Erstes internationales zapatistisches Frauentreffen in Morelia

Ein Bericht der Direkten Solidarität vom ersten internationalen Treffen für Sport, Kultur, Politik und Kunst von Frauen, die kämpfen, 8.-10. März 2018 in Morelia, Chiapas

Foto: Sonja Gerth

„Vielleicht erreicht dich der Gedanke, dass es im patriarchal-kapitalistischen System weder Wahrheit, Gerechtigkeit noch Freiheit geben wird. Vielleicht werden wir uns wieder sehen, um dem System Feuer zu legen. Vielleicht wirst du bei uns bleiben, um dieses Feuer zu hüten, damit niemand es löscht, bis nichts weiter bleibt als Asche.
Bis dieser Tag – der Nacht sein wird – gekommen ist, werden wir lernen und trainieren, um uns dem Allerwichtigsten bewusst zu sein. Dieses Allerwichtigste ist, dass nie mehr eine Frau, welcher Farbe, aus welchem Land, welcher Grösse und welchen Alters auch immer, Angst hat.“ (Zitat aus der Abschlussrede).

 

Um die 9000 seien wir gewesen, mehr als 2000 davon Zapatistinnen. Nachdem 5000 registriert waren, stürzte das System ab. Die Delegation der Kurdinnen wurde am Flughafen in Mexiko D.F. wieder ausgeschafft. Das gleiche Schicksal traf auch eine Gruppe Argentinierinnen.Auf zapatistischem Territorium waren noch nie so viele Frauen an einem Treffen versammelt, ausschliesslich Frauen. Wir sind viele. 

Trotz ihrer Bedenken hatten die Zapatistinnen die Organisation voll im Griff. Es gab genügend Platz für Unterkunft, das Wasser funktionierte, der Strom fiel nur einmal aus und war schnell wieder da. Die Soundsysteme an den diversen Schauplätzen klangen mal besser mal, schlechter. Kranke und Verletzte wurden behandelt. Es gab immer genug zu essen und jederzeit einen guten Kaffee. Die WCs waren immer sauber und die Schlange davor nur am Morgen lang. Das Programm war immens: Über Politprogramm mit Diskussionen zu Feminismen, von indigenen Frauen in sozialen Kämpfen, Arbeitskämpfen in den Fabriken im Norden, gleichgeschlechtlicher Liebe in indigenem Gebiet hin zu Basket-, Volley- und Fussballmatchs. Von Yoga und Selbstverteidigung, Gruppentänzen und reinigenden Ritualen zu Theateraufführungen, Konzerten, Lesungen in Poesie und Prosa. Von Ausstellungen und Projektionen von Dokumentarfilmen bis hin zu Workshops über unseren Körper, Wie bastle ich ein Heft, Wie gehe ich mit patriarchalen Situationen im Alltag um bis zu Wandbilder oder Hefte malen und so weiter.

Viele Veranstaltungen wurden von Hunderten besucht, die Räume waren übervoll. An jeder Veranstaltung war eine Gruppe von Zapatistinnen präsent, die sich fleissig Notizen machten, und ihre Filmteams hielten alles fest. Eine Kritik war, dass wir aus dem globalen Norden zu viel reden würden. Die Zapatistinnen nahmen noch nie an derartigen Veranstaltungen teil. Ich erinnere mich, dass ich selbst einige Politveranstaltungen besuchen musste, bis ich mich traute, mich zu Wort zu melden. In ihrer Abschlussrede betonten die Zapatistinnen, dass es ihnen grossen Spass gemacht habe, unseren Themen, Ideen, Lesungen und komischen Sachen, die sie nicht verstanden hätten, zuzuhören. Und sie würden die Themen mit ihren Compañeras teilen.

Am ersten Abend beleuchteten die 2000 Zapatistinnen das Gelände mit Kerzen. Dieses Licht war ein Geschenk an uns, das wir in unseren Herzen tragen und mit unseren Compañeras teilen. Immer wenn unsere Kämpfe schwierig seien und wir uns alleine fühlten, sollen wir daran denken.

Die Zapatistinnen forderten uns auf, in unseren Ländern auch solche Treffen zu organisieren. Vor allem fordern sie uns dazu auf, unsere Kämpfe in unseren Lebensräumen zu führen. Solange bei uns in der Schweiz die Migrantinnen Angst um die Zukunft ihrer Kinder haben, solange Frauen im gleichen Beruf weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, solange die Betreuungsarbeit nicht anerkannt und Sache der Frau ist, solange der Grossteil der Männer Wochenendpapas ist, solange das kapitalistische System uns den Individualismus und den Konkurrenzkampf schon in der Schule einflösst, solange wir nicht im Kollektiv funktionieren können und unseren Wohlstand als selbst erarbeitet betrachten, solange hüten wir die Lichter in unseren Herzen, um am Tag – der Nacht sein wird – Feuer zu legen.