Südmexiko-Newsletter Juni 2022

HINWEIS

Sa, 11. Juni 2022 DEMO DEFEND KURDISTAN

Kurdistan verteidigen …. Die Revolution verteidigen
15 Uhr, Werdmühleplatz Zürich

Weitere Infos: https://barrikade.info/event/1758

Zum Aufruf: DefendKurdistanAufruf-1106

IN EIGENER SACHE: Kaffee Kaffee Kaffee … fein fair fuerte –
Kurzfilm und Bericht über Kooperative

Es freut uns sehr, im Zusammenhang mit der Kooperative Corazón de la Montaña aus Puebla, mit der der Verein Café RebelDía seit kurzem zusammenarbeitet, einen Kurzfilm des Kollektivs Campo Abierto wie auch einen Bericht zur Kooperative und ihrem Besuch bei den compas zu veröffentlichen.

Kurzfilm: Corazón de la Montaña – Kooperative Café Tepeyolo und Café RebelDía

Das Kollektiv Campo Abierto zeigt Eindrücke aus der Sierra Negra, wo sich die Nahua-Gemeinden in der neuen Kooperative „Herz der Berge“ (Corazón de la Montaña) organisieren.
Mit dieser jungen Kooperative wird Café RebelDía neu aufgemischt und erhält nach 22 Jahren eine rebellische Compañera: Aus dem Robusta- und teils auch Arabica-Kaffee von Corazón de la Montaña aus Puebla entstand die neue Café RebelDía-Espressomischung.

Zum Film: https://vimeo.com/708717568

 

Zu Besuch bei Corazón de la Montaña

Von Leonie Vidensky. Im Februar 2022 hat der Verein Café RebelDía uns – einer kleinen Gruppe um das Kollektiv Campo Abierto – ermöglicht, die Kaffeekooperative Corazón de la Montaña in der Sierra Negra von Puebla zu besuchen. Bei Campo Abierto untersuchen wir Phänomene und Transformationsprozesse von Territorien und konzentrieren uns dabei auf die Mechanismen der Kolonialisierung und Globalisierung. Von unserem Besuch haben wir viele Eindrücke mitnehmen dürfen und wollen nun einen Teil davon schildern.

Herausfordernder erster Export
Der Export des ersten Kaffees der Kooperative Corazón de la Montaña ist die Frucht von vielen Jahren Arbeit. Wie wir durch die Schilderungen der Genoss:innen erfahren durften, ist viel in die Organisation in den letzten sechs Jahren investiert worden, bevor 2021 der erste Container Kaffee verschifft werden konnte. Viel Überzeugungsarbeit musste geleistet und viele technische und bürokratische Hürden genommen werden. Es sei nicht immer einfach, die Kaffeebäuer:innen von der Zusammenarbeit in einer Kooperative zu überzeugen. Für den Mut, Jahre Vorarbeit ohne Garantie auf Erfolg zu leisten, brauche es viel Idealismus und Glauben an einen besseren Verkauf und gerechtere Preise über die Kooperative. Und selbst dann, wenn der Kaffee endlich über die Kooperative verkauft werden kann, konkurriert die harte Realität des Marktes tagtäglich die Arbeit in der Kooperative.

Quelle: Campo Abierto

Anstatt ihren Kaffee an die Kooperative zu liefern, könnten Bäuer:innen auch an Mittelsleute, die «Coyotes» verkaufen. Die Coyotes drücken oft die Preise, dafür zahlen sie sofort und bar auf die Hand. Verkaufen die Bäuer:innen über eine Kooperative, erhalten sie zwar eine Teilfinanzierung vor der Ernte, aber auf die zweite Hälfte muss länger gewartet werden. Akute Bedürfnisse, wie jene nach Medikamenten während der Corona-Pandemie, machen dieses schnelle Geld, das sie bei den Coyotes erhalten könnten, gelegentlich sehr verführerisch.

Was uns ebenfalls auffiel, waren die erschwerenden und unglücklichen Umstände des ersten Verkaufsjahres bei Corazón de la Montaña. Dieses Jahr war der Kaffeepreis durch die schlechten Ernten in Brasilien und Kolumbien auf dem internationalen Markt massiv gestiegen und dadurch hatten auch die Coyotes ihre Preise gehoben. Für eine Kooperative in ihrem ersten Jahr erschwert es die Arbeit ungemein, wenn der eigene Preis plötzlich so direkt konkurriert wird. Was sich die Kaffeebäuer:innen vom Zusammenschluss in einer Kooperative erhofft hatten, war ja gerade ein höherer Preis. Natürlich wissen die Bäuer:innen um die Volatilität des Marktpreises und schätzen die Langfristigkeit und Solidarität über das Solidaritätsnetzwerk Café RebelDía und bleiben darum der Kooperative treu. In den Gesprächsrunden um die „patios secos“ – den Betonflächen, auf denen der Kaffee an der Sonne trocknet – war diese besonderen Umstände und der Kaffeepreis aber doch immer das brennendste Thema.

Direkter Austausch
Als Konsument:innen und Produzent:innen zusammen in einer Runde zu sitzen, haben sich interessante Gespräche und neue Perspektiven eröffnet. Als schweizerische und argentinische Kaffeekonsument:innen hat uns die Frage umgetrieben, wie die Auswirkungen des globalen Kaffeehandels noch verständlicher dargestellt werden könnten.

Quelle: Campo Abierto

Während unserem Besuch wurden die bekannte Problematik vom Preisdruck der monopolistischen Käufer:innen auf die vielen Kaffeekleinbäuer:innen erlebbare Realität. Und obwohl dies inzwischen zum Allgemeinwissen gehört und uns in Europa allgegenwärtig als Mahnung von den Werbeflächen mit Fairtrade-Label zulächelt, ist der Preis des Kaffees immer noch das ausschlaggebendste Kriterium für den Kaufentscheid. Und das verstanden auch die mexikanischen Kaffeebäuer:innen in der Runde um den Patio Seco. Welches Gewicht «los recursos economicos» im persönlichen Portemonnaie haben, wissen sie besser als wir.

Anspruch auf höhere Qualität
Viele Abnehmer:innen im Direkthandel stellen höhere Ansprüche an die Qualität des Rohkaffees als zum Beispiel Nestlé, die einen grossen Teil zu Produkten verarbeiten, für die auch niedere Qualität brauchbar ist. Um Rohkaffee in einer geeigneten Qualität produzieren zu können, braucht es also Investitionen in Geräte und Know-How. Doch diese Investitionen übersteigen oft die finanziellen Möglichkeiten der Kaffeebäuer:innen. Welche Starthilfe für diese Initialinvestitionen ein solidarisches Netzwerk bieten kann, hat uns die Arbeit von MAIZ – Movimiento Agrario Indigena Zapatista – gezeigt. Durch die Unterstützung von MAIZ konnten in den vergangenen Jahren wichtige Gerätschaften angeschafft werden und eine eigene Nachzucht mit neuen resistenteren Kaffeesorten aufgebaut werden. Ein Teil des Solibeitrages beim Kauf von Café RebelDía fliesst in die Arbeit von MAIZ.

Klimawandel macht Wetter unberechenbar
Auch klimatische Veränderungen stellen die Menschen vor Ort vor immer neue Herausforderungen. Mit dem Klimawandel ist das Wetter unberechenbarer geworden. Für die richtige Trocknung des Kaffees seien aber einige Tage stetiger Sonne nötig, erklärten uns die Kaffeeproduzent:innen. Wegen des zunehmend unsteten Wetters wollen sie darum in Trocknungsanlagen investieren, in denen der Kaffee geschützt vor dem Regen trocknen kann. Dass diese Anpassung nötig ist, hat zu einem grossen Teil der globale Norden zu verschulden, denn er trägt proportional mehr zum Klimawandel bei.

Quelle: Campo Abierto

Vereint im Kampf gegen das Wasserkraftwerk
Der Zusammenschluss innerhalb der Kooperative Corazón de la Montaña geht über die reine Arbeit in der Kaffeeproduktion hinaus. Denn der Verkauf zu einem besseren Preis ist nur ein Mittel zum Zweck – und der Zweck ist ein selbstbestimmtes Leben in den Tälern der Sierra Negra. Der mexikanische Staat hat drei Flüsse in der Region für den Bau eines Wasserkraftwerkes konzessioniert. Diese Konzession wurde ohne Konsultation der Ortsansässigen gegeben, was an sich schon eine Verletzung der fundamentaler Rechte darstellt. Die Folgen des Wasserkraftwerkes wären gravierend für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen in der Sierra Negra. Die Flüsse würden massiv viel weniger und dazu noch verunreinigtes Wasser führen. Darunter würde das ganze Ökosystem leiden und auch die wichtige Feuchtigkeit für den Kaffeeanbau im Tal verloren gehen. Jeden Morgen sieht man von den Berggipfeln, wie die Feuchtigkeit von den Flüssen als Nebelschwaden in einem beeindruckenden Schauspiel die Täler hochsteigen. Der Verlust dieser Feuchtigkeit würde die Zerstörung der Lebensgrundlage der Menschen hier bedeuten. Dazu kommt, dass ein grosser Teil der Bevölkerung umgesiedelt werden müsste, damit genügend Flächen für die Baumaschinen planiert werden könnten.

Quelle: Campo Abierto

Viele jener, die sich gegen die Zerstörung ihres Zuhauses wehren, haben sich in der Kooperative Corazón de la Montaña organisiert. Dadurch, dass sie sich gegen die Entscheidung des mexikanischen Staates wehren, werden sie jedoch an den Rand der Gesellschaft gedrängt und von Zuwendungen der öffentlichen Hand ausgeschlossen. Oft wird auch ihr Leben bedroht, von jenen, die den Bau des Staudammes und die Kompensationen für die Umsiedlung befürworten. So spaltet dieses Projekt Gemeinden und Familien.

Alternativen und lokale Projekte sind / wären vorhanden. So gab es Vorstösse der Lokalbevölkerung für ein kleineres Wasserkraftwerk, der das Ökosystem viel weniger belastet hätte. Dieses wurde jedoch nicht bewilligt.

Hoffnungsvolle neue Generation
Diese Innovationslust wird auch von einer jungen und gut ausgebildeten Generation angetrieben, die aus den Grossstädten in die Täler ihrer Eltern zurückkehren. Sie entdecken den Reichtum des Lebens in der Sierra Negra wieder und die Schönheit der Kaffeeproduktion. Sie wollen die Kaffee-Haine verjüngen, um den Erträgen und der Qualität neuen Anschub zu geben. Die Ideen reichen über die Kaffeeproduktion hinaus – so sollen zum Beispiel Unterkünfte für Agrotourismus entstehen.

Die wirtschaftliche Perspektive, die der Verkauf über die Kooperative Corazón de la Montaña bietet, trägt zur Umsetzung dieser Projekte und einem selbstbestimmten Leben in der Sierra Negra bei. Während unserem Besuch bei der Kooperative haben wir als Kollektiv Campo Abierto etwas vom Leben dieser Menschen und ihren Ideen für die Zukunft einfangen können. Diese werden nächstens auch über das Netzwerk von Café RebelDía verfügbar sein. Weitere Kooperationen sind angedacht. Wir wollen an dieser Stelle noch einmal herzlich dem Verein Café RebelDía, MAIZ und ganz besonders Philipp Gerber danken, die uns diesen Besuch ermöglicht haben.