóbal zu schaffen.
Denuncia der Guten Regierung von Oventik
11. Juli:
Das Landwirtschaftliche Gericht (TUA) von Tuxtla Gutiérrez erklärt die Besetzung von Grundstücken, auf denen die Unterstützungsbasen der EZLN des autonomen Bezirks Vicente Guerrero leben und arbeiten, durch Mitglieder der paramilitärischen OPDDIC für unrechtmäßig.
16. Juli:
Mehrere tausend Protestierende feiern wie im vergangenen Jahr während des friedlichen Volksaufstandes in Oaxaca ihre Guelaguetza „von unten“ – aus Protest gegen die offizielle Veranstaltung des umstrittenen Gouverneurs Ulises Ruiz Ortiz. Gegen Mittag erreichen die Demonstranten eine Absperrung durch massive Polizeikräfte, die sich ihnen in den Weg stellen und sie mit Tränengas und Steinen beschießen. Offiziell kommt es zu 40 Festnahmen auf, darunter 6 Minderjährige und 4 Personen, die aufgrund ihrer Verletzungen in Krankenhäusern medizinisch versorgt werden.
Unter ihnen befindet sich auch Emeterio Medina Cruz, Mitglied der lokalen Bürgerorganisation zur Verteidigung der indigenen Rechte in Xanica (CODEDI-Xanica), einer der Gründungsorganisationen der APPO, der unverletzt von zwei Gemeindepolizisten verhaftet und Stunden später mit mehrfachem Schädelbruch und inneren Verletzungen ins Spital eingeliefert wird. Laut seinen Verwandten sind die Überlebenschancen trotz Notoperation gering.
Menschenrechtsorganisationen betrachten den Vorfall als ein neuerliches Zeichen der Dialogunfähigkeit der Regierung. Diese habe einmal mehr unverständlich und wider aller Vernunft exzessiven Gebrauch von der Gewalt gemacht.
17. Juli:
65 Mitglieder der Ejido-Union der Selva (UES) überfallen die zapatistische Gemeinde 24 de Diciembre im Autonomen Bezirk San Pedro de Michoacán und richten am Zugang zu den Feldern in der Nähe des Militärcamps ein permanentes Lager ein. Sie fällen Bäume und rauben den Zapatisten mehr als 35 Holzbalken für den Bau von 12 Meter langen Häusern.
Der autonomen Gemeinde drohen sie mit der gewaltsamen Räumung. Zu diesem Zweck zählen sie auf die offensichtliche Hilfe der Bundestruppen, die auf einem Grundstück stationiert sind, das bis 1994 dem General und Ex-Gouverneur von Chiapas, Absalón Castellanos Domínguez gehörte. Die Ranch wurde infolge des Aufstandes von 1994 von den indigenen Rebellen befreit und Anfang 1995 besiedelt, aber die Campesinos wurden während der Offensive des damaligen Präsidenten Ernesto Zedillo gegen die EZLN und ihre Gemeinden von den Bundestruppen vertrieben und verfolgt.
Ende 2006 besetzten die Begründer von 24 de Diciembre ihre Grundstücke von El Momón erneut, nachdem sie ihrer Häuser, ihres Landes und ihrer Ejido-Rechte in Nuevo Momón durch die gleichen Mitglieder der UES beraubt wurden, die sie heute zu vertreiben beabsichtigen.
In der unmittelbaren Umgebung der zapatistischen Gemeinden hat sich auch ein Lastwagen der staatlichen Sektorpolizei eingenistet. Die Agenten sind mit gezogener Waffen an der Ausfahrt nach Matías Castellanos stationiert, während ein anderer Lastwagen der gleichen Polizei auf den Strassen der Umgebung kreuzt. Die Machtdemonstration ist also bereits in vollem Gange.
“ Calderóns Plan ist es, die anderen Organisationen zu kaufen, um sich mit den Zapatisten zu streiten, aber wir werden nicht in seine Fallen tappen und Widerstand leisten, bis er selbst fällt. Das soll nicht angezweifelt werden, wir meinen das völlig ernst“, erklärten heute die autonomen Autoritäten, die weiterhin angaben, dass 58 Angehörige der UES gekommen waren um die Zapatisten von 24 de Diciembre zu provozieren.
Das Szenario einer potentiellen Konfrontation zwischen Indígenas verschärft sich zusehends, und es steht zu befürchten, dass die Gewaltandrohungen nach Abschluss des internationalen zapatistischen Encuentros im Caracol von La Realidad, in die Tat umgesetzt werden.
Die autonomen Autoritäten machen Gouverneur Juan Sabines Guerrero und den Bezirkspräsidenten von Las Margaritas, José Antonio Vázquez, für die Taten verantwortlich, beide Angehörige der PRD.
In einem Bericht des Zentrums für Politische Analyse und Soziale und Wirtschaftliche Forschung (CAPISE) werden die Hintergründe beschrieben: „Als die Bundesarmee ihre Angriff gegen die EZLN und ihre Unterstützungsbasen zu Luft, Land und Wasser startete, waren die 45 Familien von 24 de Diciembre (frühere Ejidobewohner von Nuevo Momón) gezwungen, in die Berge der Tojolabal Selva zu fliehen, um dem Militärangriff entkommen, nachdem sie das Land von April 1994 bis zum 9. Februar 1995 fast 11 Monate lang bearbeitet hatten. Die Familien von 24 de Diciembre fanden an einem weiter abgelegen Ort fünf Jahre lang Zuflucht, und als sie dort nicht länger bleiben konnten, wegen Mangel an Land, Holz und Häusern, wurden sie sieben Jahre lang von einem anderen Dorf aufgenommen. Diese Familien haben mehr als 12 Jahre lang als Kriegsvertriebene gelebt. Im Februar 1995, als der Angriff der Bundesarmee erfolgte, waren sie rechtlich gesehen alle Ejidatarios von Nuevo Momón.“
Am 24. Dezember 2006 teilten die zapatistischen Autoritäten die 525 Hektar befreites Land deshalb erneut 31 Familien zu, die auf ihr Land und zu dem, was von ihren Häusern übrig geblieben, war zurückkehrten. „Heute hat das Dorf eine Gesamtbevölkerung von 146 Personen, die erneut davon bedroht sind, zu Kriegsvertriebene zu werden“, heißt es in dem Dokument weiter.
20. Juli:
In Oventik wird das zweite Treffen zwischen den Zapatisten und den Völkern der Welt eröffnet. Einen Tag nach der Konferenz „Die Verteidigung von Land und Territorium vor der kapitalistischen Plünderung“ in San Cristóbal de las Casas mit Ehrengästen wie der brasilianischen Bewegung der Landlosen (MST), den Landarbeiterbewegungen von Korea, Madagaskar, der Vereinigten Staaten und aus Europa, Asien, Afrika und Amerika bringt dieses Ereignis ein weiteres Mal Beobachter, Sympathisanten, Angehörige der Anderen Kampagne und Anhänger der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald aus mehr als 80 Ländern zusammen. Eröffnet wurde es mit einer Diskussion zu Themen über, über die Volksbewegung von Oaxaca und über das nächste Indigene Encuentro, das im kommenden Oktober auf dem Stammesgebiet der Yaqui stattfinden wird. Nach Arbeitskreisen zu den Themen Gesundheit und Autonomie widmete sich das Treffen in Morelia dem Kampf ums Land.
„Die Feldarbeit ist unser Leben“, erklärte ein Landarbeiter aus Thailand, der von seinem Land vertrieben wurde, um Platz für die Eukalyptuspflanzungen transnationaler Konzerne zu machen. Der Widerstand breitete sich landesweit aus und verband sich mit jenem des Pagaqueyor Volkes aus dem Hochland, das im Namen des „Naturschutzes“ von seinem Stammesgebiet verstoßen wurde.
Yudhvir Singh von der Bauernunion Bhartiya Kissan aus Indien (mit 300 Millionen Mitgliedern) erklärte: „Der Feind ist der Neoliberalismus. Unser Kampf gilt dem Überleben. Hier in Chiapas haben wir in diesen Tagen viel gelernt. Wir sehen, dass euer Kampf dem unseren ähnelt“.
„Unsere Bewegung kommuniziert mündlich, wie benutzen nicht einmal Bleistift und Papier. Alles muss in Versammlungen besprochen werden; das Instrument ist das Wort“. Die Bauern aus Indien folgen der Tradition von Gandhi: „Unsere Hauptwaffen sind der Ungehorsam und direkte Aktionen“. Er erzählte, dass seine Organisation 2002 während des Treffens der Welthandelsorganisation in der Stadt Mumbai protestierte. Die Polizei nahm mehr als 71.000 Bauern fest, die sie natürlich bald wieder laufen lassen mussten. Aber die Gefangenen weigerten sich zu gehen, es sei denn, die Agenten erklärten sich bereit, auf ihrem Land zu arbeiten. Die Polizei akzeptierte dies nicht. „Also weigerten wir uns die Gefängnisse zu verlassen, und schafften es, den gesamten Raum der Polizeistation friedlich zu besetzen. Sie mussten Nahrung für mehr als 71.000 Gefangene herbeischaffen, und hinterher bezahlten sie uns die Rückreise zu unseren Bauernhöfen.“
Soraia Soriano, Leiterin der MST, berichtete über den Bauernkampf in Brasilien, der es ermöglichte, Land für 350.000 Familien zu gewinnen, und der die sozialen Beziehungen derer von Unten verändert hat, insbesondere der Frauen. Wie sie erklärte, „sind die Zapatisten für uns eine Quelle der Kraft gewesen. Sie sehen sich tausend Herausforderungen gegenüber. Sie sind ein ständiges Beispiel dafür, dass es möglich ist eine andere Form des Lebens zu errichten“.
Wie es Dong Uk Min von der Bauernliga von Korea ausdrückte: „Man kann alleine träumen, aber um einen Traum zu verwirklichen, muss er vielen gehören“.
30. Juli:
Mit einer Großdemonstration feiert die APPO die Freilassung der letzten Gefangenen vom 16. Juli. Außer Emeterio Cruz, der immer noch im Koma liegt, befindet sich auch Raymundo Torres Velasco in lebensbedrohlichem Zustand. Er wurde am 16. Juli von Polizisten der PFP verhaftet, die einen öffentlichen Bus anhielten und sich über seinen physischen Zustand (er ist gehbehindert) lustig machten. Schließlich prügelten sie ihn, bis er einen Schädelbruch sowie innere Blutungen erlitt und das Bewusstsein verlor. Aus dem Spital des mexikanischen Roten Kreuzes musste er fluchtartig verlegt werden, da die Angehörigen seine Verhaftung fürchten.
Juni 2007
14. Juni:
Das neu gegründete Dorf Diez de Junio (Veracruz) wird von der Polizei und bewaffneten Schützen der Familie Faisal zerstört, die BewohnerInnen werden gewaltsam von ihrem Land vertrieben, das die Faisals mit Unterstützung der Regierung Beltrán für sich reklamieren. Zehn indigene Nahua Campesinos der Organisation Dorados de Villa und auch der Menschenrechtsbeobachter Javier Islas Cruz werden verhaftet und gefoltert und erst drei Wochen später gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen. Weiterhin vermisst wird der indigene Repräsentant Gabino Flores Cruz, dessen Verbleib seit dem Tag der polizeilichen Repression unbekannt geblieben ist.
Wieder große Demonstration in Oaxaca: Die Menschenkolonne vom Flughafen der Landeshauptstadt ins Stadtzentrum, zu der die örtliche Lehrergewerkschaft und die Volksversammlung der Bevölkerung Oaxacas (APPO) aufriefen, erreicht zeitweilig eine Länge von etwa zehn Kilometern. Der Marsch erinnerte an den Polizeieinsatz vor einem Jahr, der damals einen Volksaufstand auslöste. Damit wird deutlich, daß die groß angelegte Imagekampagne nicht gegriffen hat und die Angst vor einer erneuten umfassenden Repression nachgelassen hat. Gleichzeitig lässt sich die gezielte Kriminalisierung seiner Gegner durch die Justizbehörden immer schwerer aufrechterhalten. Wegen Mangels an Beweisen fällt eine Anklage nach der anderen gegen tatsächliche und angebliche APPO- Mitglieder zusammen. Von ursprünglich über 200 Verhafteten sitzen nach weiteren Freilassungen in den vergangenen Wochen noch neun Personen im Gefängnis. Die Lehrergewerkschaft Oaxacas mit ihren knapp 70.000 Mitgliedern will am Wochenende entscheiden, ob sie kurz vor Ende des Schuljahres wieder komplett streiken wird.
15. Juni:
40 Anhänger der Anderen Kampagne in Veracruz werden nach einer Pressekonferenz festgenommen und auf Lastwagen der Öffentlichen Sicherheit nach Chicontepec abtransportiert. Campesinos hatten letzten Sonntag ein Grundstück in Lomas del Dorado besetzt, von dem sie 23 Jahre zuvor von der Bundesarmee vertrieben wurden, und das Dorf 10 de Junio gegründet.
Die Indígenas der Organisation „Dorados de Villa“ gaben bekannt, dass sie eine neue Etappe des landwirtschaftlichen Kampfes eröffnen würden, „weil sie der bürokratischen Verfahren und der ständigen Zusetzungen der Regierung müde sind“. Das Land, das sich im Besitz der Familie von Josefina Faisal Domínguez befindet, wurden vor Jahrzehnten den Gemeinden von Tzocohuite und Lomas del Dorado zugesprochen, aber niemals übergeben: „Wir holen unser Land zurück, das uns unrechtmäßig weggenommen wurde.“
Das Netzwerk „Vereint für Menschenrechte“ (RUDH) meldet: „Die Regierung von Fidel Herrera Beltán hält die Zone unter Belagerung. Unter dem Bruch der Dialogvereinbarung, eröffnete die Staatliche Polizei das Feuer, raubte und zerstörte Fahrzeuge und verschleppte mindestens 12 Personen, die gegenwärtig als vermisst gemeldet sind“. Die Campesinos wurden in die Bezirke Chicontepec und Benito Juárez und später in das Hochsicherheitsgefängnis in Aldama transportiert. Der Aktivist Javier Islas Cruz wurde aus seinem Wagen verschleppt und gilt seither ebenso wie Gabino Flores als verschwunden.
18. Juni:
Lehrergewerkschaft und APPO errichten erneut ein Protestcamp auf dem Zocalo von Oaxaca. Wenige Stunden danach wird der Compañero Cesar Luis Díaz überfallsartig und ohne Haftbefehl festgenommen. Er ist Ratsmitglied der APPO, Repräsentant für die Küstenregion und außerdem Mitglied der lokalen Organisation „Komitee zur Verteidigung der indigenen Rechte in Xanica“ (CODEDI- XANICA), von der weitere Aktivisten bereits seit Monaten unter konstruierten Anschuldigen im Gefängnis sitzen.
Mai 2007
4. Mai:
Mit der Forderung nach Bestrafung der Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen, die vor einem Jahr vom mexikanischen Staat gegen die Anwohner von San Salvador Atenco und Texcoco verübt wurden; nach der „bedingungslosen und umgehenden“ Freilassung der 29 Personen, die sich infolge der Polizeieinsätze in diesen Bezirken weiterhin in Haft befinden, und nach der Aussetzung der Haftbefehle gegen die Anführer der Volksfront zur Verteidigung des Landes (FPDT), marschieren tausende Mitglieder dieser Bewegung und Anhänger der Anderen Kampagne vom Monument des Angel de la Independencia zum Gebäude des Regierungsministeriums.
„Heute bitten wir nicht um eine Minute des Schweigens, sondern um ein ganzes Leben des Kampfes“ lautet eins von hunderten Spruchbanner der Atenco-Bewohner, die wie schon fünf Jahre zuvor – als sie gegen den Bau eines neuen Flughafens für Mexiko Stadt in ihrem Dorf kämpften – ihre Macheten gegen den Asphalt der Hauptstadt schlugen.
5. Mai:
Während hunderte Anhänger der Anderen Kampagne mit einem motorisierten Protestzug von Mexiko Stadt zum Gefängnis von Santiaguito ziehen, werden Ignacio del Valle, Hector Galindo und Felipe Alvarez, drei der Anführer der Volksfront zur Verteidigung des Landes (FPDT) in Atenco, zu Gefängnisstrafen von jeweils 67 Jahren verurteilt.
„Wir wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Gerichtsbürokrat gerade ein Strafurteil gegen unsere drei Compañeros von der FPDT verhängt hat, das sie zu mehr als 60 Jahre Gefängnisstrafe verurteilt. Wir als Zapatisten möchten lediglich sagen, dass dieser Gerichtsbürokrat äußerst naiv sein muss, denn diese Strafe wird keine 60 Jahre dauern. Schon lange vorher werden sich die Gefängnisse von Altiplano, Santiaguito, El Molino de las Flores und alle anderen des Landes öffnen, und alle politischen und Gewissensgefangenen werden freikommen. Sie werden nicht lange leer stehen, um danach Enrique Peña Nieto, Vicente Fox, Eduardo Medina Mora und diese ganze Bande von Schweinehunden aufzunehmen“, warnt Subcomandante Insurgente Marcos.
8. Mai:
Calderón verfügt die „Enteignung“ von 14.960 Hektar auf dem Gebiet der Lakandonen „für die Anlage eines neuen Schutzgebietes für die natürlichen Ressourcen und zu deren Schutz, Erhalt, Restauration und nachhaltiger Nutzung“. Die überaus erfreute Gemeinde der Lakandonen erhält dafür 58 Millionen Pesos. Ohne zu präzisieren wo das enteignete Landgebiet lokalisiert ist, soll es zu jenen Zonen gehören, „die aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen einem starken Druck unterliegen“. Der Grund hierfür ist, dass die „Lakandonische Zone“ ein hydrologisches System darstellt, das 53 % des Flussbeckens des Usumacinta umfasst, der mit dem des Grijalva der umfangreichste in ganz Mexiko ist, mit einem jährlichen Wasserlauf von durchschnittlich 85 Billionen Kubikmetern. Gemeinsam stellen sie 30 % der oberflächlichen Wasserreserven des Landes dar und generieren 56% des landesweit aus Wasserkraft erzeugten Stroms.
16. Mai:
In einem Bericht an die Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) nimmt die Mexikanische Regierung Stellung zu dem Überfall auf die Gemeinde Viejo Velasco Suárez im Herbst vergangenen Jahres: „Am 13. November 2006 wurde ein Einsatz ausgeführt, unter Beteiligung von 5 Agenten der Generalstaatsanwaltschaft, 2 Sachverständigen, des Regionalkommandanten der Selva Zone der Staatlichen Ermittlungsbehörde und 7 seiner Untergebenen, sowie von 300 Elementen der Sektorpolizei, der Staatlichen Behörde für Öffentliche Sicherheit von Chiapas und eines Vertreters der Behörde für Soziale Entwicklung.“ Im Zuge dieses Einsatzes wären den Beamten zwei leblöse Körper übergeben worden.
Nach Aussagen der Überlebenden wurde das Dorf gegen 6 Uhr morgens von etwa 40 Angreifern in Zivilkleidung gestürmt, gefolgt von etwa 300 Personen in Stiefeln und schwarz-blauen Uniformen, wie sie für die Sektorpolizei charakteristisch sind, die Waffen großen Kalibers trugen und teilweise ihre Gesichter verhüllt hatten. Weitere Augenzeugen berichten davon, dass die Strasse dieser Zone seit 3:30 Uhr morgens von einem Lastwagen der Sektorpolizei voller Polizeibeamten überbewacht wurde.
Das Menschenrechtszentrum FrayBa beschuldigt den Mexikanischen Staat der Lüge und der Verantwortung für die Morde an Filemón Benítez Pérez, Antonio Mayor Benítez Pérez, María Núñez González und Vincente Pérez Díaz, das Verschwinden von Pedro Núñez Pérez, Mariano Pérez Guzmán, Miguel Moreno Montejo und Antonio Peñate López.
April 2007
13. April:
Acht Männer mit blauen Polizeiuniformen, schwarzen Helmen, schusssicheren Westen und schweren Waffen stürzen sich auf David Venegas Reyes, schlagen ihn und verladen ihn auf ihren Kleintransporter. Sein Aufenthaltsort ist bis zum heutigen Zeitpunkt unbekannt.
14. April:
Ein Anwalt des „Antirepressionskomitees 25. November“ wird von Männern in Zivil angehalten, die sich als Polizisten ausgeben und nach seinen Papieren fragen. Da es mitten am Nachmittag ist, laufen viele Menschen zusammen und die geplante Entführung mißlingt.
16. April:
Vor dem Lokal der indigenen Organisation Flor y Canto werden Militärfahrzeuge mit bewaffneten Soldaten stationiert. Das Lokal selbst wird von Personen in Zivil überwacht und Mitglieder der verschiedenen Polizeieinheiten patroullieren in der Strasse. Es ist unklar, ob es sich hier um Drohgebärden oder bevorstehende Verhaftungen handelt.
März 2007
8. März:
100.000 Menschen beteiligen sich in Oaxaca an der 10. Megamarcha.
10. März:
An der 19. Vollversammlung des Nationalen Indigenen Kongresses der Zentrum-Pazifik Region nehmen mehr als 200 Repräsentanten in Vertretung der indigenen Stämme und Nationen der Nahua aus Jalisco, Colima, Michoacán und Guerreo; der Coca aus Jalisco; der Ñahñú aus dem Bundesstaat México; der Triqui aus Oaxaca; der Amuzgo und Mixteken aus Guerrero, der Zoque aus Chiapas; der Huichol aus Jalisco, Nayarit und Durango; der Purépecha aus Michoacán und der Chichimeca aus Guanajuato teil.
12. März:
In der Gemeinde Huitepec im Landkreis San Cristóbal wird zum Auftakt der zweiten Etappe der Anderen Kampagne ein neues ziviles Friedenscamp errichtet, um das autonome Naturschutzgebiet und die Gemeinde vor (staatlichem) Zugriff zu schützen.
Vor ein paar Jahren hat die Regierung einen Teil dieses Gebietes (inklusive des zapatistischen Dorfes) zum Naturschutzgebiet erklärt und damit gleichzeitig die Ansiedlung kriminalisiert, Anbau und Nutzung (auch nur zum Eigenbedarf der Anwohner) verboten, ohne dabei die Bewohner darüber zu informieren. Im September 2006 z.B. wurden zwei Compañeros angeklagt, weil sie „illegal auf föderalen Eigentum“ (deshalb ein Delikt für die Bundesanwaltschaft) gesät hatten. Das Land wird den Bewohner durch den Staat entzogen, um es multinationalen Konzernen zur Verfügung zu stellen.
In einem ähnlichen Kontext steht die Errichtung eines Friedenscamps in Baja California, im Norden von Mexico. Dort wurden die Fangquoten für den Fischfang aus vorgeschobenen Gründen des Naturschutzes drastisch reduziert und die von Fischfang lebende Bevölkerung in ihrer Existenz bedroht, während der Fischfang für Konzerne weiterhin unreglementiert erlaubt ist.
„Viele haben heute ein Interesse daran, uns unserer Anhöhen, Berge und Quellen zu berauben. Zuerst nahmen sie uns unser Land in den Tälern, unser gutes Land und vertrieben uns in die Berge, wo die Böden schlecht sind; dort passten wir uns an und lernten zu überleben und zu sterben. In den Bergen, wie diesem von Huitepec, entwickelten wir uns wie ein indigenes Volk: Wir ernähren uns von den Bergen; wir trinken ihr Wasser und decken uns mit ihren Bäumen zu; wir heilen uns mit ihren Medizinpflanzen und durch Heilige Orte, an denen wir beten. Aber all dies taten wir stets in dem Respekt, den man einer Mutter entgegenbringt und deshalb ist unser Berg reich; eine Überfülle an Pflanzen, Tieren und vielem Wasser und genau deshalb wollen die transnationalen Unternehmen, mit der Unterstützung der schlechten Regierungen, ihn uns jetzt wegnehmen“.
20. März:
Das Protestcamp der APPO in México-Stadt wird mit Knüppeln und durch Grenadiere geräumt. Seit dem 9. Oktober vergangenen Jahres hatten Mitglieder der APPO vor dem Senatsgebäude für ihre Forderungen protestiert.
Februar 2007
11. Februar:
Mit scharfen Worten wehrt sich die EZLN gegen Vertreibungsdrohungen durch Paramilitärs sowie gegen illegale Holzschlägerungen und Drogenhandel unter Rückendeckung durch die offiziellen Regierungen. Auch die Räte der Guten Regierungen melden sich zu Wort.
Denuncia aus Oventik
Denuncia aus Morelia
Comunicado der EZLN
Drohende Eskalation in Chiapas
Interview mit Michael Chamberlin
Januar 2007
1. Januar:
Mitglieder der APPO und des COFADAPPO „Ausschuss der Verwandten von Verschwunden, Ermordeten und Eingesperrten“ errichten Protestcamps vor den Gefängnissen von Tlacolula de Matamoros und Miahuatlán de Porfirio Diaz (ca. 1.200 km von Oaxaca-Stadt entfernt). Sie fordern die Freiheit der politischen Gefangenen!
3. Januar:
Einige Minuten von Oaxaca Stadt entfernt erobern Lehrer, Schüler und Eltern in St. Maria El Tule eine Schule zurück, die von PRI-Anhängern besetzt worden war. Kurze Zeit später kehren diese zurück und greifen die Schule mit Tränengas und Steinen an. Zwei Kinder werden verletzt.
4. Januar:
Gefangene in Miahuatlán berichten, dass sie aufgrund des Protestcamps Todesdrohungen bekommen haben.
5. Januar:
Vertreter der Triqui-Region aus Oaxaca geben bekannt, dass am 1. Jänner 20 der 36 Gemeinden, die diese Region ausmachen, den Autonomen Landkreis San Juan Copala bildeten, der nach indigenen Bräuchen und Traditionen regieren wird.
In einer Pressekonferenz in der oaxakenischen Hauptstadt informierte Jorge Albino Ortiz, Sprecher des Autonomen Landkreises, dass mit dieser Entscheidung die Gewalt, die in diesem Gebiet entfesselt wurde, bekämpft werden soll, ebenso wie die Korruption zwischen den politischen Parteien und den Regierenden der vier oaxakenischen Rathäuser, von „denen wir uns unabhängig machen“.
6. Januar:
Ricardo Ruiz Flores von der Brigada Sembrando Dignidad aus Mexiko Stadt, ein aktiver Anhänger der Anderen Kampagne, wird in San Cristóbal de las Casas auf dem Weg zum Büro der Enlace Civil Zapatista von vier nicht identifizierten Männern brutal zusammengeschlagen und muss viermal operiert werden.
13. Januar:
Vor dem Gefängnis von Miahuatlan wird eine Demonstration von mehreren Pick-Ups mit bewaffneten und vermummten paramilitärischen Kräften provoziert und bedroht. Nach Beendigung der Demonstration werden 5 Personen auf dem Rückweg geschlagen und festgenommen. Die Mahnwache vor dem Gefängnis in Miahuatlan wird gewaltsam aufgelöst, mindestens 7 AktivistInnen werden verhaftet.
20. Januar:
Die Zivile Internationale Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte (CCIODH) wirft der Regierung von Oaxaca eine systematische Verfolgung und Unterdrückung der sozialen Bewegungen in dem südmexikanischen Bundesstaat vor. Die unabhängige Kommission formierte sich im vergangen Dezember, nachdem schwere Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte gegenüber sozialen Aktivisten gemeldet wurden.
An der Menschenrechtskommission nahmen ca. 50 Personen aus Spanien, Frankreich, Italien, USA und Neuseeland teil, die über 400 Interviews mit Opfern von Gewalt, Angehörigen von ermordeten Personen, politischen Gefangenen, sozialen Aktivisten, Gewerkschafter, Anwälte, Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Institutionen führten.
Neben Gewaltakten wie willkürlicher Festnahme, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Mord berichten sie über Eingriffe in elementarste Freiheitsrechte: Unterbindung der freien Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, Störung der gewerkschaftlichen Organisation sowie Entzug des Rechtes auf Bewegungsfreiheit, Bildung und angemessene juristische Begleitung. Es handle sich um die Anwendung einer „juristischen, polizeilichen und militärischen Strategie“, so die CCIODH. Außerdem seien paramilitärische Einheiten mit Schusswaffen gegen friedliche Demonstranten vorgegangen.
Schlußbericht der CCIODH
25. Januar:
Ein Angriff von PRI-Anhängern auf das Kollektiv verwaltete Rathaus in der Gemeinde San Antonio im Bezirk Ocotlan von Morelos fordert 42 Verletzte.
Am selben Tag greifen Anhänger der PRI Mitglieder der Gemeinde San Antonino de Velasco an und schlagen auf Emilio Santiago, Darío Campos und Abel Sánchez, Mitarbeiter von Radio Calenda, ein. Diesem Vorfall sind massive Todesdrohungen, Schließungen des Radios, Belästigungen und Entführungen vorangegangen.
Dezember 2006
1. Dezember:
Mitarbeiter des mexikanischen Menschenrechts-Komitees für Verhaftete und Verschwundene melden, dass mindestens 200 politische Gefangene der Bewegung in Oaxaca auf verschiedene Gefängnisse in ganz Mexiko verteilt wurden, mindestens 100 Personen gelten als verschwunden.
Die Lehrer sind zum Grossteil in die Schulen zurückgekehrt, doch angesichts der Repression hat die Lehrergewerkschaft der Sektion 22 beschlossen, einen zweitägigen Streik von 25.000 Lehrer in grossen Teilen von Oaxaca durchzuführen.
2. Dezember:
Die EZLN ruft dazu auf, Oaxaca zu unterstützen. Die APPO antwortet: „Wir grüßen die EZLN und die Andere Kampagne und rufen beide dazu auf, gemeinsam die Einheit der Unzufriedenen, der Besitzlosen, der Verschiedenen, der Landlosen, der Obdachlosen zu stärken, damit wir wie ein einziger Mensch unseren gemeinsamen Feind besiegen können.
Brüder und Schwestern der EZLN, in Oaxaca haben die Verschwörung der Regierungen des Bundesstaates und des Landes (eine mit Blut besiegelte Verschwörung) die Forderung nach Gerechtigkeit zu einem Verbrechen gemacht und haben eine grausame Verfolgung unseres Volkes aufgenommen. Heute hat die APPO keinen Ort mehr, um sich zu versammeln, es gibt keine Straße in Oaxaca, wo man demonstrieren kann, ohne dass Compañeros im Gefängnis landen. Oaxaca ist in einem militarisierten Zustand. Das, Compañeros, schreckt uns nicht, es zeigt uns nur, wie gerecht unser Kampf ist. Die APPO befindet sich heute in der Dunkelheit der Nacht, wohl wissend, dass nicht viel fehlt, bis der Tag voller Licht anbricht.“
4. Dezember:
Wenige Stunden nach einer Pressekonferenz in Mexiko-Stadt werden der APPO-Sprecher Flavio Sosa und drei weitere Aktivisten des Bündnisses verhaftet. Ihnen wird Entführung, Raub, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. In Oaxaca werden Schulen durch die Polizei gestürmt, um weitere Haftbefehle gegen Lehrer durchzusetzen.
30. Dezember 2006 – 2. Januar 2007:
In Oventik findet das „Erste Treffen der Zapatistas mit den Völkern der Welt“ statt. An vier Tagen wird in sechs Arbeitskreisen über die Fortschritte seit dem Aufstand und der Einrichtung der autonomen Regierungen berichtet, auf Fragen geantwortet und den Beiträgen der nationalen und internationalen Teilnehmer zugehört. Etwa 4.000 Gäste aus über 30 Ländern aller fünf Kontinente werden von ebenso vielen Zapatistas empfangen.
November 2006
1. November:
Die Polizei kontrolliert den unmittelbaren Stadtkern in Oaxaca Stadt, in den umliegenden Straßen und weiten Teilen der gesamten Stadt zeugen brennende Barrikaden und die ständigen Proteste mehrerer tausend Menschen von einer nach wie vor explosiven Situation.
Anstelle ihres Hauptcamps auf dem nun von der Bundespolizei abgesperrten Zocalo haben APPO und Lehrergewerkschaft sich wenige Blocks entfernt auf dem Vorplatz der Kirche von Santo Domingo versammelt. Von der angekündigten Rückkehr der seit fünf Monaten streikenden Lehrer konnte zu Wochenbeginn keine Rede sein. Vielmehr hielten nahezu alle Geschäfte und Institutionen in Oaxaca-Stadt ihre Türen geschlossen.
Das auf dem Gelände der staatlichen Autonomen Universität Benito Juárez liegende Radio Universidad wird von den APPO-Sympathisanten weiträumig abgesichert und hält den Sendebetrieb nach wie vor aufrecht.
Flavio Sosa, Mitglied der provisorischen APPO-Führung, spricht von bisher über 60 Verhafteten, die teilweise in einer Militärkaserne vor Oaxaca-Stadt gefoltert würden.
2. November:
Räumungsversuch der Uni: Um 8 Uhr morgens beginnt PFP ihren Vormarsch gegen Radio Universidad. Zunächst gelingt der Überfall, einige Barrikaden werden beseitigt, doch bald sind die PFP-Truppen mit erbittertem Widerstand von allen Seiten konfrontiert. Am Nachmittag sind die Wasserwerfer leergespritzt, Helikopter werfen noch immer flächendeckend Tränengasbomben, doch die Bevölkerung weicht nicht zurück und der Polizeiüberfall muß abgebrochen werden.
Die APPO fordert den Abzug der PFP aus Oaxaca und die lebendige (!) Freilassung der Verhafteten und Verschleppten.
3. November:
6. Mega Demo in Oaxaca.
4. November:
In Solidarität mit der aufständischen Bevölkerung von Oaxaca blockiert die Andere Kampagne die Grenzbrücke von Ciudad Júarez nach Texas. Auch in Chiapas und Mexiko Stadt sind zahlreiche Straßen durch Proteste gesperrt.
5. November:
Das Oaxakenische Menschenrechtsnetzwerk „Red Oaxaqueña por los Derechos Humanos en Oaxaca“ – RODH – veröffentlicht eine Liste mit Namen von Personen, die in der letzten Woche im Laufe der Proteste in Oaxaca-Stadt und in den Regionen des Bundesstaates verhaftet wurden oder umgekommen sind. Das Netzwerk berichtet von 87 Verhaftungen (53 davon immer noch in Haft), 45 verschwundenen und 33 verletzten Personen (darunter 5 Journalisten). 6 Menschen wurden ermordet.
6. November:
Knapp eine Million Menschen beteiligt sich in Oaxaca an der 6. Mega-Demo gegen Ulises, der am Tag zuvor noch in bezahlten Werbespots verkündet hatte, das Volk stehe hinter ihm.
Die Militarisierung hat das ganze Land erfasst, rigorose Straßenkontrollen werden aufgebaut, der Student Marcos Sánchez Martínez wird am frühen Morgen an einer Barrikade vor der Uni mit einem Bauchschuß niedergestreckt.
Fünf verschiedene bewaffnete revolutionäre Organisationen bekennen sich zu den Bombenanschlägen auf das Wahltribunal, den zentralen Sitz der PRI und eine Bankfiliale und kündigen an, dass diese „politisch-militärischen“ Aktionen auf 40 wichtige nationale und transnationale Firmen ausgeweitet werden, ebenso wie auf „falsche“ Institutionen von Politik und Regierung, die „den Staatsbetrug“ finanziert und durchgeführt haben und hinter der „institutionalisierten neoliberalen Gewalt“ stehen, mit der gegen das Volk von Mexiko vorgegangen wird.
Die Gruppen „Movimiento Revolucionario Lucio Cabañas Barrientos“, „Tendencia Democrática Revolucionaria-Ejército del Pueblo“, „Organización Insurgente Primero de Mayo“, „Brigada de Ajusticiamiento 2 de Diciembre“ und „Brigadas Populares de Liberación“ fordern den Rücktritt des Gouverneurs, den Abzug der „föderalen Besatzungstruppen“; die unverzügliche Präsentation der Verschwundenen und politischen Gefangenen von Atenco und Oaxaca und die Bestrafung „der intellektuellen und materiellen Urheber der Folter, die Vergewaltigungen und des sexuellen Missbrauchs von Aktivisten der verschiedenen sozialen Bewegungen“ des Landes.
Sie erklären weiter, dass die „Militanten und Kämpfer“ dieser revolutionären Gruppen mit den politisch-militärischen Aktionen fortfahren würden. „Wir erklären uns für diese Vorfälle voll verantwortlich und bitten die Bürger um Entschuldigung, die in ihrem Alltagsleben gestört wurden und indirekt von diesen Aktionen betroffen waren, und weisen energisch darauf hin, dass die Hauptverantwortlichen der sozialen und politischen Gewalt in unserem Land die Mächtigen und die Reichen sind, die einen schmutzigen neoliberalen Krieg gegen das Volk von Mexiko begonnen haben.“
7. November:
Calderón verkündet vor der mexikanischen Handelskammer (Comce), dass in Mexiko der Respekt vor dem Gesetz, vor der Autorität verloren gegangen sei, was bedeute, dass „der Respekt vor den Anderen, vor der Gemeinschaft, welche wir sind, die Gesellschaft, in welcher wir leben, der Respekt vor dem Land, welches wir haben, verloren gegangen ist. Wir müssen schwer arbeiten, um die Fähigkeit des Staates, Front gegen das Verbrechen und den Terrorismus zu machen, wieder zu erlangen“.
Beim Kampf gegen das Verbrechen gäbe es keine andere Alternative als die Wiedererlangung und Stärkung des Fähigkeit des Staates, um die Schutzrechte der Bürger zu garantieren, obwohl die Kosten hoch wären und es nicht sofort Ergebnisse gäbe.
„Ich will ehrlich sein, nach meiner Vorstellung wird es nicht einfach, es
wird nicht kurzfristig. Es wäre anmaßend sofort Ergebnisse anzubieten, es wäre eine unverzeihliche Prahlerei zu sagen, dass die Lösung einfach und in Reichweite ist. Es wird Zeit dauern, es sind Mittel notwendig und wird möglicherweise es leider auch Menschenleben kosten, aber für mich gibt es keine Alternative.“
11. November:
Die APPO hält ihren offiziellen Gründungskongress ab.
Die aktuellen Zahlen der Opfer der Repression des nun seit über 173 Tagen andauernden Kampfes in Oaxaca werden veröffentlicht: 17 Tote, 400 Verletzte, 61 Verschwundene, 337 Verhaftete, von denen sich 53 Menschen noch immer in Haft befinden, wobei viele der Verhafteten von brutaler Folter berichten.
Die Kirche in Oaxaca unter Bischof José Luis Chávez Botello hat APPO-Aktivisten, welche per Haftbefehl gesucht werden, in den letzten Tagen Asyl gewährt. Der Bischof erklärt jedoch, dass die Kirche keine Garantie für die Sicherheit der APPO-Leute übernehmen könne, da dies eigentlich der Staat tun sollte.
Radio Universidad sendet noch immer, ist jedoch nur teilweise im Internet hörbar.
12. November:
Sieben Frauen, vier Männer und zwei Kinder werden in Viejo Velasco (Montes Azules / Chiapas) von Paramilitärs ermordet. Mit Schusswaffen ausgerüstet, attackieren die Angreifer aus Nueva Palestina das Dorf in zwei Gruppen. Artemio Benítez Pérez, Domingo Pérez López, Elizabeth Benítez Pérez, Felicito Pérez Parcero, Filemón Benítez Pérez, Hilario Pérez López, María Núñez González, María Pérez González, María Pérez Pérez, Martha Pérez Pérez, Noyli Benítez Pérez, Pedro Núñez Pérez, Petrona Núñez González und ein noch nicht getauftes Neugeborenes sterben.
13. November:
Die Polizei errichtet Straßensperren und verhindert den Zutritt in die Gemeinde Viejo Velasco, um die Verletzten zu versorgen. Mehrere noch nicht identifizierte Gefangene befinden sich vermutlich noch in der Gewalt der Angreifer. Gerüchten zufolge sollen mindestens fünf weitere Gemeinden in der Selva Lacandona durch öffentliche Kräfte gewaltsam geräumt worden sein: Flor de Cacao, Nuevo Tila, Ojo de Agua Tsotsil, Velasco Suárez und San Jacinto Lacanjá.
Der Rat der Guten Regierung in Roberto Barrios untersucht gemeinsam mit dem Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas die Vorfälle. Dem Angriff gingen zahlreiche Übergriffe voraus, die von Menschenrechtsorganisationen denunziert, von den Regierungsstellen jedoch ignoriert wurden:
Am 14. Juli bezog die Öffentliche Sicherheitspolizei nahe der Gemeinde von Ojo de Agua in El Progreso Stellung und drohte, die Familien dieser Gemeinde gewaltsam zu räumen, Familien, die ihr Recht auf Land als indigene Völker verteidigen.
Am 19. September erschienen Comuneros aus Nueva Palestina, bewaffnet mit Macheten, Gewehren, Schaufeln, Pickeln und Steinen, zerstörten das Haus einer Familie und feuerten Kugeln auf ein Gebäude, in dem Frauen und Kinder schliefen.
Am 4. Oktober griffen Comuneros aus Nueva Palestina zwei Campesinos auf ihren Bohnenfeldern mit Gewehren an und vernichteten die Ernte.
Am 9. Oktober greifen Mitglieder der regierungsfreundlichen Gemeinde Nueva Palestina die Einwohner von Viejo Velasco Suarez an, zerstören ein Haus und verschleppen einen Angehörigen der Gemeinde.
19. November:
Die Zapoteken, Mixes und Chinanteken rufen in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, eine neue Grundlage der oaxakenischen Gesellschaft zu schaffen.
Erklärung der Völker von Oaxaca
25. November:
7. Mega Demo. Die Regierung Ulises holt zum Schlag aus, um die Protestbewegung endgültig von der Strasse zu verdrängen. Bevor die Demonstration die Innenstadt erreicht, beginnt ein brutaler Polizeieinsatz unter Verwendung von Schusswaffen. Über 200 Menschen werden von der PFP verhaftet, mehr als 100 Menschen gelten als verschwunden. Es kommt zu Misshandlungen und Folter.
27. November:
Einem Student wird in den Magen geschossen, ein anderer verschleppt. Drei Lehrkräfte wurden aus den Räumen des Staatlichen Instituts für Öffentliche Bildung von Oaxaca verhaftet. An der Straßenkreuzung el Rosario werden weitere Menschen von paramilitärischen Gruppen verschleppt. Sarah Ilich Weldon aus Paris wird mit zwei weiteren Leuten auf offener Strasse verhaftet. Der Menschrechtsaktivist Alberto Tlacäl Cilia Ocampo wird verhaftet, schwer gefoltert, mit dem Tod bedroht und zur Unterschrift von ihn belastenden Aussagen gezwungen. Die Gefangenen vom 25. November werden in das Hochsicherheitsgefängnis von Nayarit verlegt, Anwälten und Angehörigen wird der Zutritt verweigert.
28. November:
Die PFP macht Jagd auf ca. 100 Ausländer, die an den Protesten vom 25. November beteiligt gewesen sein sollen.
29. November:
Die PFP räumt die letzte Barrikade der APPO in Oaxaca-Stadt. Der neue Präsident Calderón lässt keinen Zweifel daran, dass er auf eine harte Linie gegen die Opposition setzen wird. Sein wirtschaftsliberal und konservativ ausgerichtetes Kabinett wird vom als rechten Hardliner bekannten Gouverneur des Bundesstaates Jalisco, Francisco Ramírez Acuña als neuer Innenminister angeführt. Acuña trägt die politische Verantwortung für die Folter an Globalisierungskritikern, die 2004 nach einer Demonstration gegen den EU-Lateinamerika-Gipfel festgenommen wurden.
30. November:
Die Untersuchungsbehörden setzen die Mörder des Indymedia Journalisten Brad Will – beide Gemeindepolizisten in Oaxaca – auf freien Fuss.
Oktober 2006
1. Oktober:
Im 4. Teil einer Serie von Comunicados der Anderen Kampagne äussert sich die EZLN zu Oaxaca: „Das Unten bricht auch in Oaxaca hervor und nimmt Form und Weg in der APPO. Das Vetorecht dieser Bewegung wurde würdevoll wahrgenommen . Es ist nicht wichtig, ob sie wählen oder nicht (und ob sie es für AMLO oder eine andere Partei machen. Dies ist nicht von Bedeutung, sondern dass sie Vertrauen in ihre eigene Stärke haben, welches weiter geht als das ihrer Dirigenten und der Konjunkturen.
Dieses Vertrauen hat ihnen bis jetzt erlaubt, ihre Taktik für sich selbst zu entscheiden, ohne dem Druck von aussen und den Räten zum „guten Gewissen“ nachzugeben. Als EZLN unterstützen wir diese Bewegung und versuchen, durch die Compañer@s der Anderen, die dort kämpfen, zu sehen, was geschieht und zu lernen.
Aus zwei Gründen wird unsere Unterstüzung nicht darüberhinaus gehen: Einer ist, weil es sich um eine sehr komplexe Bewegung handelt, direktere Unterstützung könnte „Lärm“, Ängste und Verwirrung verursachen; der andere ist, dass die Leute in Oaxaca mehrmals beschuldigt wurden, Verbindungen zu bewaffneten Organisationen zu haben, und so könnte die Hetzkampagne, die ohnehin bereits im Gang ist, durch unsere direkte Präsenz erneut Auftrieb bekommen.“
2. Oktober:
Rund 150 vermummte UnterstützerInnen der EZLN besetzen 532 Hektar Land in der Nähe des Caracols von Roberto Barrios erneut. Das als „Chuyipá“ (offiziell „5 de Mayo“) bekannte Grundstück liegt im offiziellen Landkreis von Palenque und wird von den RebellInnen als „Chol de Tumbalá“ bezeichnet. Die Zapatistas hatten das Land 1999 besetzt und waren am 3. August von der Polizei vertrieben worden, wobei ihre Häuser und Habseligkeiten zerstört wurden.
In der Gemeinde San Antonio de Castillo Velasco (Oaxaca) wird der 49-jährige Arcadio Fabián Hernández Santiago erschossen. Santiago war gemeinsam mit anderen Gemeindepolizisten waren unbewaffnet auf einem Routinegang, als die vermummten und mit Maschinengewehren bewaffneten Ex-Polizisten ihnen auflauern. Der Präsident der Volksregierung von San Antonio, Valentín Aguilar, ruft die Bevölkerung auf, den Mord nicht in Selbstjustiz zu richten, sondern auf ein legales Verfahren gegen die Mörder zu vertrauen.
4. Oktober:
Das Innenministerium lädt zu einem „Forum für Regierungsfähigkeit, Frieden und Entwicklung in Oaxaca“.APPO und Sektion 22 nehmen nicht daran teil, nachdem sie um die Sicherheit ihrer Delegierten fürchtet, Ulises zu den geladenen Gästen zählt, die Militarisierung in Oaxaca weiter verstärkt wird und jede Nacht Angriffe auf die Zivilbevölkerung an den Barrikaden stattfinden. Innenminister Abascal rede doppelzüngig und man könne ihm nicht vertrauen, verkünden sie. Das Forum sei eine Farce und nichts anderes als ein Schachzug zur Rechtfertigung einer Militärintervention. Die APPO ruft auf, weitere Barrikaden zu errichten. Jeden Tag integrieren sich neue Quartierkomitees und Gemeinden in die APPO, was dazu führt, dass sie angesichts einer möglichen Militärintervention so zahlreich wie nie zuvor ist.
Die Verlegung der Marineeinheiten hat die Forderung nach Ulises‘ Absetzung auch in bisher zurückhaltenden Kreisen der Bevölkerung aus Furcht vor militärischen Auseinandersetzungen verstärkt. Im Touristenort Huatulco an der Pazifikküste wurden aus einem Kriegsschiff Schützenpanzer, Helikopter und anderes Kriegsmaterial ausgeladen. Täglich landen Militärflugzeuge mit Soldaten, und sogar ein Kampfjäger wurde hergebracht.
9. Oktober:
Der Marsch der APPO kommt nach 19 Tagen in der Hauptstadt Mexio Stadt an, begleitet von vielen UnterstützerInnen aus den armen Vorstädten. Die Spannung ist gross, das Medienecho auf die Demo, die nun 19 Tage unterwegs war, ebenfalls.
Innenminister Abascal fordert die Volksbewegung von Oaxaca auf, den föderalen Polizeieinheiten der PFP die Hauptstadt Oaxaca zu übergeben. Im Gegenzug sei das Innenministerium bei dem Verfahren im Senat über die Absetzung von Gouverneur Ruiz behilflich. APPO und Lehrerschaft lehnen diesen „ersten Schritt zur Militarisierung Oaxacas“ nach Vollversammlungen am Wochenende ab.
10. Oktober:
Der Senat entsendet eine Kommission nach Oaxaca, um die Regierungsunfähigkeit zu untersuchen.
12. Oktober:
Die „Oaxakenische Bürgerinitiative für Gespräche um Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit“ (Iniciativa Ciudadana de los Diálogos por la Paz, la Democracia y la Justicia de Oaxaca“) wird ins Leben gerufen. Die Eröffnungsfeier wurde durch eine breite Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Sektoren in Oaxaca unterstützt.
14. Oktober:
Alejandro García Hernández, Aktivist der APPO, wird in der Nacht auf Samstag an einer Barrikade von vier Männern erschossen. Die Täter wollten eine Barrikade überfahren und wurden daran gehindert, worauf sie das Feuer auf die unbewaffneten Anwesenden eröffneten. Am Tatort werden Dokumente gefunden, die in der Militärzone XXVIII auf den Namen Jonathan Ríos Vásquez ausgestellt wurden. Es handelt sich hier um den 42. politischen Mord seit Ulises‘ Amtsantritt vor weniger als zwei Jahren.
An einer weiteren Barrikade wird ein Jugendlicher schwer verletzt, als vier Männer in einem Nissan-Pickup die Barrikade rammen, um die Durchfahrt einer Ambulanz der APPO zu verhindern.
19. Oktober:
Todesschwadronen im Dienste von Ulises Ruiz eröffnen das Feuer gegen eine Versammlung im Quartier Jardines in Oaxaca und töten den Lehrer Panfilo Hernandez Vasquez mit zwei Schüssen.
Die APPO hatte gestern die höchste Alarmstufe ausgerufen und alle aufgefordert, sich auf mögliche Angriffe vorzubereiten und die Verteidigungseinrichtungen zu verstärken. Vor drei Wochen war durch Indiskretion der „Plan Hierro“ des Gouverneurs an die Öffentlichkeit gekommen und beschreibt genau das, was im Moment passiert: Aktionen auf verschiedenen Ebenen um die Volksbewegung zu destabilisieren und zu schwächen. Tote sind in diesem Plan miteingerechnet.
24. Oktober:
Die APPO räumt Ulises eine Frist von drei Tagen ein, um seinen Rücktritt einzureichen und ruft zur friedlichen Volkserhebung am 1. Dezember auf. Für den 27. November werden ein Generalstreik im Bundesstaat und die Blockierung der Verkehrswege angekündigt. Nach zahlreichen Anschlägen und manipulierten Stromausfällen sendet von den besetzten Radiostationen nur noch „Radio Universidad“.
27. Oktober:
Ulises‘ Leute schlagen zurück: Seit den frühen Morgenstunden attackieren Pistolenschützen die Barrikaden der APPO, verwunden unzählige Compañeros, ermorden den Lehrer Emilio Alonso Fabían in San Bartolo Coyotepec und den US-amerikanischen Indymedia-Reporter Brad Will in Santa Lucia Amilpas, der Anfang Oktober nach Oaxaca gekommen war, um den seit fünf Monaten andauernden sozialen Konflikt für das globale unabhängige Mediennetzwerk Indymedia zu dokumentieren. Brad Will stirbt mit der Videokamera in der Hand durch zwei Schüsse in Brust und Bauch.
Die APPO installiert eine provisorische Notfallstation in einer Kirche, um die zahlreichen Verletzten zu betreuen, nachdem die offiziellen Krankenhäuser sich weigern, die Verletzten aufzunehmen oder durch bewaffnete PRI-Männer daran gehindert werden.
Die Verkehrsblockade der APPO legt den ganzen Tag über alle Hauptverkehrsrouten vollständig lahm. Viele Busfahrer beteiligen sich an den Aktionen und verstärken die Barrikaden mit ihren Fahrzeugen.
Die Sechste Kommission der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung ruft alle Anhänger der Anderen Kampagne auf, sich von ihren Orten aus, mit allen Mitteln und in allen Formen in Unterstützung der APPO zu manifestieren und die sofortige Absetzung des Mörders Ulises Ruiz sowie seine Bestrafung und die seiner Meuchelmörder zu fordern.
28. Oktober:
Die Regierung schickt Truppen: Etwa 4.500 Mitglieder der PFP und der Militärpolizei, 16 Militärflugzeuge, 4 Hubschrauber, 1 Kampf- und 1 Ultraleichtflugzeug werden ausgemacht und sammeln sich in den Dörfern Santiaguito Etla, Hacienda Blanca und Santa Rosa.
29. Oktober:
Mit Wasserwerfern, Schaufelbaggern und Tränengas dringen Brigaden der Präventivpolizei PFP in Richtung Zócalo vor und besetzen die Straßen und Räume des Historischen Stadtzentrums. Radio APPO ruft dazu auf, friedlich zu bleiben und weder mit Steinen noch sonst was auf Aggressionen zu reagieren.
60 Verhaftete, 30 Verschwundene und mindestens 2 Tote werden gemeldet, Verletzte und Verhaftete werden verschleppt und gefoltert.
25.000 Personen wollen vom Distrito Federal aus in einer großen Karawane nach Oaxaca aufbrechen.
Gouverneur Ruiz, der in den Medien behauptete, er sei die ganze Zeit in Oaxaca und beobachte die Situation, wurde in der Hauptstadt Mexiko City von mehreren tausend DemonstrantInnen aus einem Hotel vertrieben, in dem er sich versteckt hielt, konnte jedoch unter dem Schutz der Polizei flüchten.
30. Oktober:
Mindestens 4 Tote werden nach den gestrigen Polizeieinsätzen gemeldet. Ulises hingegen zeigt sich zufrieden, da die Normalität in der Stadt ohne jede Gewalt wieder hergestellt worden sei.
31. Oktober:
Der mexikanische Senat und die Abgeordnetenkammer fordern nach Wochen des Schweigens Ulises Ruiz Ortiz nun endlich dazu auf, sein Amt aufzugeben.
September 2006
1. September:
Felipe Calderon, wahrscheinlich ab 2007 neuer Präsident Mexikos, erklärt in einem Fernsehinterview, dass er den Konflikt in Oaxaca mit dem Einsatz der Polizei und durch Aufhebung der Meinungsfreiheit lösen würde.
In der Sierra Juarez inszeniert die Ex-Regierung eine Komödie mit blutigen Absichten: Als Guerrilleros verkleidete Schauspieler mit nagelneuen AK-47 und sauberen Uniformen behaupten, die Vertreter von sechs bewaffneten Bewegungen zu sein und die APPO zu unterstützen. Sofort melden sich Zeugen, die die angeblichen „Guerrilleros“ identifizieren und den Schwindel entlarven, mit dem über die staatlichen Medien das Klima für einen Militäreinsatz vorbereitet werden soll.
Zwei Lehrer werden am Weg zu einer Versammlung von einem Polizeiwagen gejagt und beschossen. Der Vorfall wird sofort an Radio APPO gemeldet, welches daraufhin die Bevölkerung in den entsprechenden Quartieren bittet, alle Wege zu sperren und den Verfolgten Schutz zu gewähren. Nach einer halben Stunde gelingt es tatsächlich, die Verfolger zu stoppen und die beiden Lehrer in Sicherheit zu bringen.
2. September:
Die 5. Mega-Demo in Oaxaca-Stadt wird trotz strömendem Regen zu einem sieben Kilometer langen Protestzug mit teils kämpferischem, teils volksfestähnlichem Charakter und 500.000 TeilnehmerInnen. Sämtliche nationalen Medien ignorieren dieses Ereignis jedoch, so dass eine baldige Lösung kaum in Sicht scheint. Viele rechnen mit einer Verschärfung der Situation, haben zur Verstärkung der Barrikaden aufgerufen und zu einer Ausweitung der organisatorischen Anstrengungen in den Gemeinden.
4. September:
Mobile APPO-Kontingente schliessen weitere 16 Regierungsstellen, um den Verhandlungsdruck auf die Regierung Fox zu erhöhen. Damit gibt es in Oaxaca nur noch ein paar wenige halbwegs funktionierende Ämter wie zum Beispiel das Umweltamt. Die Räumungen verliefen ohne jegliche Gewalt und im Beisein der Presse. Die Leute wurden aufgefordert, ihre persönlichen Sachen einzupacken und das Gebäude sofort zu verlassen.
Während die Ex-Reigerung Ulises militärische Spezialeinheiten anfordert und Truppen in Stellung bringt, verkündet die APPO, dass sie in Kürze ein Manifest an die Nation veröffentlichen werde, wo sie den Gouverneur als offiziell abgesetzt erklären und ausrufen werden, dass ab sofort die APPO die Regierungsgeschäfte im ganzen Bundesstaat übernimmt. Der Sprecher der (Ex)-Regierung Ulises Ruiz gab bekannt, dass dies eindeutig illegal und verfassungswidrig sei und scharfe Konsequenzen nach sich ziehen werde.
Gleichzeitig koordiniert die APPO bereits die wichtigsten Angelegenheiten wie Abfallbeseitigung, Sicherheit und Justiz, welche durch die Regierungsunfähigkeit schon seit Monaten ausser Kraft sind.
In den letzten Wochen haben sich in verschiedenen Stadtquartieren autonome „Polizeien“ organisiert, die offensichtlich relativ erfolgreich funktionieren und schon jetzt einen sehr guten Ruf geniessen. Dies insbesondere darum, weil sie, im Gegensatz zur offiziellen Polizei, nicht korrupt und nicht am organisierten Verbrechen beteiligt sind.
14. September:
Die APPO und die Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft (SNTE) haben ihre Konsultativabstimmung zum grössten Teil beendet und es scheint so, als würde der Verhandlungsvorschlag des Innenministeriums grossmehrheitlich zurückgewiesen werden.
Das Angebot der Regierung beinhaltet nicht einen einzigen Punkt, der mit den Forderungen der Bewegung übereinstimmt und beschränkt sich ausschliesslich auf finanzielle und materielle Verbesserungen für die LehrerInnen. Er wird allgemein als „Kaufangebot“ für die Sektion 22 der SNTE gedeutet, um die Bewegung zu spalten, indem man der grössten Fraktion ein attraktives Angebot unterbreitet und den Rest der Bewegung ausschliesst.
15. September:
APPO und Innenministerium teilen der Presse mit, dass die Regierung einen Vorschlag unterstützt, der eine Reform auf politischer und ökonomischer Ebene, sowie Sicherheit, Menschenrechte und Wahlrecht beinhalte, sowie 17 Forderungen der Lehrer und Lehrerinnen erfülle. Im Gegenzug verpflichte sich die APPO, in den nächsten Tagen alle Barrikaden und Strassenblockaden zu räumen, den „Planton“ auf dem Zocalo aufzugeben, blockierte Regierungsgebäude freizugeben und die besetzten Radiostationen zu verlassen. Über die Zukunft von Ulises wurde kein Wort verloren und genauso wenig über die politischen Gefangenen.
Dieses Zwischenergebnis der Verhandlungen wurde in Oaxaca mit Verwunderung aufgenommen und in den verschiedenen Radiostationen der APPO in Frage gestellt.
Die Regierung Ulises fordert inzwischen die Hilfe der Bundespolizei PFP und konzentriert die Restbestände der staatlichen Polizei an strategischen Punkten. Unterstützung kommt vom Kongress der Parlamentsabgeordneten, die ein Dekret verabschieden, dass die Unterstützung der Bundespolizei PFP für die Bewältigung des Konfliktes in Oaxaca fordert. Von sämtlichen Parteien unterzeichnet, fordert das Dokument die Entsendung von Polizeikräften, um die Normalität im Bundesstaat wieder herzustellen.
17. September:
Die VertreterInnen der APPO stellen die Falschmeldungen der letzten Tage klar: Sie seien nie von der Forderung nach Ulises‘ Rücktritt abgewichen. Das Angebot der Regierung wird nun an der Basis diskutiert.
detaillierter Bericht
21. September:
Verhandlungen abgebrochen! Die Verhandlungen zwischen Bunfesregierung und APPO gehen ohne Resultate zuende – es wird kein neuer Termin für weitere Gespräche vereinbart. Das Innenministerium lehnt die zentrale Forderung von APPO und Lehrergewerkschaft, die Absetzung von Ulises Ruiz, ab.
Vicente Fox erklärte erneut, er wolle das Problem Oaxaca vor dem Amtsantritt von Felipe Calderón (1. Dezember) gelöst haben. Als „Musiker“ getarnte Spezialeinheiten der PFP werden entdeckt, ein weiteres Alarmsignal und Zeichen für die schleichende Militarisierung.
Währenddessen verstärkt die Bevölkerung in Oaxaca die Barrikaden. Wieder fürchtet man, dass in den nächsten Stunden ein militärischer Angriff grossen Ausmasses geschehen könnte. Rueda Pacheco von der Lehrergewerkschaft meint dazu, der Bundesstaat Oaxaca sei nicht San Salvador Atenco, und verweist damit auf die ungleich grössere Mobilisierung in Oaxaca, die nicht einfach mit ein paar tausend Polizisten niedergeknüppelt werden kann.
Und eine Meldung, die – vielleicht – keinen direkten Zusammenhang zu Oaxaca hat: Subcomandante Marcos ist überraschend nach Chiapas zurückgekehrt. Er traf gestern in San Cristobal ein. Dies wenige Tage, nachdem er ankündigte, im Rahmen der „anderen Kampagne“ die Staaten im Norden Mexikos in den Monaten Oktober und November zu bereisen.
25. September:
Die APPO antwortet den Provokationen der Bundesregierung mit einem kämpferischen Kommunique:
„Wir kennen ihre Präventivaktionen: Vor einem Monat fiel der Compañero Lorenzo San Pablo, ermordet durch ihre Meuchelmörder, während einer dieser Präventivaktionen“. Die Aggressionen hielten alle Nächte lang an und im grösser oder kleinerem Ausmass wurden Schüsse auf die Compañeros der verschiedenen Camps registriert. Durch den Kurs, den Ulises fährt, geschieht das, was wir schon seit vielen Tagen verurteilen, die mörderische Gewalt gegen die Leute aus Oaxaca. Es wird sein letzter Schlag werden. (…) Wir rufen ganz Oaxaca dazu auf, die Camps und die Barrikaden zu verstärken, alle Mittel der Verteidigung müssen stärker werden, stärkt die Barrikaden!
Ulises ist verloren, und wenn ein Tyrann sich verloren fühlt, sucht er jemanden, der ihn mitnimmt, wie er es in einem Treffen vor seinem Kabinett ausdrückte. Wir werden diesem letzten Schlag entschlossen und organisiert gegenübertreten! Der Sieg ist nah, der Tyrann ist verloren! Also los, mit allen zusammen, bis dass er fällt!“
27. September:
Ulises Ruiz Ortiz befiehlt den lokalen Parlamentsabgeordneten, ein Dokument zu verabschieden, in dem die Intervention der Bundespolizei verlangt wird, und fälscht die Unterschrift des Fraktionschefs der Partei Convergencia, um vorzutäuschen, dass alle Parteien mit einer solchen Intervention der Bundespolizei einverstanden wären. Auch bei den Munizipen fand er nicht einmal bei der Hälfte Unterstützung.
Beim Versuch, ein öffentliches Presseinterview zu geben, wird Ulises beinahe von der APPO verhaftet. Bodyguards schiessen ihm den Weg frei, und sie flüchten mit als APPO-Fahrzeuge getarnten Autos. In der Nacht darauf wird der Radiosender des regierungskritischen Unternehmers Lopez Lena angegriffen und teilweise abgebrannt.
28. September:
Sieben KommandantInnen des CCRI-CG treten ihre Reise nach Mexiko-Stadt an, um die Demonstrationen und Aktionen für die Freilassung der 29 Gefangenen von San Salvador Atenco zu unterstützen, während Marcos als Delegierter Null die Reise der Anderen Kampagne im Norden des Landes fortsetzen wird.
Die KommandantInnen Grabiela, Miriam, Gema, Hortencia, David, Zebedeo und Tacho, die vor 11 Jahren die zapatistische Delegation bei den Dialogen von San Andrés koordiniert haben, werden von Lupita (drei oder vier Jahre alt) begleitet, die Delegierte Fünf-ein-Viertel genannt wird, da ihre Mutter Hortencia als fünfte der sieben Delegierten aufgeführt wird.
29. September:
Weiter paramilitärische Attacken durch zivile Polizeikräfte auf AktivistInnen der Volksbewegung. Außerdem Versuche von PRI-Provokateuren, Läden zu plündern und diese Aktionen dann der APPO in die Schuhe zu schieben.
Der Streik, der vom rechten Unternehmerverband ausgerufen wurde, floppt: Laut offiziellen rechten Medien hatten kaum 20% der Läden usw. geschlossen – laut Angaben der APPO lediglich 5%. So oder so zeigt dies den grossen Einfluss der Volksbewegung.
Auch der Versuch der PRI-Leute, in ganz Oaxaca auf eigene Faust die Schulen wieder aufzumachen, um sich gegen die „Radikalen“ der LehrerInnengewerkschaft zu stellen, war mehr als ein Misserfolg. Knapp 50 Schulen wurden zum Unterricht geöffnet, was weniger als ein halbes Prozent der 14.000 Schulen in Oaxaca ausmacht.
In dieser sehr angespannten Situation hat die Vollversammlung der LehrerInnengewerkschaft beschlossen, den Kampf geschlossen weiterzuführen. Die 1.500 Delegierten haben die Resultate der Befragung der Basisbefragung zusammengetragen und halten auch nach 129 Tagen Streik klar fest, dass „sie erst nach dem Sturz des Tyrannen, dem Gouverneur Ulizes Ruiz Ortiz den Streik abbrechen und in die Schulen zurückkehren werden“. Sie bestehen mit Nachdruck darauf, dass sie sich nicht von der APPO und den über 350 Volks- und Basisorganisationen abspalten lassen werden, sondern sich als integralen Teil betrachten. 5.000 Personen beteiligen sich an einem Marsch der APPO nach Mexiko Stadt, um ihren Forderungen im Zentrum der Macht Nachdruck verleihen.
Die Sicherheitskommission der APPO hat heute Nacht ausdrücklich nochmals dazu aufgerufen, an den Barrikaden sehr wachsam zu sein. An verschiedenen Punkten wurden maskierte Gruppen beobachtet, die den Schlägertruppen der PRI zuzurechnen sind und die einzelne Punkte angreifen werden. Von der APPO Seite her werden insbesondere auch die Radiostationen speziell geschützt, da sie wohl die ersten Punkte sein werden, die der Bewegung entrissen werden sollen, damit die Kommunikation der Volksbewegung verhindert wird. Die Radios sind nach wie vor den ganzen Tag auf Sendung und es wird diskutiert, geweint, gehofft, vereint geträumt, gestritten.
30. September:
Der Kongress von Oaxaca verabschiedet als Zeichen der Provokation ein neues Wahlgesetz und verschiebt die für nächstes Jahr vorgesehenen Wahlen. Helikopter der mexikanischen Marine überfliegen die Stützpunkte der APPO in Oaxaca, in Santa Cruz Xoxocotlan und Zaachila. In Radio APPO wird die Bevölkerung auf eine mögliche Räumung vorbereitet. Alle werden aufgerufen, die Barrikaden zu verteidigen, aber ohne Verletzte oder Tote zu riskieren. Im Notfall sollen die Barrikaden verlassen werden, um sich an anderen Orten erneut zu sammeln und die verlorenen Orte in den folgenden Tagen sukzessive wieder besetzen, weil es für die Repressionskräfte nicht möglich sein wird, alle Punkte zu bewachen. Gleichzeitig mit Massenmobilisierungen Präsenz zeigen und vor allem Radio APPO verteidigen, so lange es geht.
Die Stimmung ist voller Angst und gleichzeitig kämpferisch. Radio APPO bittet die nationale und internationale Öffentlichkeit, über die Geschehnisse in Oaxaca zu informieren und ruft insbesondere Menschenrechtsorganisationen auf, eine aktive Rolle zu übernehmen und präsent zu sein, um ein Blutbad zu verhindern. Die Terminologie der Regierung Fox erinnert an diejenige, die von der USA für die Kriege im Irak verwendet wurde: „Es wird kein Blutbad geben – wir werden mit chirurgisch genauen Eingriffen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vermeiden“.
In Mexiko Stadt sichern Subcomandante Marcos und die sieben Delegierten des CCRI-CG der EZLN der FPDT erneut ihre Unterstützung zu und rufen dazu auf, gemeinsam den internationalen Kampf für die Befreiung der Gefangenen von San Salvador Atenco zu reorganisieren und zu initiieren.
Die Kommandanten und Kommandantinnen des CCRI-CG-EZLN bringen ihre Solidarität mit der FPDT zum Ausdruck, fordern die Freilassung der Gefangenen und geben bekannt, daß am 1. Oktober alle Caracoles wiedereröffnet werden sollen, um im südöstlichen Mexiko über den Kampf von Atenco zu informieren, ohne jedoch den Roten Alarm, der seit Mai in Kraft ist, zu beenden. Am 9.Oktober wird die EZLN die Rundreise im nördlichen Mexiko wiederaufnehmen, und am Ende des Jahres soll in Chiapas ein internationales Encuentro stattfinden.
David richtet das Wort an die Atenco-Bewohner, die Mitglieder der FPDT und die Anhänger der Anderen Kampagne, die dem Treffen beiwohnten: „Die Botschaft, die wir von den zapatistischen Gemeinden überbringen, lautet, dass sie sich nicht verkaufen, dass sie sich nicht ergeben und nicht erniedrigen lassen. Wir alle haben das Recht, jene Gerechtigkeit zu fordern, die uns als Volk genommen wurde; wir können angesichts der Ungerechtigkeiten, der Ausbeutungen und der Zerstörung unseres Landes nicht schweigen“.
Hortensia spricht den FPDT-Mitgliedern Mut zu: „Wir stehen euch zur Seite und begleiten euch in eurem Schmerz, eurem Kampf und eurer Rebellion, die in euch und in euren Herzen täglich wächst. Mit eurem Widerstand beweist ihr, dass die Regierung es niemals schaffen wird, die organisierten Dörfer zu erniedrigen“.
Tacho erklärt, dass die Festnahme der FPDT-Mitglieder nur „den Hochmut des Feindes zeigt, der sich rächen wollte“, weil die Campesinos sich dem Raub ihres Gemeindelandes für den Bau des Flughafens widersetzt hatten. „Der Neoliberalismus will uns den besten Boden rauben, um Vergnügungszentren darauf zu stellen, aber das werden wir nicht erlauben, wir werden bis zur letzten Konsequenz kämpfen“, erklärt er und versichert, auf die Menschen von Atenco stolz zu sein, „deren Kampf anderen Dörfern als Beispiel dient“.
David drängt zur Einheit der Dörfer und mahnt: „Wenn wir uns nicht organisieren um zu kämpfen, werden wir unser ganzes Leben lang so verarscht werden; deshalb ist der einzige Weg, den wir haben, uns zu organisieren, uns zu vereinen. Dies ist der Weg, den wir gegen die Drohungen der schlechten Regierenden haben“.
Marcos, der bei dieser Gelegenheit nur die Moderation führt, erklärt, dass die KommandantInnen Grabiela („Delegierte Eins“), Zebedeo („Delegierter Zwei“) und Miriam („Delegierte Drei“) in D.F. bleiben werden, um den Kampf für die Befreiung der Gefangenen von Atenco fortzusetzen. Gema („Delegierte Vier“), Hortensia („Delegierte Fünf“) und ihre kleine Tochter Lupita (Delegierte Fünf-Ein-Viertel), sowie David („Delegierter Sechs“) und Tacho („Delegierter Sieben“) werden am Sonntag nach Chiapas zurückkehren.
August 2006
1. August:
Der Fersehsender Canal 9 wird von oaxakenischen Frauen friedlich besetzt und geht auf Sendung.
3. August:
Die zapatistische Gemeinde Chol de Tumbala (im Norden von Chiapas), in der 30 Familien seit 1999 leben, wird gewaltsam von der Polizei geräumt und mit Traktoren und Motorsägen zerstört.
Denuncia des Rats der Guten Regierung
Bericht des Menschenrechtszentrums FrayBa
7. August:
Die Regierung schickt Spezialeinheiten der Polizei, um die Volksbewegung in Oaxaca (APPO) zu zerschlagen, die noch immer mehrere Regierungsgebäude und öffentliche Plätze besetzt hält. Die APPO ruft den roten Alarm aus und ruft alle Menschen dazu auf, den Protest zu verstärken und der „faschistischen (ehemaligen) Regierung“ Widerstand zu leisten.
Originaltext
Von einem Motorrad aus wird Marcos García Tapia, Mitglied der APPO, Zahnarzt und Professor an der Universität von Oaxaca, erschossen.
8. August:
Die Sendeanlagen von „Radio Universidad“ werden mit Säure übergossen.
9. August:
Drei Aktivisten der Organisation „Unabhängige vereinende Bewegung des Kampfes der Triqui“ (Movimiento Unificador de Lucha Triqui Independiente “ MULTI) und der Volksversammlung in Oaxaca (Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca – APPO) sowie ein Kind werden in einem Hinterhalt auf der Straße ermordet. Die Compañeros sind in einem weißen Pick-up in der Nähe des Dorfes Paraje Pérez unterwegs, als sie gegen 13 Uhr von Unbekannten mit Schusswaffen angegriffen werden.
Zur selben Zeit werden drei Mitglieder der Organisation „Frente Popular Revolucionario“ in der Gemeinde Santa Lucía del Camino am Rande von Oaxaca-Stadt durch in zivil gekleidete Personen auf der Straße überfallen und entführt.
Bereits gegen 7.30 Uhr werden die Gebäude der Tageszeitung „Noticias Voz e Imagen de Oaxaca“ ebenfalls mit Schußwaffen angegriffen, Geräte gestohlen und mehrere Personen verletzt.
10. August:
Wenige Minuten vor dem Ende einer Demonstration gegen den „schmutzigen Krieg“ der Regierung wird diese mit Schusswaffen angegriffen. Zwei Personen werden verletzt und José Jimenez Colmenares wird durch einen Schuss, der ihn ins Herz trifft, getötet. Es „verschwinden“ die Compañeros Juan Gabriel Ríos und Elonaí Santiago Sánchez, beide Lehrer, sowie der Biologe Ramiro Aragón Pérez. Sie waren dabei, nach den Entführten vom Vortag zu suchen.
11. August:
José Jiménez Colmenares wird bei einer Demonstration durch mutmaßliche Polizisten erschossen.
Augenzeugenbericht
12. August:
Evangelio Mendoza González, einer der führenden Vertreter der oaxakenischen Volksversammlung APPO, wird von zivil gekelideten Polizisten in der Gemeinde Santa María Atzompa (ca. 20 Kilometer von Oaxaca-Stadt) festgenommen. Der Verhaftete denunziert verstärkte Repression gegen die APPO und meint, „Dies ist kein Problem – der Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz wird nicht genügend Gefängnisse haben, um alle einzusperren, die sich gegen seine Regierung auflehnen.“Obwohl die APPO sofort alle Ausfahrtstrassen blockierte und jedes Auto genau untersuchte, konnte der Entführte bisher nicht aufgespürt werden.
Die drei entführten Mitglieder der APPO, der Biologe Ramiro Aragón Pérez und die beiden Lehrer Elinoai Santiago Sánches und Juan Gabriel Ríos, werden in Ejutla (Oaxaca) in Gefangenschaft der PGR (Procuraduría General de la Republica) aufgefunden. Die Kommission für Menschenrechte (CDH) kann die Gefangenen besuchen und bestätigt, dass diese gefoltert wurden. Die drei wurden von Mitgliedern der „Secretaria Para la Protección Ciudadana“ in Oaxaca und vom AFI (Agencia Federal de Investigación“, das ist das mexikanische FBI) entführt, in eine verdeckte Operationsbasis verschleppt und dann der PGR übergeben.
13. August:
Der Erzbischof von Oaxaca ruft die Regierung Mexikos zu einer dringenden Intervention in Oaxaca auf, um „der Gewalt Einhalt zu gebieten“.
14. August:
Die Ex-Regierung Ulises bestätigt, daß sich die vor einigen Tagen entführten Aktivisten Erangelio Mendoza Gonzáles (Sektion 22 der LehererInnengewerkschaft SNTE) in Tehuantepec, Ramiro Aragón Pérez (Ornithologe) in Zimatlán, sowie der an den Rollstuhl gefesselte Germán Mendoza Nube in Haft befinden (letzterer „aufgrund seiner besonderen Gefährlichkeit“).
15. August:
Zwei Polizisten in Zivilkleidung schießen auf die Eingangstüre des Hauses von Flavio Sosa Villavicencio (in San Bartolo Coyotepec). Villavicencio gehoert der „Neuen Linken Oaxacas“ an und ist Teil der provisorischen Fuehrung der „Volksversammlung Oaxacas“ (APPO).
Teile der Gewerkschaften mit rund 80.000 Mitgliedern (Staatsangestellten) drohen mit einem Genralstreik, sollte Ulises nicht noch im August seinen Rücktritt verkünden.
16. und 17. August:
In Oaxaca findet das nationale Forum zur Konstruktion der Demokratie und der Regierungsfähigkeit (foro nacional para la construcción de la democracia y gobernalidad) statt. Die Idee ist, an dieser Konferenz zu diskutieren, wie den eine neue Verfassung in Oaxaca aussehen könnte und wie eine Volksregierung in der Realität funktionieren müsste. Die drei Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit (1) Ausrichtung einer neuen Verfassung, (2) Für ein gemeinsames politisches Programm und (3) Eine Politik der Integration und Respekt für die Vielfalt Oaxacas. Rund 900 Personen aus allen Sektoren der Gesellschaft nehmen an diesem Forum teil, das von ca. 10 Radiostationen live über das ganze Land verbreitet und über das Internet auch dem internationalen Publikum zugänglich gemacht wird.
In Atenco wird Ricardo López Espinosa, führender Aktivist der Oppositionsbewegung, verhaftet. In Chiapas steigt die Repression auch gegen das zapatistische Kollektiv und Café „Espiral 7“, dessen MitarbeiterInnen durch Polizisten „in Zivilkleidung und Autos ohne Kennzeichen“ belästigt und vefolgt, sowie durch Hubschrauber (!) überwacht werden.
21. August:
Die Sendeanlagen des Radio- und Fernsehkanals „Canal 9“, der am 1. August von oaxakenischen Frauen besetzt wurde, werden von zivil gekleideten Angreifern (vermutlich Polizisten) beschossen. Eine Person, Sergio Vale Jiménez, 48 Jahre, wird dabei schwer verletzt, die Anlage zerstört, der Sendebetrieb verhindert. Als Antwort auf den Angriff besetzt die Volksbewegung unmittelbar darauf und auf friedliche Art und Weise alle wichtigen kommerziellen Radiosender in Oaxaca-Stadt. Von dort aus werden nun Informationen über die soziale Bewegung gesendet. Gebäude der regierungskritischen Regionalzeitung „Noticias“ werden von einem bewaffneten Schlägertrupp (etwa 70 Personen) angegriffen, die Volksbewegugn befindet sich aufgrund dieser neuerlichen Vorfälle im Alarmzustand. Der öffentliche Nahverkehr ist praktisch komplett zum Erliegen gekommen, bewaffnete Gruppierungen, die der Regierung zugerechnet werden, ziehen durch die Straßen und zünden Fahrzeuge an. Gleichzeitig wird berichtet, dass die Bewegung an Stärke gewinnt. Täglich schließen sich demnach mehr und mehr Organisationen und Gemeinden aus allen Regionen des Bundesstaates Oaxaca der Volksversammlung APPO an. Die APPO ruft die Bevölkerung dazu auf, die ca. 80 besetzten Regierungsgebäude – unter anderem Gerichtsgebäude, das Parlament und den Regierungssitz – verstärkt zu bewachen. Außerdem ergeht ein Aufruf an internationale soziale Organisationen und Menschenrechtsorganismen, den gerechten und legitimen Kampf der Bevölkerung Oaxacas zu unterstützen.
Erlebnisbericht / Kommentar
22. August:
Ca. 450 Polizeikräfte ziehen in einer „Operation zur Reinigung der Straßen“ schießend durch das Stadtzentrum. Die „Sicherheitskräfte“, die bei dieser Aktion an mehreren Besetzercamps Halt machen und Unterstützer einschüchtern, werden z.T. von PRI-nahen Banden unterstützt. Bei Schüssen mit AK-47 Sturmgewehren auf eine unbewaffnete Bewachergruppe eines besetzten Radiosenders wird der 52jährige Architekt Lorenzo Pablo tödlich verletzt. Mehr als 300 Patronenhülsen werden aufgesammelt.
Wenig später werden Polizeiwagen identifiziert, aus denen besetzte Sender angegriffen werden. Dabei gibt es erneut Schussverletzte auf Seiten der Demonstranten. Auf Beschluss der APPO sollen die ca. 500 Barrikaden, die in der Nacht von 21. auf 22. August spontan zum Schutz der Volksbewegung errichtet wurden, in den kommenden Tagen verstärkt werden. Nach wie vor sind vereinzelte Schüsse zu hören.
Auch in anderen Regionen der Bundesstaates, z.B. am Isthmus von Tehuantepec, nehmen die Proteste zu. Mehr und mehr Gemeinden erklären ihre „Autoritäten“ für abgesetzt und fordern die Übergabe der Amtsgeschäfte an das Volk. Inzwischen meldet sich auch die katholische Kirche zu Wort: In einer Bittschrift an den Präsidenten Mexikos rufen mehr als 40 Priester, die in Oaxaca ihren Dienst verrichten, Vicente Fox zu einer unmittelbaren Intervention und zu einer friedlichen Konfliktlösung auf. „Es ist nicht mehr zu verbergen“, so der Brief, „dass im Bundesstaat Oaxaca die Regierbarkeit nicht mehr gegeben ist, dass Gewalt und die Repression seitens verschiedener Autoritäten im Bundesstaat ausgeübt werden, dass die Regierung Oaxacas unfähig ist, den sozialen Konflikt zu lösen, dem schon mehrere Menschen zu Opfer fielen, aufgrund dessen mehrere Meschen gefoltert und illegal festgenommen wurden.“
23. August:
Paramilitärs beschiessen aus Fahrzeugen heraus verschiedene Camps der APPO. Der Zocalo, Radio Oro und Radio La Ley 710 werden angegriffen.
24. August:
Porfirio Hugo Reyes Núñez, ein weiteres Mitglied der Volksfront zur Verteidigung des Landes Erde (FPDT), aus San Salvador Atenco wird festgenommen und in das Gefängnis von Santiaguito eingeliefert.
An verschiedenen Stellen in Oaxaca-Stadt werden Menschen an den Barrikaden beschossen werden.
27. August:
Die Barrikaden werden jede Nacht grösser und zahlreicher und es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese bald aufgegeben werden. Teilweise sind die Quartiere derart gut abgeriegelt, dass es selbst für die dort wohnhafte Bevölkerung schwierig ist, in ihre Häuser zu gelangen. Die Urabstimmung der Lehrer- und Lehrerinnen der SNTE Sektion 22 ist beendet und zugunsten einer Weiterführung der Protestaktionen in massiver Form ausgegangen.
Das Zweite Indigene Encuentro der Halbinsel von Yucatan richtet eine Botschaft an die Indígenas des Landes, an die Regierungen der Region und an die Bevölkerung von Mexiko: „Die Wege der Würde bewandernd, aus dem Traum der Dunkelheit erwachend, diese lange Nacht bis zur Morgendämmerung der Vergessenen seit mehr als 500 Jahre durchschreitend, wir, Indígenas, die wir in unserem Herzen ein Morgen haben, die wir Kinder des Ceiba Baumes sind, Geschwister des Maises, die wir in unserem Herzen die Farbe der Erde tragen, kommen zusammen um unsere Stimme und unsere Erinnerung zu teilen, um gemeinsam die Geografie des Widerstandes und der Rebellion zu errichten“.
Abschlußbotschaft
29. August:
Mehr als 1000 Unternehmer und Kaufleute aus allen Handelskammern Oaxacas am rufen einen ganztägigen Generalstreik aus, um gegen die staatliche Gewalt zu protestieren und eine Lösung der Krise zu fordern. Außerdem wurden auch Kleinhändler und Ladenbesitzer aufgefordert, ihre Zurückweisung der Gewalt symbolisch zum Ausdruck zu bringen, in dem sie eine weißes Schleife an Läden und Ständen befestigen. Am selben Tag kommt es zu ersten Verhandlungen zwischen der APPO und der Bundesregierung. Die Gespräche finden zwar nicht wie gefordert in Oaxaca statt, sondern in Mexiko-Stadt, was die direkte Übertragung über die besetzten Radiostationen und damit die breite Beteiligung der Basis unmöglich macht, jedoch immerhin unter Ausschluß der (vom Volk für abgesetzt erklärten) Regierung Ulises.
Interview mit Philipp Gerber
31. August:
Geschlossene Verhandlungen zwischen der APPO und der Bundesregierung in Mexiko-Stadt, Ulises nicht dabei. Streik der Mittelbetriebe erfolgreich, Unmut in Mittel- und Oberschicht wächst. Vorbereitungen zu neuer Mega-Demo, Klima aber sehr angespannt.
ausführlicher Bericht
Juli 2006
Juli:
Aus dem Lehrerstreik entwickelt sich ein Volksaufstand: Mehr als 30 Rathäuser werden besetzt, öffentliche Straßen, Plätze und Gebäude blockiert. Ungefähr 350 Organisationen, indigene Gemeinden, Gewerkschaften und bürgerliche Zusammenschlüsse gründen die Oaxakenische Volksversammlung (Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca, APPO) und erklären die offiziellen Regierungen für illegitim.
2. Juli:
Die Präsidentschaftswahlen enden nach offizieller Version mit 40% Stimmenthaltung und einem hauchdünnen Vorsprung des PAN-Kandidaten Calderon gegen seinen Herausforderer Lopez Obrador von der PRD. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug der regierungsnahen Wahlbehörde IFE und fordert eine Neuauszählung. Polizisten geben an, tagelang Wahlkarten ausgefüllt zu haben, die kritische Tageszeitung La Jornada veröffentlicht Photos von Wahlunterlagen, die auf einer Müllhalde gefunden wurden, und in Oaxaca werden zwei PRD-Kandidaten erschossen. Einzig EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner bescheinigte den Wahlbehörden „Professionalität, Transparenz und Unabhängigkeit“.
Kleine Kostprobe der mexikanischen Wahlschiebereien gibt’s auf der Page des feministischen Netzwerks: www.creatividadfeminista.org
Die Gouverneurswahlen in Chiapas enden mit einem knappen Sieg des PRD-Kandidaten Juan Sabines mit etwa 0,3 % vor Bodegas (PRI), beide erhalten etwa 48% der gültigen Stimmen, mehr als 60% der Wahlberechtigten verzichten darauf, einen der angetretenen Kandidaten durch ihre Stimme zu unterstützen.
Stellungnahme der EZLN
11. Juli:
Nach 10 Jahren im Gefängnis treten Angel Concepción Pérez Vázquez und Francisco Pérez Gutiérrez – die zwei zapatistischen indigenen Gefangenen von Tacotalpa (Tabasco) – in den Hungerstreik. Sie fordern ihre eigene Freilassung ebenso wie die der Gefangenen von Atenco und aller politischen Gefangenen im ganzen Land.
Am selben Tag stellt die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen aufgrund der sexuellen Übergriffe von Polizisten von Atenco ein, da viele der Frauen die Täter „nicht eindeutig identifizieren“ können. Gegen 21 Beamte (von 2.000) werden jedoch Verfahren wegen „Amtsmißbrauchs“ eingeleitet.
13. Juli:
In der Gemeinde Caucel (Yucatán) stellen sich die BewohnerInnen den Baumaschinen in den Weg, die im Zug des Metropolisur-Projekts (Geschäftsviertel, Wohnhäuser, Kläranlage, Flughafen, …) das letzte Stück Ejido-Land roden wollen. Mehr als 40 Mayas werden gewaltsam festgenommen.
17. Juli:
Erste Zensur für „Radio Insurgente – La voz de los sin voz“: Radio 620 beugt sich dem massiven Druck der mexikanischen Regierung und verzichtet auf die geplante Ausstrahlung eines Interviews mit SubMarcos.
20. Juli:
Am frühen Morgen wird das Wohnhaus von Alejandro Cruz López, Mitglied der APPO, Gründer und Anwalt der indigen-bäuerlichen Menschenrechtsorganisation OIDHO, mit Molotovcocktails angegriffen.
22. Juli:
20 Personen schiessen mit großkalibrigen Waffen auf die Einrichtungen von Radio Universidad. Das Haus von Enrique Rueda Pacheco, Generalsekretär der Sección 22 der nationalen Lehrergewerkschaft wird mit Molotovcocktails beschossen.
Juni 2006
2. Juni:
An der ersten Mega-Demonstration in Oaxaca nehmen 80.000 Menschen teil.
7. Juni:
Alexis Benhumara erliegt den Folgen seiner Kopfverletzung durch eine von der Polizei verschossene Tränengasgranate. Der 20jährige Student erhielt erst nach über 10 Stunden erste ärztliche Hilfe, da die Polizei ihren Belagerungsring um Salvador Atenco zusammengezogen hatte, und wurde mit einer doppelten Schädelfraktur und offenliegender Gehirnmasse ins Krankenhaus eingeliefert. Am 12. Mai wurde sein Gehirntod diagnostiziert.
Unzählige Menschenrechtsorganisationen erklärten: „Der Staat muss sich für seine Rolle bei der Ermordung von Alexis Benhumea verantworten, da die Ermittlungen beweisen, dass das Gasprojektil aus nächster Nähe abgeschossen wurde, als Todesschuss.“
Zweite Mega-Demo in Oaxaca: Mehr als 200.000 Menschen erklären Ulises Ruiz für abgesetzt.
14. Juni:
Die Regierung von Oaxaca unter Ulises Ruiz schickt 13.000 Polizisten, um den anhaltenden Protest der Lehrer zu beenden, die seit dem 22. Mai den Hauptplatz von Oaxaca-Stadt besetzt halten. Der Einsatz endet mit mindestens 3 Todesopfern, 90 Festnahmen und 190 Verletzten.
16. Juni:
Zwei Tage später versammeln sich rund 300.000 Menschen zur größten Protestaktion in der jüngeren Geschichte Oaxacas. Die 3. Mega-Demo mit 500.000 Menschen zieht über sechs Stunden durch die Landeshauptstadt und ist mehr als 15 Kilometer lang.
Mai 2006
3. & 4. Mai:
Ein brutaler Polizeieinsatz gegen Blumenhändler in Texcoco (nahe Mexiko Stadt) stellt die Andere Kampagne vor eine erste große Kraftprobe. Der Terror von mehr als 3.000 staatlichen Einsatzkräften führt zu mehr als 200 Gefangenen und Dutzenden Schwerverletzten. Hunderte Menschen werden mißhandelt und gefoltert, weibliche Gefangene systematisch vergewaltigt.
Faustino Acevedo Bailón, Schatzmeister des Volksgemeinderats Blaseña Zapoteca, der am IV. Nationalen Indígena-Kongress am 5. und 6. Mai im Bundesstaat Mexiko teilnehmen wollte, wird in der Nähe seines Wohnhauses von zwei Unbekannten mit Pistole überfallen und ermordet.
April 2006
April:
Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee, EZLN ruft alle AnhängerInnen der „Sechsten Erklärung“ dazu auf, Widerstand gegen die zunehmende und vertuschte Repression gegen die sozialen AktivistInnen der „Anderen Kampagne“ zu organisieren.
„Im gesamten Land gibt es im Zuge des verschleierten, repressiven Klimas gegen die Andere, eine systematische Verweigerung des Zugangs zu Rechten, die durch die zynische und unmoralische Komplizenschaft der schlechten Regierungen und der Reichsten des Landes geschaffen wird. Die „Andere Kampagne“ hat eine grosse Menge von Anzeigen über Belästigungen, Inhaftierungen und Beschlagnahmungen gegen Sympathisanten/tinnen und Änhänger/innen der „Sechsten“, sowie gegen andere soziale Kämpfer/innen erhalten.
Unserer Auffassung nach, wird der Wahlkampf vom Staat und den Gruppierungen der politischen-und ölonomischen Macht, die ihn lenken und kontrollieren, dazu benutzt, neue Szenarien der Repression zu schaffen. Die Fabrizierung von Vergehen, willkürlicher Freiheitsentzug, Drohungen, Folter, Verschwindenlassen und Mord, ebenso wie die illegale Beschlagnahme von Konten legaler, ziviler und friedlicher Organisationen, die mit sozialen Fällen befasst sind, sind andauernd und definieren die Falschheit der sogenannten „Demokratisierung“ des politischen Lebens in unserem Land“.
Zudem ergeht der Aufruf, eine detaillierte Liste der erfahrenen Repressionen zusammenzustellen, um die Arbeit derer zu erleichern, die im rechtlichen Bereich für das Andere Mexiko kämpfen.
Gleichzeitig versammelten sich gewählte RepräsentantInnen von 46 Nichtregierungorganisationen aus 21 chiapanekischen Gemeinden auf dem staatsweiten Treffen gegen Repression. Die ca. 150 Delegierten beschlossen die Bildung eines Kommunikationsnetzes und ein koordiniertes Antworten auf die repressive Vorgehensweise der verschiedenen Regierungsebenen. Auf dem Forum wurde zudem die Repression gegen die Zahlungsverweigerer der gestiegenen Strompreise angeklagt und diejenigen verteidigt, die sich weigern, an dem zu Landraub führenden Agrarzertifizierungsprogramm teilzunehmen.
20. April:
Samuel Ruiz, ehemaliger Bischof von San Cristóbal de las Casas, protestiert gegen die steigende Zahl an Menschenrechtsverletzungen in Chiapas und klagt an: „Die Behörden ändern nichts an dieser Situation – im Gegenteil, sie legitimieren diese Menschenrechtsverletzungen sogar, sodass die Worte Im Rahmen der Legalität, die wir häufig hören und lesen, etwas völlig anderes bedeuten als Im Rahmen der Gerechtigkeit„. Raúl Vera López, Bischof von Saltillo, Coahuila, denunzierte die paramilitärischen Gruppen: „Sie sind da und werden weiterhin mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht, das sich Paramilitarisierung nennt und ebenso verschwiegen wird wie das Thema der Folter und das der Vertreibung der Menschen durch den Hurrikan Stan oder von den Paramilitärs“.
März 2006
März:
Die Regierung antwortet auf die Andere Kampagne mit Repression. Verantwortliche des Autonomen Landkreises „Rubén Jaramillo“ in der Nordzone von Chiapas melden, dass die mexikanische Armee drei Straßensperren in der besagten Region reinstalliert hat, um UnterstützerInnen der EZLN und der „Anderen Kampagne“ zu belästigen.
2006
1. Januar:
Subcomandante Marcos begibt sich als Subdelegat Null als erster offizieller Vertreter des „Sechsten Komittees“ der EZLN auf eine Rundreise, die ihn durch sämtliche Bundesstaaten Mexikos führen soll. Die neue demokratische Initiative hat begonnen!
6. Januar:
Subcomandante Marcos befindet sich im Rahmen der Anderen Kampagne gerade im Saal der Organisation Frente Cívico in Tonalá, als er vom Tod der Kommandantin Ramona erfährt: „In meiner Funktion als Sprecher der EZLN gibt es sehr schwierige Momente, wie diesen hier. Mir wurde soeben mitgeteilt, dass heute morgen die Kommandantin Ramona verstorben ist.“
Vor den Zuhörern, denen die Betroffenheit anzusehen war, fügte er hinzu: „Wir wissen, was alle wissen. Die Kommandantin Ramona hat dem Tod 10 Jahre gestohlen. Dank der Unterstützung von Menschen wie euch konnte sie operiert werden und bekam eine neue Niere. Heute morgen litt sie unter Erbrechen, Durchfall und Blutungen, und auf dem Weg nach San Cristóbal verstarb sie. Es gibt in einer solchen Situation keine Worte, aber ich kann sagen, dass die Welt eine jener Frauen verloren hat, die neue Welten gebären. Mexiko hat eine Kämpferin verloren, wie es nur wenige gibt, und wir haben ein Stück unseres Herzens verloren.“
Hier versagt Marcos die Stimme: „In einigen Minuten wird das Caracol von Oventic geschlossen, und wir werden den Tod dieser Compañera in privatem Kreise betrauern. Wir hoffen auf das Verständnis der Journalisten und bitten darum, ihren Tod nicht in ein Medienereignis zu verwandeln.“
Ramona war bereits beim „Aufstand vor dem Aufstand“ – beim Entwurf und der Durchsetzung der „Revolutionären Frauengesetze“ der EZLN – federführend und ein Symbol für die Beteiligung der Frauen an der zapatistischen Rebellion. Beim Aufstand der Zapatistas im Jänner 1994 befehligte sie die Einnahme von San Cristóbal und nahm anschließend an den ersten Friedensverhandlungen mit der Regierung teil.
1996 verkündete die EZLN, dass sie den militärischen Belagerungsring durchbrechen werden und mit einer Delegation an der Gründung des Nationalen Indigenen Kongresses in Mexiko Stadt teilnehmen würden. Als Präsident Zedillo mit der Verhaftung jedes Zapatistas ausserhalb des Konfliktgebietes drohte, liess die EZLN verlauten, dass sie ihre „gefährlichste Waffe“ auf diese Mission senden würden: Der verblüfften Öffentlichkeit wurde Comandanta Ramona, die kleine, kaum spanisch sprechende Tzotzil-Indígena aus dem Bezirk San Andrés vorgestellt.
Nach ihrer Nierentransplantation zog sich Ramona aus der Öffentlichkeit zurück, bis sie im Herbst 2005 an der ersten Vollversammlung der „Anderen Kampagne“ im lakandonischen Urwald teilnahm. Ramona galt als erste Beraterin von Marcos und setzte sich zeitlebens für die Wertschätzung der Frauen ein.
Dezember 2005
Dezember:
Letzte Vorbereitungen für den Start der ersten Delegation der Anderen Kampagne.
In Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen seitens der Regierung verkündet die EZLN: „Wir werden uns von jenen, die uns immer mit Verachtung und Anmaßung behandelt haben, nichts erhoffen oder erbitten“. Während die Regierung vorgibt, Reisefreiheit zu gewähren, berichten die Räte der Guten Regierung und unabhängige Nachrichtendienste von umfangreichen Truppenbewegungen und Straßensperren durch die Bundesarmee.
Ein Team von unabhängigen Journalisten kündigt an, diese Reise zu begleiten und ihre Berichte unter https://www.narconews.com/otroperiodismo/ zu veröffentlichen.
Radio Insurgente wird von der EZLN an die zivilen Unterstützungsbasen übergeben. Um die Trennung zwischen den politisch-militärischen und den zivilen demokratischen Strukturen fortzusetzen, sollen in den kommenden Monaten indigene zivile zapatistische Frauen und Männer in Technik und Radioproduktion ausgebildet werden.
September 2005
September:
Den ganzen September über wird in Treffen der Zivilgesellschaft (tausende VertreterInnen von indigenen Organisationen, Gewerkschaften, Bauernverbänden sowie anderen linken Gruppen) mit der EZLN über den Aufbau der „Anderen Kampagne“ beraten. Sämtliche UnterstützerInnen der „Sechsten Erklärung“ sollen sich dieser mexikoweiten Allianz als „Alternative zur neoliberalen Zerstörung“ anschließen und Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit (zumindest) für ganz Mexiko fordern. In scharfen Worten wird das politische System und insbesondere die PRD für ihre Lügen und den Verrat an den Indígenas kritisiert.
Juni 2005
Juni:
In mehreren aufeinanderfolgenden Comunicados ruft die EZLN den roten Alarm für sämtliche zapatistische Truppen und ihr gesamtes Gebiet aus, während in den Dörfern über den Eintritt in eine neue Phase des zapatistischen Aufstands beraten wird. Als Ergebnis der Consulta veröffentlicht Marcos die Sechste Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald, mit der alle linken oppositionellen Menschen und Organisationen zur Bildung eines breiten Bündnisses aufgerufen werden.
Mai 2005
Mai:
Die EZLN gibt bekannt, daß die Umsiedlung der aus den Montes Azules vertriebenen Döfer abgeschlossen ist.
2005
EZLN startete anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Mexiko eine Kampagne gegen das gesamte Parteiensystem und forderte stattdessen eine außerparlamentarische Mobilisierung und begann mit der „anderen Kampagne“. Mehrere Treffen mit allen linken Gruppierungen in Mexiko sollte zu einer landesweiten Vernetzung führen. Diese Kampagne wird nicht zuletzt durch immer wieder währende Angriffe von rechtsgerichteten Gruppen und ehemals verbündeten Bauernmilizen, mit denen sich die EZLN mittlerweile um ursprünglich gemeinsam besetztes Land im Streit liegt, überschattet. Mehrmals entzog sich die Führung der EZLN deshalb bereits der Öffentlichkeit, um sich auf drohende Konflikte vorzubereiten.
Oktober 2004
Oktober:
In Absprache mit dem Rat der Guten Regierung in La Realidad verlassen die zapatistischen Familien von San Isidro ihr Dorf in den Montes Azules als Flüchtlinge, um der Konfrontation mit den Behörden auszuweichen und sich näher am Caracol der Region anzusiedeln. Der Rat der Guten Regierung wiederholt jedoch die Warnung, daß jede Zerstörung der Natur und Ausbeutung der Ressourcen auf entschiedenen Widerstand der Indígenas stoßen werde. Die Zivilgesellschaft wird dringend gebeten, die Flüchtlinge zu unterstützen, die damit ihre gesamte Lebensgrundlage erneut verloren haben.
September 2004
September:
Um die Verteidigung ihres Wassers zu sichern, gründen Mazahua-Frauen im Bundesstatt Mexiko ein zapatistisches Frauenheer.
August 2004
6. August:
Das Ya-Basta-Netz demonstriert in Berlin gegen die Repression in Mexiko.
9. August:
6.000 Menschen feiern in Oventik ebenso wie in den anderen Caracoles das einjährige Bestehen der Räte der Guten Regierung mit feurigen Reden, Musik, Tanz und Basketballturnieren.
Subcomandante Marcos präsentiert eine ebenso ausführliche wie selbstkritische Bilanz.
Juli 2004
Juli:
Verstärkte Repression gegen die AktivistInnen des CIPO-RFM in Oaxaca: Nach gewaltsamen Übergriffen am 10. Juli in Cruz Huatulco durch PRIistas und Polizeieinheiten wird Edgar Torija Pérez in Etla am 11. Juli beim Plakatieren überrascht und durch Messerstiche tödlich verwundet. Einen Tag darauf werden mehrere CIPO-AktivistInnen in Santa Cruz
Hutulco durch PRIistas verletzt und Pedro Cruz Salazar (beide CIPO-Aktivisten) in Yocunicuca (Gemeinde Yosonotu) durch Paramilitärs aus Santa Lucía Monteverde ermordet. Am Tag darauf tauchen die Mörder erneut in der indigenen Gemeinde auf, feuern um sich und drohen mit weiteren Anschlägen.
Als Reaktion darauf stürmen am 15. Juli mehr als 1.000 Indígenas Oaxaca-Stadt mit brennenden Fackeln mehrere öffentliche Gebäude in Tlaxiaco, Nochixtlán, Etla, Ixtlán und Oaxaca. Die Besetzungen verlaufen friedlich, phantasievoll und entschlossen. Lediglich dem Obersten Gerichtshof gelingt es, rechtzeitig die Eingangstüren zu verschließen, und so genügen sich die DemonstrantInnen damit, das Gebäude zu umzingeln.
Die Aufforderung zum Dialog wird jedoch von sämtlichen Regierungsvertretern ignoriert, daher schließen sich die portestierenden Indígenas den Mahnwachen an mehreren öffentlichen Plätzen in der Stadt an, die seit dem 20. April ausharren und Gerechtigkeit und ein Ende der Repression fordern.
Juni 2004
7. Juni:
Eduardo Vázquez Álvaro, Indígena-Aktivist und Mitglied der zapatistischen Gefangenenorganisation „Die Stimme des Cerro Hueco“, wird im Stadtzentrum von Chilón ermordet. Fünf Männer aus zwei Autos verletzen Eduardo zunächst mit Schußwaffen und Macheten und überrollen schließlich seinen leblosen Körper.
Hunderte Zapatistas und SympathisantInnen beschuldigen am nächsten Tag in einer Großdemonstration lokale Großgrundbesitzer und Kaziken, als Drahtzieher für den Mord verantwortlich zu sein. Polizei- und Militäreinheiten, die durch die Ortschaft patroullieren wollen, müssen sich unter einem Steinhagel der Demonstrierenden zurückziehen.
Mai 2004
17. Mai:
Die Grüne Ökologische Partei (PVEM) fordert die Räumung der zapatistischen Dörfer in Montes Azules und die Ausweisung von „Unruhe stiftenden Ausländern“.
Am selben Tag verkündet das Ministerium für soziale Entwicklung ein gemeinsames Projekt der EU und der mexikanischen Regierung in Höhe von 31 Millionen €, mit denen „die nachhaltige Entwicklung der Selva Lacandona“ gefördert werden soll.
April 2004
April:
Das Internationale Rote Kreuz kündigt an, Chiapas innerhalb der nächsten drei Monate zu verlassen und seine Bemühungen anderen Bevölkerungen zu widmen, die wie in Kolumbien und Irak unter den Zerstörungen kriegerischer Konflikte leiden.
10. April:
4.000 Zapatistas werden in Zinacantán nahe Oventik von Mitgliedern der PRD mit Steinwürfen, Feuerwerkskörpern und Schußwaffen angegriffen, als sie von einer Demonstration zur Unterstützung von rund 70 zapatistischen Familien zurückkehren, denen vom PRD-Bürgermeister die Wasserzufuhr abgestellt wurde. Es ist der schwerste Angriff auf die Anhänger des zapatistischen Befreiungsheers EZLN seit Jahren (20 Verletzte, 2 Schwerverletzte).
19. April:
Pável Gónzalez, Aktivist im Streik der UNAM und der Kooperative Smaliyel, wird in Mexiko-Stadt entführt, gefoltert, vergewaltigt und ermordet.
25. April:
101 indigene Familien kehren unter dem Schutz von MenschenrechtsbeobachterInnen, dem Rat der Guten Regierung von Oventik und EZLN-VertreterInnen in ihre zerstörten Häuser in Zinacantán zurück.
März 2004
März:
Das regierungstreue Zentrum für Forschung und soziale Sicherheit (CISEN – Centro de Investigación y Seguridad Nacional) berichtet, daß die EZLN in den vergangenen vier Monaten die Camps zur „militärischen Schulung“ von 8 auf 20 und die Zahl der MilizionärInnen von 700 auf über 2.000 erhöht habe.
José Luis Solís Cortés, Kommissar der Präventiven Bundespolizei (PFP) in Chiapas, fügt hinzu, daß man ebenfalls wisse, daß eine „zapatistische Polizei“ geschaffen wurde, die „mit Knüppeln“ ihre Funktion zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Zone erfüllt.
Weitere – ebenso altbekannte wie offensichtlich falsche – Vorwürfe des Drogenhandels und der Schlepperei sollen anscheinend eine neue „Bedrohung“ Mexikos durch die Zapatistas in den bürgerlichen Medien vermitteln.
Die Lokalregierung von Chiapas unter Pablo Salazar bezeichnet diese Spekalutationen als unverantwortlich und fügt hinzu: „Weder die Situation noch die bekannten Bedingungen für alle bekannten politischen AkteurInnen, Organisationen und Kommunikationsmedien haben sich verändert. Man stellt keinerlei Anzeichen militärischer Art fest, im Gegenteil, die EZLN beschäftigt sich mit Formen politischer Organisierung, die sie im August 2003 öffentlich präsentierte, bekannt als die Juntas der Guten Regierung „.
Nach den politischen Erfolgen der Zapatistas vom vergangenen Jahr – v.a. der De-facto-Autonomie in ihren Gebieten – scheint sich die Regierung in Zugzwang zu sehen und versucht, durch den Aufbau von Bedrohungsszenarien mögliche Angriffe gegen die EZLN legitimieren zu können und die weithin anerkannte moralische Integrität der Zapatistas zu beschädigen.
Propaganda-Aktivitäten wie diese sind seit 1994 Teil der Aufstandsbekämpfung, die die Eliten Mexikos immer wieder vorantreiben. Dieser sogenannte „Krieg der niederen Intensität“ besteht aus Militäreinsatz, Unterstützung paramilitärischer Gruppen, erheblichen Geldzuwendungen an rebellische Gemeinden, um sie zu „bekehren“ und zu spalten, sowie aus massiver Desinformation und wird hohen mexikanischen Offizieren an US-amerikanischen Militärschulen gelehrt.
Februar 2004
16. Februar:
Die Summe der von EmigrantInnen (hauptsächlich aus den USA) heimgeschickten Gelder macht nach Angaben der mexikanischen Zentralbank mehr als 13 Milliarden Dollar aus und ist damit nach dem Export von Erdöl die wichtigste Devisenquelle. 77% dieses Geldes werden für den Kauf von Grundnahrungsmitteln verwendet.
Januar 2004
1. Januar:
Die EZLN feiert gemeinsam mit Unterstützungsgruppen auf der ganzen Welt den 10. Jahrestag seit Beginn des Aufstands. Paramilitärs drohen mit neuer Gewalt, während die „Räte der Guten Regierung“ immer stärker auch von Nicht-Zapatisten anerkannt werden.
14. Januar:
Rund 1.500 PolizistInnen stürmen Tlalnepantla (südlich von Mexico City, Bundesstaat Morelos) und lösen die autonome Regierung auf, die den „offiziellen“ Bürgermeister Lías Osorio für abgesetzt erklärt hatte, auf. Ein Mensch wird bei dem brutalen Einsatz getötet, unzählige verletzt, viele sind seither verschwunden oder wurden inhaftiert, während der größte Teil der Bevölkerung in die nahegelegenen Berge oder in die benachbarten Dörfer flüchtete.
24. Januar:
Mehr als 600 Campesinos werden durch die Polizei von den Grundstücken Los Cerros und Los Cerritos in Suchiate, nahe der Grenze zu Guatemala, vertrieben, die sie seit 11 Jahren besetzt hielten. Regierungsminister Rubén Velázquez López erklärt: „Diese Regierung wird keine weiteren Landbesetzungen dulden, sie wird sich aber durch die Einhaltung der Menschenrechte während den Zwangsräumungen außerordentlich hervortun.“
In Nuevo San Rafael, einem Flüchtlingsdorf in den Montes Azules, werden 23 Häuser niedergebrannt (praktisch das komplette Dorf) und sämtliche BewohnerInnen vertrieben. MenschenrechtsbeobachterInnen werden von der Militärpolizei nicht in die Gemeinde gelassen.
Auch im Ejido Emiliano Zapata werden Übergriffe durch staatliche Einheiten befürchtet.
30. Januar:
Die BewohnerInnen von San Isidro kündigen wie viele der rund 40 weiteren Gemeinden in den Montes Azules an, ihr Land, falls es notwendig sein sollte, mit Blut zu verteidigen.
Luis Gabriel Sanchez, Sprecher der Kommission für Ökologie und der Grünen Partei, fordert die Ausweisung aller internationalen Beobachter, die „ihr Touristenvisum dazu mißbrauchen, die Guerilla zu unterstützen.“ Inzwischen steigt die Zahl der Militärpatrouillen in der Gegend dramatisch an. MenschenrechtsbeobachterInnen befürchten eine bevorstehende Räumung und bitten um internationale Aufmerksamkeit.
16. Oktober
Bartolome Salas, Mitglied des „Indigenen Volksrates von Oaxaca – Ricardo Flores Magón“ (CIPO-RFM), wird während eines Überfalls von etwa 50 Paramilitärs auf die Gemeindeversammlung des kleinen Ortes Santa María Yavinche getötet, neun weitere Personen durch Schüsse verletzt. Die Angreifer erhielten laut CIPO finanzielle und logistische Unterstützung durch Jose Murat, den Gouverneur von Oaxaca, trugen Armeeuniformen und benutzten Waffen, „die exklusiv der Armee vorbehalten sind“.
Kurz vor dem Angriff erst hatte der CIPO-RFM in Santa María Yavinche seine politische Autonomie von staatlichen Strukturen erklärt, „um unsere Erde zu verteidigen und gegen die Megaprojekte des Plan Puebla Panama und der Freihandelszone ALCA zu kämpfen“.
Der Angriff Mitte des Monats war kein Einzelfall. Am 5. Oktober wurde Estela Ambrosio Luna von der „Koordination der Kaffeeproduzenten von Oaxaca“ (CEPCO) mit vier Schüssen getötet. Am 17. August hatten „unbekannte Täter“ den Rechtsanwalt Carlos Sanchez, Führungspersönlichkeit der lokalen „Arbeiter-, Bauern und Studentenkoalition“ (COCEI) brutal erschlagen.
Überall dort, wo sich die Bevölkerung demokratisch und basisbezogen organisiert, antworten die lokalen und überregionalen Eliten mit der Gründung paramilitärischer Gruppen, um ihre ökonomischen und politischen Interessen zu sichern“, beklagte der Aktivist und ehemalige politische Gefangene Juan Sosa. Die PRI-Regierung unter Murat, der sich öffentlich gerne als „Freund der Indígenas“ präsentiert, spiele ein doppeltes Spiel, „denn sie steht in unmittelbarer Verbindung mit der paramilitärischen Gewalt“. Sosa, selber Folteropfer, beklagte, dass Polizei und Militaer soziale
Aktivisten oft festnehmen, um unter Gewaltanwendung Geständnisse unterzeichnen lassen. Aufgrund dieser Dokumente würden die Menschen dann unschuldig und für lange Zeit inhaftiert. 120 Menschen bereisten als Vertreter von mehr als 20 sozialen Organisationen Ende November mehrere Regionen des Staates in einer Protestkarawane, um der Gewalt, Repression und Straflosigkeit in Oaxaca zu begegnen.
12. Oktober
VertrerInnen der Zivilgesellschaft präsentieren das Ergebnis einer Volksbefragung, an der über 100.000 Menschen mit 99 % gegen die Freihandelsabkommen NAFTA, ALCA und den Plan Puebla Panamá aussprachen. test
15. September
Die Gipfelkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Canc?n scheitert nach einer knappen Woche unter dem Jubel zehntausender Demonstranten. Zum ersten Mal präsentieren sich die VertreterInnen der „Entwicklungsländer“ selbstbewusst und fordern die Beücksichtigung ihrer Interessen. kommentar
9. August
Mehr als 10.000 Zapatisten feiern in Oventik den „Tod der Aguascalientes und die Geburt der Caracoles“ als Beginn einer neuen Strategie des Widerstandes und Ausweitung der Autonomie.
In den fünf „Caracoles“ (dt.: Meeresschnecken), die jeweils sieben municipios umfassen, befinden sich die „juntas de buen gobierno“ (dt.: Räte der Guten Regierung). Diese Räte werden durch je zwei „autoridades“ (MandatsträgerInnen) der municipios gebildet. Ihre Aufgaben liegen darin, für die Einhaltung der revolutionären Gesetze der EZLN und ihrer Gemeinden zu sorgen, Streitigkeiten zu schlichten, den Austausch mit der Zivilgesellschaft zu koordinieren und eine den eigenen Bedürfnissen entsprechende Verteilung der Hilfsprojekte zu erreichen.
Das Bild der Schnecke verdeutlicht die Bemühungen, eine autonome Selbstverwaltung des gehorchenden Regierens zu verwirklichen. Durch den Eingang in das Schneckenhaus, der die Tür zu einer kollektiven Entscheidungsfindung darstellt, und die Spirale des politischen Diskurses sollen alle Stimmen gehört werden, um schliesslich im Zentrum zu einem Konsens zusammenzukommen. Umgekehrt werden getroffene Beschüsse durch die Spirale des Schneckenhauses wieder in die Welt getragen.
Zur gleichen Zeit moderiert Sup Marcos das erste auf Kurzwelle international gesendete Programm von „Radio Insurgente – die Stimme der EZLN“ und verkündet das Ende seiner kurzzeitigen Sprecherrolle für die Räte der guten Regierung, deren Vertreter nun bei Bedarf selbst sprechen wuerden. Ebenso kündigt er die Auflösung aller EZLN-Strassenkontrollen in Chiapas an, eine Überprüfung von Fahrzeugen erfolge nur noch beim Verdacht auf Schmuggel von Drogen, Waffen oder Edelhölzern. Dieser Entschluss sei gefasst worden, weil jede gute Regierung, so Marcos, mit der Vernunft und nicht mit der Armee regieren sollte.
Juli
Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus verlaufen einigermassen reguär, der zapatistischen Aufruf zum Wahlboykott senkt die Wahlbeteiligung jedoch auf peinliche 40 % (in Chiapas sogar 30 %). Das nebenächliche Ergebnis: PAN 31%, PRI 34%, PRD 18%.
April
Lino Korrodi, der Mann, der sich um die Finanzierung der Wahlkampagnen von Vicente Fox kümmert, seit dieser Gouverneurskandidat für den Bundesstaat Guanajuato war, gibt zu, dass Fox die Päsidentschaftswahl ohne das für seine Wahlkampagne benutzte Schwarzgeld nicht gewonnen hätte.
Januar
12 nationale und regionale Organisationen land- und forstwirtschaftlicher Produzenten schliessen sich zur Bewegung „El Campo no aguanta más“ (Mehr erträgt der ländliche Raum nicht) zusammen.
1. Januar
Nach zweijährigem Schweigen meldet sich die EZLN wieder in der Öffentlichkeit. Mehr als 20.000 Indígenas und Campesinos besetzen mit einer Grossdemonstration den völlig überfüllten Hauptplatz von San Cristóbal de las Casas, um die Botschaften der Comandantes Esther, David, Fidelia, Omar, Mister und Bruce Lee zu ören. „Wir kommen um ihnen zu sagen, dass wir hier sind und weiterhin leben. Wir haben uns nicht ergeben. Wir sind weder gespalten noch zerstritten“, wenden sich die Comandantes gegen „die Lügen der schlechten Regierung“. „Dieser Kampf hat kaum begonnen“, sagt David in der letzten Ansprache der zapatistischen Comandantes: „Zünden wir ein grosses Licht an, damit die ölker sehen, dass wir die Rebellion weiterühren.“
Dezember
Die von der Räumung durch Militär und Polizei bedrohten Gemeinschaften in Montes Azules bitten die EZLN um Unterstützung. Die 42 räumungsbedrohten Siedlungen, in denen etwa 25.000 meist zapatistische Indigenas wohnen, haben sich dazu entschieden, in den Montes Azules zu bleiben, „auch wenn dies ihr Leben kosten sollte“.
In seiner Antwort warnt Marcos die Regierung, dass die EZLN im Fall von Auseinandersetzung ihre Kriegserkärung nicht erst wiederholen würden
September
Das höchste mexikanische Gericht, der Suprema Corte de Justicia de la Nacion, schmettert die Einsprachen von 330 indigenen Gemeinden gegen das „Ley Indigena Light“ ab. Damit soll auch den neoliberalen Grossprojekten im Rahmen des „Plan Puebla-Panama“ Tür und Tor geöffnet und den indigenen Gemeinden kein legaler Rahmen des Einspruchs gestattet werden.
Der Kleinkrieg der Paramilitärs gegen die autonomen Gemeinden geht verstärkt weiter und fordert im Monat August vier Tote und über zwanzig Verletzte.
August
Ein Sieg für die Bauern von San Salvador Atenco: Acht Monate lang kämpften die Bewohner und Bewohnerinnen der nordöstlich der mexikanischen Hauptstadt gelegenen Gemeinde gegen einen geplanten Grossflughafen auf ihrem Boden. Rund 70 Prozent des Bodens der Kommune sollten Start- und Landepisten, Parkpätzen und Einkaufszentren weichen, 345 Wohnäuser ären dem Erdboden gleichgemacht worden.
Also wehrten sich die Bauern und Bäuerinnen. Sie ernannten Atenco zur „autonomer Gemeinde im Widerstand“, verjagten die örtliche Polizei sowie den Bürgermeister, der sich für den Bau ausgesprochen hatte, organisierten Autobahnblockaden, Demonstrationen und zahlreichen andere Aktionen gegen das Vorhaben der Regierung. Mitte Juli kam es sogar zu einer vorübergehenden Geiselnahme von neun Polizisten und Gefängnisbeamten, nachdem die Polizei ihrerseits mehrere Bauern verhaftet und zum Teil schwer misshandelt hatte. ür den Bauern José Enrique Espinoza, vierfacher Familienvater, Bauern kam der Geiseltausch zu sät: Er starb an den erlittenen Kopfverletzungen, da ihm im Geängnis jedeärztliche Betreuung verweigert worden war.
Mai
Die Gewalt in den bitterarmen Gemeinden im Süden Mexicos eskaliert. In Santiago Xochiltepec (Oaxaca) werden 26 Bauern auf einer entlegenen Landstrasse angehalten und niedergemetzelt. Beim Menschenrechtszentrum Bartoloé Carrasco macht man vor allem staatliche Veräumnisse für die Massaker verantwortlich. Den Beörden sei es nicht gelungen, ungeklärte Landforderungen zwischen Kleinbauern und Holzfällern zu schlichten und in den verarmten südlichen Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas und Guerrero für Recht, Ordnung und Gerechtigkeit zu sorgen.
April
Mehr als 1.500 Familien aus 30 indigenen Gemeinden sollen aus ihren Dörfern in Montes Azules vertrieben werden. Die mexikanische Regierung verweist darauf, dass es sich um ein Naturschutzgebiet handle, dessen Gleichgewicht geährdet sei. Der internationale Protest gegen die Vertreibung erreicht Päsident Fox beim Weltwirtschaftsgipfel in Madrid, ährend er seine Päne zur Ausbeutung der Rohstoffe und Abholzung des Regenwaldes päsentiert.
Februar / März
Eine dritte internationale Kommission aus Menschenrechtsbeobachtern reist nach Mexico. Ihr ernüchterndes Resumée sieht auch nach Fox‘ Amtsantritt keine Verbesserungen der Situation, andauernde Verletzungen der Menschenrechte und keinerlei Anzeichen der Regierung, an einer friedlichen Lösung interessiert zu sein.
November
Die Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa wird ermordet.
Oktober
Bei den Regionalwahlen in Chiapas kommt es zu Stimmenthaltungen von knapp 60%. Beobachter berichten von massiven Wahlrechtsverletzungen, gefälschten und verschwundenen Stimmzetteln, Stimmenkauf und Manipulation. Das offizielle Ergebnis bestätigt die absolute Mehrheit der PRI bei leichten Zugewinnen für die Oppositionsparteien.
Juni
Zum erste Mal gibt das Militär zu, Spezialtruppen zur Aufstandsbekämpfung durch guatemaltekische Kaibiles ausbilden zu lassen, dies der Öffentlichkeit jedoch aufgrund des „schlechten Rufs“ der Kaibiles verschwiegen zu haben. Die Kaibiles werden für unzählige Verbrechen gegen die Menschenrechte während des 30 Jahre dauernden Bürgerkriegs in ihrem Land verantwortlich gemacht.
Mai
Weiterhin nimmt die Militärpräsenz in Chiapas zu. Die unter Medienrummel geräumten Kasernen und Stützpunkte sind wieder besetzt, Strassensperren und -kontrollen werden wieder errichtet. Neue Strassen sollen die Milärlager am Rande des Lakandonischen Urwalds miteinander verbinden und so den Belagerungsring rund um das zapatistische Gebiet zuschnüren.
In San Pedro de Michoacán beginnen die Einwohner von Guadalupe Tepeyac in aller Stille die Arbeiten zum Wiederaufbau der Gemeinde, aus der sie vor sechs Jahren von der Armee vertrieben wurden.
April
Als Reaktion auf den zapatistischen Marsch verabschiedet die Regierung ein „Autonomiegesetz“. Menschenrechtsgruppen, Indigener Kongress und EZLN lehnen dieses Gesetz vehement ab, da es die Autonomie beschneidet, anstatt sie zu ördern (-> Stellungnahme des CNI).
Der CNI kündigt an, mit der „Wiedergewinnung indigenen Landes“ zu beginnen, angefangen mit 5.000 Hektar Land in Potosí Huasteca.
Die EZLN wirft Fox Verrat und Täuschung vor, fordert die Umsetzung der Vereinbarungen von San Andrés anstatt „dieser Anerkennung der Rechte und Kultur der Grossgrundbesitzer“ und bricht sämtliche Gespräche mit der Regierung ab.
19. April
Neues Massaker der Paramilitärs: Im Bezirk „Venustiano Carranza“ überfällt die „Alianza San Bartolomé de Los Llanos“ eine Gruppe Landarbeiter, die der BäuerInnenorganisation „OCEZ-Casa del Pueblo“ nahestehen. Zwei Bauern können fliehen, acht werden ermordet.
25. Feburar – 28. März
Mit einer spektakulären Reise der EZLN-Führung nach Mexiko-Stadt wird die Umsetzung der 1996 beschlossenen Verträge von San Andrés gefordert. In einer Phase, in der die Regierung auf Propagandaoffensiven, Zermürbung durch scheinheilige Verhandlungen und militärische Repression setzt, wendet sich die EZLN mit diesem Marsch an die Zivilbevölkerung, um den demokratischen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Hunderttausende Menschen begrüssen die Delegation, die auf ihrem Weg durch die massive Anwesenheit in- und ausändischer Firedensbeobachter geschützt wird, immer wieder Halt in indigenen Dörfern macht und auch am „Nationalen Indigenen Kongress in Michiacan teilnimmt.
Den Abschluss der Reise bildete der Auftritt der zapatistischen Comandantes im mexikanischen Kongress. Als erste Rednerin betonte Comandante Ester die dreifache Unterückung der indigenen Frauen.
Sämtliche Reden während des zapatistischen Marsches findet ihr auf der Homepage von Zapapres. Für eine genauere Beschreibung der Reise klickt auf Marsch der indigenen Würde.
12. Januar
Die zwei verschwundenen Zapatisten der Kooperative „Tierra y Libertad“ seien nicht verschwunden, sondern verhaftet worden, wird offiziell erklärt. Ihnen wird zu Lasten gelegt, an einem geplanten Angriff beteiligt gewesen zu sein. Vier weitere zapatistische Gefangene werden freigelassen.
Fast 12.000 indigene EZLN-Sympathisanten fordern in San Cristóbal de las Casas die Erfüllung der drei Forderungen für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. In einer der grössten Demonstrationen der letzten Jahre mahnen die rebellischen Indígenas: „Sieben Jahre nach unserem Aufstand gegen das Vergessen und dem Rassismus, nach sieben Jahren des Widerstandes und des Kampfes für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit für alle, sagen wir Ihnen, dass der Krieg und der Tod in weiterhin unseren Dörfern leben, weil die Militarisierung und Paramilitarisierung bis heute weitergeht und keine unserer Forderungen erfüllt worden sind“.
10. Januar
Mehr als 20 der 53 „geräumten“ Militärbefestigungen in den Gemeinden von Ocosingo, Palenque und Las Margaritas sind in ihre Stützpunkte zurückgekehrt. Die Bewohner der autonomen Gemeinden berichten über erneute Belästigungen und Schikanen der Militärs. Das Schicksal der zwei „verhafteten“ Zapatisten der Kooperative „Tierra y Libertad“ ist nicht bekannt, in der Gemeinde Primero de Enero wurden die Bewohner von Jawaltón von einer Gruppe Soldaten in Zivilkleidung bedroht. Die Soldaten vergiften das Wasser des Flusses mit Asuntol, einem Desinfektionsmittel für Rinder, und streuen Marijuanasamen auf die Kaffeefelder. In Roberto Barrios werden nachts Militärübungen durchgeführt und Schüsse in Richtung der zapatistischen Gemeinden abgefeuert.
Der Oberbefehlshaber des VII. militärischen Distriktes gibt bekannt, dass sich seit Januar bereits 500 Soldaten aus Chiapas zurückgezogen hätten, dass die Armee aber weiterhin bleiben ürde, um andere wichtige Pflichten „ausser“ der Bekämpfung der EZLN wahrzunehmen, die da wären: die Bekämpfung des Drogenhandels, der Grenzschutz und der liebevolle Schutz des Naturschutzgebietes von Montes Azules, um die illegale Abholzung zu unterbinden.
Am selben Tag wird die Militärbasis in Cuxulja im Glanzlicht der Öffentlichkeit geräumt. 20 lateinamerikanische Botschafter klatschen gehorsam Beifall. Friedensbotschafter Alvarez strahlt: „Die Regierung spricht nicht mit Worten, sondern Taten“. Die Schau stehlen aber die fast tausend zapatistischen Demonstranten, die sich versammelt haben, um gegen die wirkliche Situation zu protestieren. In einem Kommuniqué denunzieren sie die Lügen der Regierung und erinnern daran, dass sie sich nicht gegen die PRI erhoben haben, sondern gegen das System, das sie erniedrigt und dem Vergessen preisgibt. Der Krieg gegen das Vergessen wird weitergehen, bis die Indígenas in Mexiko anerkannt und nie wieder vergessen werden. Es wird keinen Dialog geben, solange die Regierung nicht bewiesen hat, dass sie zumindest die drei Minimalforderungen ehrenhaft erüllen kann. Ob die Botschafter sich nicht mal den wahren Stand der Militarisierung aus der Nähe ansehen wollten? Antwort: „Das ist im Programm nicht vorgesehen.“
Fox verkündet seine Teilnahme am Wirtschaftsgipfel in Davos. Eine grossangelegte Medienkampagne soll das Image Mexikos vor den euroäischen Partner verbessern.
9. Januar
Etwa 69 ehemalige Spitzel, die für die PRI in Chiapas als Mitarbeiter der „Koordination für Information und Politische Analyse“ tätig waren, wurden am 4.Januar bei der Eliminierung des alten Überwachungsapparates durch den neuen Gouverneur Pablo Salazar Mediguchia entlassen. Aus Protest gegen ihre Entlassung verkaufen sie ein Interview an eine Tageszeitung und erzählen, dass die Koordination etwa 90 Mitarbeiter hatte: Vier Rezeptionisten, acht Analytiker zur Informationsauswertung, mehr als 50 „Ermittler“ in allen Regionen des Staates und 12 „Sammler“, die die täglichen Berichte abfingen. 251 Dossiers mit je mehr als 200 Seiten Umfang bezeugen das Ausmass dieser ätigkeit.
Bereits 1993 leiteten diese aus den Gemeinden angeworbenen Agenten Informationen über die Bewegungen bewaffneter Gruppen in Las Margaritas und Ocosingo an die Regierung weiter, die diesen jedoch keine Beachtung schenkte. Zu ihren Aufgaben gehörte auch die ständige Beschattung von Bischof Samuel Ruiz. Sie infiltrierten sämtliche politische und landwirtschaftliche Organisationen und autonome Gemeinderegierungen und führten detaillierte Berichte über diese Aktivitäten: „Wir erfassten alles: Märsche, Todesfälle, Konferenzen, interne politische Bewegungen jeder Gemeinde, Wahlergebnisse, einfach alles“, erzählt ein ehemaliger Ermittler. Als Stichprobe seines Könnens legt ein anderer Informationen über Subcomandante Marcos‘ Privatleben vor.
5. Januar
Im Militärlager Roberto Barrios scheinen die Soldaten von Roberto Barrios auf alles vorbereitet zu sein, ausser auf einen Abzug aus diesem Stützpunkt, der im Februar 1996 eingerichtet wurde und weniger als einen Kilometer vom Aguascalientes der EZLN entfernt liegt. Ein doppelter Zaun aus Stacheldraht wurde um das gesamte Militärgelände von Roberto Barrios errichtet: Er schützt die Einrichtungen, verhindert das Eintreten fremder Personen und kennzeichnet das Gebiet, das von der mexikanischen Armee besetzt wird. Nach den Ereignissen von Jolnachoj, wo unbewaffnete Demonstranten die Armee zum Rückzug gezwungen hatten, wurde er zusätzlich verstärkt.
Die Befehlshaber der Militäreinrichtung verweisen auf den Präsidenten: „Der Befehl lautet zu bleiben, zu halten und sich nicht zurückzuziehen“, versicherte General Lopez. Pedro, EZLN-Sympathisant meint, dass Päsident Fox die Mexikaner betrügt, wenn er sagt, dass diese Kontrollpunkte nicht änger existierten: „Sehen Sie, hier sind sie, sie überwachen weiter alle Zapatisten, fotografieren die Fremden, und unsere Fahrzeuge werden angehalten und durchsucht, so wie immer. Nichts hat sich verändert.“
Jahresbeginn
Zapatistische Mobilisierungen erreichen den Rückzug der mexikanischen Bundesarmee aus zwei ihrer 259 Positionen. Nach der Räumung des umstrittenen Militärcamps von Amador Hernandez am 22. Dezember, gegen das die Dorfbevölkerung seit der militärischen Besetzung im August ’99 täglich demonstriert hatte, protestierten am 31. Dezember frühmorgens 700 zum Teil vermummte Zapatistas gegen das Militärcamp von Jolnachoj. Die 200 dort stationierten Soldaten wurden zum unverzüglichen Abzug aufgefordert. Nach einer halbstündigen Kundgebung in angespannter Atmosphäre zogen die Demonstrierenden in das fünf Minuten entfernte Aguascalientes Oventic ab, um dort die Feiern zum siebenjährigen Jubiläum des zapatistischen Aufstandes zu beginnen. Kurz darauf packten die Soldaten ihre Sachen und zogen ab – anscheinend auf direkten Befehl des neuen Präsidenten Fox, der eine Konfrontation mit den Demonstrierenden vermeiden wollte.
Die Freilassung der zapatistischen Gefangenen, ebenfalls eine Vorbedingung der EZLN, kommt langsam voran. Am 30. Dezember wurden 16 freigelassen, aber weitere 85 Gefangene warten auf das Resultat der Haftüberprüfung, die der neue chiapanekische Gouverneur Pablo Salazar angeordnet hat.
Im nationalen Parlament wird das erste Abkommen über indigene Rechte und Kultur in den folgenden Wochen diskutiert werden. Die Erfüllung dieses Abkommens von San Andrés ist der dritte Punkt für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Zur selben Zeit veröffentlicht der Nationale Sicherheitsrat der USA, eine Abteilung des CIA, seinen Bericht „Globale Tendenzen 2015“. Nach Einschätzung des CIA steht Lateinamerika einer neuen Bedrohung gegenüber: den indigenen Widerstandsbewegungen: „Diese Bewegungen haben grossen Zuwachs zu verzeichnen. Erleichtert wird dies durch transnationale Netzwerke von Aktivisten, die ür die Rechte der Indígenas eintreten, durch internationale, gut finanzierte Menschenrechts und Ökologiegruppen“. Ausserdem sagen die Experten voraus, dass sich die „Spannungen im Gebiet von Mexiko bis über die Amazonas-Region verschärfen werden“. Bereits 1999 hatte das chilenische Militärinstitut „Zentrum für militärische Studien und Untersuchungen“ (Centro de Estudios e Investigaciones Militares) einen ähnlichen Bericht namens „Der Konflikt mit den Mapuches und seine Auswirkungen auf die nationale Sicherheit“ herausgegeben. Der aktive Widerstand der Mapuches gegen grosse internationale Konzerne, welche den Indigenen ihr Land rauben und ihre naürlichen Lebensgrundlagen zerstören, hat sich in ein Thema der nationalen Sicherheit verwandelt.
31. Dezember
Nahe Oventic besetzt eine Demonstration von 700 Zapatistas einen Militärstützpunkt, der eine halbe Stunde nach ihrem Abzug geräumt wird. Die Feiern zum Jahrestag des Aufstandes verlaufen ruhig.
22. Dezember
Die Bundesarmee zieht sich aus der ersten der sieben Positionen, deren Räumung die EZLN fordert, zurück: Amador Hernández.
2. Dezember
Die EZLN zeigt sich offen gegenüber der neuen Regierung und betont ihren Willen für eine politische Lösung des Konflikts. Sie fordert drei Signale von Seiten der Regierung zum Beweis ihres Friedenswillens: Freilassung der zapatistischen Gefangenen, Rückzug der Bundesarmee aus sieben (von 259) militärischen Positionen und Umsetzung des ersten Abkommens von San Andrés. Ausserdem kündigt die EZLN den „Marsch für die indigene Würde“ an, mit dem die Zapatistas für die COCOPA-Gesetzesinitiative zu den indigenen Rechten und Kultur eintreten wollen.
1. Dezember
Vicente Fox übernimmt die Macht und ordnet die Auflösung der Militärsperren auf den Strassen von Chiapas an.
2. Juli
Die PRI wird bei den Präsidentschaftswahlen nach 71 Jahren an der Macht durch Vicente Fox von der konservativen PAN besiegt. Die sozialdemokratische PRD verliert an Gewicht. PRI und PAN dominieren zusammen auch die Parlamentskammern.
12. Juni
In El Bosque gerät eine Polizeistreife in einen Hinterhalt. Sieben Polizisten werden getötet, zwei weitere Personen verletzt. Die Urheberschaft wird unter den Paramilitärs vermutet, verhaftet werden jedoch zwei Zapatistas.
Januar – Juli
Angespanntes Wahlkampfklima. Die EZLN befürchtet einen militärischen Schlag des scheidenden Präsidenten Zedillo.
15.-25. November
Zweite „internationale Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte“ analysiert den Konfliktverlauf und übergibt den Bericht Mary Robinson, der UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte.
15. September
Am Tag der mexikanischen Unabhängigkeit wird ein Fest der mexikanischen Botschaft in Bern durch eine lautstarke Kundgebung gestört.
14. August
Die Bundesarmee besetzt unter Einsatz von Fallschirmjägern ein Landstück beim Dschungeldorf Amador Hernández und hält somit eine weitere Position am Eingang des Naturschutzgebietes „Montes Azules“, wo sich die Truppen der EZLN versteckt halten. Die widerständige Bevölkerung demonstriert über ein Jahr lang täglich gegen das Militärcamp.
April-Juli
Die Bundesarmee intensiviert den „Krieg niederer Intensität“ mit immer neuen Übergriffen auf indigene Gemeinden.
21. März
An der „Nationale Befragung“ werden fast 3 Millionen Stimmen abgegeben und somit die politischen Forderungen der indigenen Bewegung legitimiert. 5000 Zapatistas begleiteten und promovierten die „Consulta“ im ganzen Land.
19. Juli
Mit der „Fünften Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“ bricht die EZLN ihr monatelanges Schweigen und ruft zur „Nationalen Befragung gegen den Krieg der Ausrottung“ auf.
10. Juni
Bei der Räumung des autonomen Bezirks San Juan de la Libertad (El Bosque) werden in einem Feuergefecht acht Dorfbewohner und zwei Polizisten getötet. Die genauen Umstände der Schiesserei bleiben bis heute unklar.
Mai
Eine italienische Beobachtungs-Delegation von 120 Leuten wird aus Mexiko ausgewiesen.
Februar / März
Die europäische Solibewegung organisiert die „internationale Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte“, die die Konfliktentwicklung vor Ort recherchiert und einen Bericht der UNO und verschieden Parlamenten übergibt.
Januar – Juli
Die Bundesarmee fällt in mehreren autonome Bezirken ein und verhaftet die Ratsmitglieder. Die autonomen Verwaltungen funktionieren klandestin weiter.
Januar
Weltweite Solidaritätskundgebungen in der Folge des Massakers von Acteal: in Rom demonstrieren 50’000 Leute, in Zürich 500. In Genf wird das mexikanische Konsulat besetzt.
22. Dezember
Massaker in Acteal im Bezirk Chenalhó: 45 Menschen werden von Paramilitärs erschossen oder niedergemetzelt. Polizei und Militär bleiben untätig. Der lokale PRI-Gemeindepräsident wird verhaftet, der Gouverneur von Chiapas und der Innenminister müssen den Hut nehmen, werden jedoch nicht zur Verantwortung gezogen. Insgesamt sind 20’000 Leute durch die paramilitärische Gewalt intern Vertrieben.
August – Dezember
Immer mehr autonome zapatistische Bezirke praktizieren offen ihre Selbstverwaltung und setzen so die Abkommen von San Andrés de facto um. Die Übergriffe der Paramilitärs mehren sich, nun auch in den Altos. Hunderte von Familien werden vertrieben.
9. September
Marsch von 1111 vermummten Zapatistas nach Mexiko Stadt, um die Umsetzung der Abkommen von San Andrés zu fordern und am zweiten „Nationalen Indigenen Kongress“ teilzunehmen.
29. Juli – 3. August
Zweites „Intergalaktisches Treffen für die Menschlichkeit und gegen den Neoliberalismus“ in Spanien. Die WTO und andere Institutionen des Neoliberalismus werden Thema.
16. Januar
Die Zapatistas lehnen den Vorschlag von Zedillo zu den indigenen Rechten ab. Die Friedensverhandlungen sind weiter unterbrochen.
20.-22. Dezember
In Zürich findet eine europaweite Sitzung der Soligruppen statt, an der 150 Delegierte teilnehmen. Das zweite Intergalaktische Treffen wird beschlossen.
November / Dezember
Die Parlamentskommission COCOPA legt ihren Gesetzesentwurf über die indigenen Rechte und Kultur vor, der von der EZLN akzeptiert, von Zedillo jedoch abgelehnt wird. Zedillo macht einen eigenen Vorschlag, der mit den ursprünglichen Abkommen von San Andrés nicht mehr viel zu tun hat.
10.-12. Oktober
Erster „Nationaler Indigener Kongress“ in Mexiko Stadt, an dem die Comandanta Ramona als Delegierte der EZLN teilnimmt.
29. Juli – 3. August
Erstes „Intergalaktisches Treffen für die Menschlichkeit und gegen den Neoliberalismus“ mit über 3000 Leuten aus 54 Ländern findet in den zapatistischen Gemeinden statt.
16. Februar
Bei den Verhandlungen von San Andrés wird ein erstes Abkommen über „Indigene Rechte und Kultur“ unterzeichnet. Der erste Verhandlungstisch (von insgesamt sieben) wurde somit beendet. Eine zweite Verhandlungsrunde scheitert im August desselben Jahres u. a. weil das erste Abkommen nicht umgesetzt wird.
1. Januar
Die EZLN ruft als Antwort auf die nationale Befragung die „Zapatistische Front der Nationalen Befreiung“ ins Leben, politischer und zivilier Ausdruck der zapatistischen Bewegung.
August
1.3 Millionen MexikanerInnen sprechen sich bei der ersten „Nationalen Befragung für den Frieden und die Demokratie“ dafür aus, dass sich die EZLN in ein „landesweites, unabhängiges politisches Forum“ umwandelt.
Sommer
Die Bundesarmee beginnt mit der Ausbildung der Paramilitärs in Chiapas; „Paz y Justicia“ ermorden und vertreiben Oppositionelle in der Zona Norte.
Februar / März
In Mexiko und weltweit finden wiederum grosse Mobilisierungen gegen den Krieg in Chiapas statt, so auch in Zürich. Die Öffentlichkeit zwingt den Präsidenten Zedillo, die Militäroffensive zu beenden. In der Folge dieser Mobilisierungen entsteht die „Direkte Solidarität mit Chiapas“.
April: Vorbereitungen für weitere Friedensverhandlungen.
9. Februar
Präsident Zedillo gibt die vermeintliche Identität von Subcomandante Marcos als Rafael Sabastian Guillén Vicente bekannt; Zedillo erlässt Haftbefehle gegen ihn und weitere Mitglieder der EZLN-Führung; Bundesarmee und Polizeieinheiten dringen in zapatistisch kontrollierte Gebiete ein und besetzen die Dörfer; die Zapatistas ziehen sich tief in den lakandonischen Urwald zurück, oft fliehen ganze Dorfgemeinschaften mit ihnen; es kommt nicht zu einer Konfrontation zwischen den beiden Armeen.
Dezember
Eine der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrisen erschüttert das Land: Freigabe des Wechselkurses, Einbruch des Pesokurses um 40 %, massive Kapitalflucht.
19. Dezember
Zweite militärische Offensive der EZLN; über tausend KämpferInnen durchbrechen den Sperrgürtel der Bundesarmee, vermeiden aber jeden bewaffneten Zusammenstoss; sie besetzten 38 Ortschaften und erklären sie zusammen mit der Lokalbevölkerung zu „autonomen aufständischen Gemeinden“.
10. Oktober
EZLN bricht Gespräche mit der Regierung ab.
21. August
Präsidentschaftswahlen: PRI-Kandidat Ernesto Zedillo wird in einer unsauberen Wahl neuer Präsident.
6.-9. August
Treffen des „Nationalen Demokratischen Konvents“ CND. Mehr als 6000 Personen treffen sich mit der EZLN im eigens dafür gebauten „Aguascalientes“ in Guadalupe Tepeyac.
12. März
Schweizweite Demonstration zur Unterstützung der Zaptistas in Zürich mit über 500 Personen.
Februar / März
Erste Friedensgespräche zwischen der Regierung und der EZLN unter Vermittlung von Samuel Ruiz.
Ende Januar
Erste Demonstration anlässlich des WEF in Davos gegen die Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten Salinas.
12. Januar
Hunderttausend Personen demonstrieren in Mexiko-Stadt gegen den Krieg in Chiapas; Präsident Salinas de Gortari ruft einen einseitigen Waffenstillstand aus.
2.-11. Januar
Bombardierung indianischer Gemeinden durch die Regierungstruppen. Es kommen Pilatus-Flugzeuge, hergestellt in Stans, zum Einsatz. Es werden neben der Zivilbevölkerung auch Journalisten verletzt. Gewaltakte, Massenerschiessungen und Vertreibungen durch Bundesarmee und „Guardias Blancas“ (Pistoleros der Grossgrundbesitzer); weltweite Proteste und Sympathiebekundungen für die Sache der Zapatistas.
2. Januar
Subcomandante Marcos verliest in San Cristóbal die „Erste Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“: „Heute sagen wir: es reicht!“ Die Zapatistas begründen mit 13 Forderungen ihren Kampf: Arbeit, Land, Wohnung, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Frieden, Information und Kultur; die EZLN nimmt den früheren Gouverneur von Chiapas, Absalón Castellanos, auf seinem Herrensitz fest und macht ihm den Prozess als „einem der gewalttätigsten Gouverneure in der Geschichte von Chiapas“; sie lässt ihn einige Wochen später wieder frei mit der Strafe, „bis zum Ende des Lebens mit der Schande leben zu müssen“.
1. Januar
Die EZLN besetzt die Bezirkshauptorte San Cristóbal de las Casas, Ocosingo, Altamirano, Las Margaritas, Oxchuc, Huixtán, Abasolo, Chanal und Larráinzar. Gleichzeitig mit dieser überraschenden Guerillaoffensive tritt Mexiko dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA bei.
1983-1994
Die EZLN organisiert während zehn Jahren klandestin die indigene Bevölkerung in den Regionen Norte, Altos und Selva.
Erste Zelle der EZLN
Sechs Personen gründen am 17. November die erste Zelle der EZLN im Lakandonischen Urwald.
Erster indigener Kongress
Erster indigener Kongress in San Cristóbal de las Casas, organisiert von der Diözese von Bischof Samuel Ruiz.